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Einsatz im Keller: Elektroingenieur Ulrich Strasse kümmert sich um die niedrigen Spannungsbereiche. Damit ist er dicht dran am Stromkunden.

© Georg Moritz

Wie funktioniert die Stadt? (9): Monsieur 10 000 Volt

Elektroingenieur Ulrich Strasse hat einen Auftrag: Berlins Stromversorgung digital zu vernetzen - und damit zuverlässiger zu machen.

Wie funktioniert die Stadt? Folge 9: Vattenfall

Noch in den Neunzigern kam der Strom einfach vom Kraftwerk zum Verbraucher. Seither sind regenerative Stromerzeuger wie Wind- und Solarkraft hinzugekommen. Und dieses neue Netz muss auf intelligente Weise weiter verbunden werden. Der Stromerzeuger Vattenfall arbeitet daran, Elektrizität klimafreundlich zu erzeugen. Außerdem bietet er Techniken an, die das Stromsparen erleichtern. Im modernisierten Heizkraftwerk Lichterfelde-Ost wird Erdgas effizient genutzt. Das Poster, das dem gedruckten Tagesspiegel beiliegt, erklärt seine Funktion.

Ein Schlagbohrer hämmert irgendwo in der Unterwelt. Bauarbeiter schleppen Metallteile durch den Keller, Zement wirbelt auf. Ulrich Strasse (59), gelber Schutzhelm, blaue Vattenfall-Jacke, läuft rasch durchs Untergeschoss des Neubaues an der Ecke Behren-, Glinkastraße und verschwindet in einem kleinen Raum. Drinnen sieht es aus wie in einer Elektrikerwerkstatt. Kabel werden an Sicherungskästen montiert, hinter Schalttafeln haben Arbeiter einen mannshohen Transformator in Stellung gebracht. Strasse wirft prüfende Blicke auf ihr Werk. Er kommt hier seinem Auftrag nach: den Ausbau von Berlins intelligenter Stromversorgung voranzureiben.

Im Kellerraum wird eine neue Netzstation eingerichtet. Ihr Transformator soll künftig 10 000 Volt auf normalen Haushaltsstrom herunterspannen und damit den Büroneubau elektrisch versorgen, der an dieser Stelle gerade entsteht. 11 000 solcher Netzstationen gibt es in Berlin, manche beliefern einzelne große Gebäude mit 230 Volt, andere einen ganzen Kiez. Ulrich Strasse ist für mehr als 3000 dieser Stationen zuständig. Er leitet die Region Mitte des Mittel- und Niederspannungsnetzes bei Vattenfall.

Dazu gehört in etwa das Stadtgebiet innerhalb des S-Bahnrings mit 944 000 Einwohnern. Stellt man den Weg des Stroms bis zum Verbraucher dar, also vom Kraftwerk oder Windrad über die Starkstromleitung zu den großen und kleinen Umspannwerken, in denen die Spannung von Stufe zu Stufe verringert wird, so ist Strasse für den letzten dieser Schritte ab 10 000 Volt verantwortlich. Er und seine rund 100 Mitarbeiter sind also besonders nah am Stromkunden.

Deshalb arbeitet er als „Netzer“, wie er sich bezeichnet, daran, die Stadt sicher mit Strom zu versorgen und Ausfälle möglichst rasch beheben zu können. Die neue Netzstation in Mitte trägt dazu bei. Denn sie kann aus der Ferne überwacht werden. Ihre Daten erscheinen auf Monitoren in der Leitstelle für das Berliner Stromnetz in Tiergarten. Rund 1000 solcher fernüberwachten Netzstationen hat Vattenfall schon in Berlin geschaffen. Ihr Vorteil: Bei einem Stromausfall lässt sich die Ursache dank der digitalen Überwachung rasch lokalisieren. Strasse wirkt bei dem Thema wie elektrisiert.: „Bei den alten Stationen muss erstmal jemand hinfahren und nachsehen, wo was schief läuft.“

Dass der Elektroingenieur diese kleinsten Umspannwerke an der Basis der Stromversorgung lieber heute als morgen online steuern und überwachen will, hat noch einen anderen Grund. Der heißt „Smart Grid“. „Die klassische Stromversorgung ist ja passée“, sagt Strasse. „Heute kommt die Elektrizität nicht nur aus Kraftwerken, sondern aus vielerlei regenerativen Quellen, vom Windpark bis zu Solaranlagen.“ Der Stromnachschub sei folglich weniger konstant, hänge vom Wetter und anderen Faktoren ab. Darauf muss er auch in seinem Bereich flexibel reagieren. Am besten mit Hilfe digitaler Vernetzung, im Fachjargon „Smart Grid“ genannt.

Ulrich Strasse ist Fachmann in Sachen Strom. Nach einer Lehre in Ost-Berlin zum Elektromonteur und seinem Studium war er bei der Bewag-Ost zuletzt Chef des Hochspannungsbereiches. Seit dem Mauerfall hat er maßgeblich den Zusammenschluss der seit 1952 getrennten Stromnetze in Ost und West begleitet, 2003 übernahm er seinen heutigen Job. Jetzt muss er weiter zu einer Baustelle, für die ein Bagger die Französische Straße einige Meter weit aufgerissen hat. Am Grund der Grube liegen die elektrischen Versorgungsadern der Stadt, armdicke Kabel, die mehrere Netzstationen verbinden. Doch Monteure haben sie durchtrennt, man sieht an der Schnittstelle den Graphitkern und den Aluminiummantel. Neue Verbindungsstücke müssen sie einziehen, weil die Kabel aus DDR-Zeiten marode geworden sind.

Der Schaden ist größer als angenommen. Lagebesprechung. Strasse ordnet an: „Die Baugrube wird verlängert.“ Im Kiez wird es deshalb nicht dunkel werden. „Ist die eine Zuleitung unterbrochen, schalten wir auf Ersatzkabel um“, sagt Strasse.

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