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Umweltfreundlich unterwegs: Timm Kehler in einem Erdgas betriebenen Skoda. Er arbeitet für die Agentur „Erdgas mobil“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wie funktioniert die Stadt? (7): Ein Mann gibt Gas

Timm Kehler von der Initiative „Erdgas mobil“ in Berlin-Mitte will Autofahrer vom alternativen Kraftstoff überzeugen

Ich sehe was, was Du nicht siehst. In Timm Kehlers Auto bietet sich das Spiel an. Was unterscheidet seinen Skoda Oktavia von anderen Wagen gleichen Typs? Er lockert schmunzelnd den Schal überm Sakko, schwingt sich auf den Fahrersitz, dreht den Zündschlüssel und gibt jetzt – buchstäblich – Gas. Erster kleiner Hinweis auf seine Mission. Kehler steuert aus der Tiefgarage seines Büros hinauf zur Neustädtischen Kirchstraße und weist dabei aufs Armaturenbrett. Zwei Tankanzeigen leuchten nebeneinander: rechts der Benzinstand, links steht „CNG“ – Compressed natural Gas“. Die einzigbemerkbare Auffälligkeit. Der Skoda nutzt Erdgas als Kraftstoff. Sein Motor verträgt, wie das bei solchen Fahrzeugtypen üblich ist, auch Benzin. Geht ihm das Erdgas aus, schaltet der Wagen auf die Spritreserve im zweiten Tank um und kommt dann noch mal mehrere hundert Kilometer weit. Aber das hat Timm Kehler selten erlebt. Wäre auch ärgerlich, die Vorteile des Erdgasantriebs für Umwelt und Geldbeutel wären dahin. Deshalb setzt sich Kehler als Chef der in Mitte ansässigen Initiative „Erdgas mobil“ seit fünf Jahren dafür ein, dass es in Berlin und bundesweit ausreichend viele Tankstellen mit Gaszapfsäulen gibt. Timm Kehlers Job ist es, Erdgasfahrzeuge populär zu machen.

CO2-Einsparung als Preisvorteil

Die Zahlen zur „Klimafreundlichkeit des Erdgasantriebs“ referiert der Maschinenbauingenieur und Industriedesigner so flott, wie er sich jetzt durch die Dorotheenstraße zum Regierungsviertel schlängelt. „CO2-Einsparung etwa 25 Prozent im Vergleich zu Benzin- und Dieselwagen, wird noch ein Fünftel Bioerdgas beigemixt, sind es 35 Prozent.“ Und der Preisvorteil? „Halb so teuer wie Benzin, ein Drittel günstiger als Diesel, hinzu kommt ein Bonus bei der Kfz-Steuer.“ Zwischen Paul-Löbe-Haus und Reichstag hält er an. Gut 35 Limousinen der Fahrbereitschaft für Bundestagsabgeordnete parken dort nebeneinander. Insgesamt sind für diesen Service 120 Fahrzeuge unterwegs, rund die Hälfte mit Erdgasantrieb. Die Flotte ist Timm Kehlers liebstes Vorzeigeprojekt. Aber gleich danach nennt er die zahlreichen Erdgastaxis in Berlin, die an ihren Türen als solche gekennzeichnet sind. Bei Itzehoe aufgewachsen, studierte Kehler in Berlin, war ab den neunziger Jahren bei BMW in München und lernte damals schon die ersten Erdgasautos kennen. „Das waren noch Exoten mit Gas-Zusatztank auf dem Rücksitz.“ Heute sei die Technik ausgereift. Timm Kehler öffnet die Heckklappe des Wagens. Ein stattlicher Kofferraum. Viele Leute würden denken, zwei verschieden Tanks, dadurch geht doch Platz verloren. „Stimmt nicht, die Tanks sind so geschickt in den Unterbau integriert, dass aller Komfort bewahrt wird.“

Erdgas für die BVG?

Als Timm Kehler 2009 im Auftrag der bundesdeutschen Erdgaslieferanten den neuen Job übernahm, fühlte er sich wie am Schreibtisch „eines reizvollen Start- up-Unternehmens“.

Zurzeit wirbt er auch für mehr erdgasbetriebene Lieferwagen und Busse im Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). Die BVG setze ja noch keine ein. „Obwohl in Nürnberg, Gießen, in Rom und Madrid schon Erdgas-Busse unterwegs sind.“ Es fehle ein positives politisches Klima für die Gastechnik, sagt Kehler. E-Mobility werde offensiver gefördert. Nächste Station: Total-Tankstelle Holzmarktstraße. Kehler stoppt an Säule 15. „Erdgas mit 20 Prozent Bioerdgas aus der Anlage Rathenow“ steht auf dem Schild. Wie tankt man Gas? Fast wie Sprit. Es gibt nur zwei Unterschiede: Die Zapfpistole wird am Tankstutzen gasdicht festgeklickt. Und statt der gewohnten Liter rattern auf dem Display „kg’s“ durch. Gas wird nach Kilogramm bemessen. Tank voll, hinter Kehler warten schon zwei Taxen. Er freut sich. „Die müssen auch Kosten sparen.“ Kehler geht die Tankfüllung zahlen: 25 Euro.

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