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Julia Rosenthal: Party-Sause im Cafe Rosenthal

Schülerbeitrag

Die Feier sollte im Cafe Rosenthal stattfinden. Rosenthal- schon bei der Ortsangabe hätte man misstrauisch werden können, wenn ich das nicht ohnehin schon beim Anblick der kunstvoll gestickten „70“ auf dem Cover der Einladungskarte geworden wäre. Rosenthal, allein das Wort weckt Vorstellungen von gehäkelten Topflappen und Teekannenüberziehern, von korallroten Fingernägeln, türkisen Strickjacken, weißen Kränzen aus Bändern an den Fenstern- und gestickten Einladungskarten. Wie geschaffen für ein Fest also, für ein Familienfest. Ähnliche Gedanken gingen mir im Kopf herum als ich die Einfahrt hinauffuhr, vorbei an großen, kunstvoll beschnittenen Büschen, von Gartenzwergen flankiert, hin zu dem beschriebenen Cafe. Tatsächlich handelte es sich dabei bei genauerer Betrachtung eher um eine schmuddelige Kneipe, die nur aus einem Raum und aus einem kleinen Vorraum bestand. Beim Betreten musste man sich erst einmal durch einen Haufen von alten Skatspielern kämpfen, die im Vorraum zusammengepfercht saßen, rauchten und einem„Tach“ entgegenbrüllten, wobei eine Unmenge von Zigaretten- Asche durch die Luft flog. Dann hatte ich es endlich geschafft. Besonders früh war ich nicht da, das Fest war also schon in vollem Gange. „Ach seht mal“, schallte es mir auch gleich entgegen. „Dein Enkelkind ist da! Hach, ist die aber süß!“ Wie ein Schwarm Piranhas stürzte sich ein Mop von Omas auf mich um mich von allen Seiten zu bestaunen. „Ja, du bist aber groß geworden“, war noch das netteste, was ich zu hören bekam. Außerdem von sämtlichen Seiten: „Erinnerst du dich noch an mich?“ Immer nicken, einfach Lächeln und dann die Ellbogen einsetzten. Als ich es geschafft hatte mich in die Mitte des Raumes vorzukämpfen, konnten ich mir endlich einen Überblick über das gesamte Ausmaß machen: Der Raum war nicht nur voller Omis sondern auch kunstvoll dekoriert. Selbstgehäkelte Topflappen gefährlich ähnliche Gebilde hingen an den Fenstern und verdeckten die Sicht auf die weißen Plastiktische der Veranda. Einige sich bewegende und leuchtende Weihnachtsmänner waren in den Ecken aufgestellt. Weihnachten war zwar schon vorbei, aber das schien auch die ihre Farbe wechselnden Tannenzweige an den Wänden nicht zu stören. Schließlich kommt Weihnachten ja bald wieder, da kann man ruhig mal optimistisch sein, außerdem macht sich diese Deko ja auch wirklich ganz toll, schön bunt, mit so lustigen Farben, warum also nicht. In dem Moment wurden die Omis von etwas anderem abgelenkt und ich konnte mir in Ruhe meinen Platz suchen. Doch die nächste Bedrohung näherte sich. „Hallo“, sagte Tante Elena hinter mir. Oder zumindest könnte sie Hallo gesagt haben, ganz sicher ist das nicht. Trotz ihres nun mehr 70-jährigen Aufenthaltes in Deutschland hat sich Tante Elena die Eigenschaft bewahrt, meist nur bulgarische Ausrufe von sich zu geben- oder zumindest wird das angenommen, da man allgemein der Ansicht ist, dass das Gurgeln, das mit viel Speichel vermischt aus ihrer Kehle dringt, sicher, ganz sicher auf ihre bulgarische Abstammung zurückzuführen ist. „Hallo, Tante Elena“, sagte ich. „chuachu“. „Äh, ja genau.“, erwiderte ich. „auolauo“, „Ja, äh, stimmt“, sagte ich. „schuachuopgua“. In dem Moment rettete mich zum Glück meine Oma. „Und nachher wird getanzt“, verkündete sie laut. „Äh, zu welcher Musik denn, Oma?“, fragte ich, das schlimmste befürchtend. „Na, wir haben doch hier einen DJ. DJ Wolfgang!“ Sie drehte sich um und zeigte ans andere Ende des Raumes. Und tatsächlich, da stand er, Dj Wolfgang, bereit zum Einsatz. Er hatte sich extra für diesen Anlass einen besonders schönen, blauen Western Anzug angezogen und einen dazu passenden Hut auf das auch schon ergraute Haar gedrückt. „Hach, das wird ein Spaß“ sagte meine Oma und rauschte ab, Tante Elena im Schlepptau. Und DJ Wolfgang legte los. „Mädchen, oh Mädchen vom Barbadoss“, sang er zur Einstimmung zur voll aufgedrehten Konsole laut mit. Es folgten altbekannte Hits wie: „Mädchen mit den blonden Haar“, „Marie, mein Herz“ und „Schön ist die Jugendzeit“. Ich bekam langsam Kopfschmerzen, es begann mit einer leichten Nervosität und artete nach einer Widerholung von „Mädchen mit dem blonden Haar“ zu einem dumpfen aber beißenden Schmerz hinter meinen Schläfen aus. Den Omis unterdes gefiel es fabelhaft. Die, die mit Krücken unterwegs oder gar blind gewesen waren, hatten dies vergessen und wirbelten nun zu der Musik ihrer Jugend ihm Kreis- und verlangten nach jedem Lied eine Wiederholung. Fast wie bei den Teletubbies, nur hier waren es keine hüpfenden flauschigbauschigen Dinger, die einen Grashügel hinabkullerten sondern einer Horde wuselnder Omas- und statt der lachenden Kindersonne ein nun laut mitsingender DJ Wolfgang. Mittlerweile hatte ich das dringende Gefühl bekommen, ein Kernreaktor befinde sich in meinem Schädel. Und als sich dann auch Tante Elena mit einem freudigen „fuachutachurchuor“, aus der Menge löste und auf mich zueilte, beschloss ich, dass es genug sei. „Ich muss jetzt leider gehen“, sagte ich, nicht besonders laut, wie ich fand, aber anscheinend laut genug. Plötzlich herrschte Totenstille. Wie beim Stopptanz standen die Omis da, mitten in der Bewegung erstarrt, wie Eiszapfen, nur dass sie mich alle anstarrten. „Aber nicht, ohne dass du uns etwas gesungen hast“, erklang es von hinten und augenblicklich erwachten die Omis aus ihrer Starre. „Genau, sie soll was singen!“, erklang es von allen Seiten. Diesen Teil des Abends möchte ich Ihnen lieber ersparen- wenigstens war es mir für diese zehn Minuten gelungen, die Musik einzudämmen und die Omis vom Tanzen abzuhalten. Nach meinem etwas blamablen Auftritt, stürmte ich einfach so schnell ich konnte aus dem Raum, so schnell es ging in den Vorraum. Die grölenden Skatspieler waren mir mit einem Mal sehr sympathisch geworden. „Haste schon mal bei den Deutschland sucht den Superschtar mit gemacht?“, rief mir die Kellnerin noch hinterher, der Rest ging unter in einer erneuten Wiederholung von „Mädchen vom Barbadoss“, das durch die Tür in den Vorraum quoll. „Tschüssikowski“, brüllten die Skatspieler einmündig und winkten mir zum Abschied mit ihren Zigarettenstummeln zu, dann hatte ich die Tür erreicht.

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