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Trautes Bild. Michael Schumacher bejubelt seinen Sieg in Spa-Francorchamps 1995, als er von Platz 16 gestartet war und auf Trockenreifen Damon Hill (l.) im Regen hinter sich hielt. Das Rennen war ein Glanzstück in Schumachers Karriere, doch nicht immer lief es so sauber zwischen den beiden ab.

© Reuters

Damon Hill im Interview über Michael Schumacher: „Ich bringe ihm Hausschuhe und eine Pfeife mit“

Michael Schumacher fährt am Sonntag sein endgültig letztes Formel-1-Rennen. Wir sprachen mit seinem einstigen Kontrahenten Damon Hill über die Rivalität, das strittige Saisonfinale von 1994 und warum sich die beiden nie ausgesprochen haben.

Von Christian Hönicke

Herr Hill, am heutigen Sonntag fährt Ihr alter Rivale Michael Schumacher sein letztes Rennen. Sie sind in Sao Paulo an der Strecke. Werden Sie mit ihm sprechen?

Vielleicht werde ich Goodbye sagen.

Können Sie verstehen, warum er nach seinem ersten Rücktritt 2006 überhaupt noch mal zurückgekehrt ist?

Ich persönlich verstehe ihn nicht wirklich. Es ist ein bisschen wie im Showbusiness: Hör auf dem Höhepunkt auf, solange die Leute noch mehr von dir hören wollen. Aber er kann tun, was er will. Und aus seiner Sicht war es absolut berechtigt, es noch einmal zu versuchen und zu schauen, ob er es noch kann. Und jetzt hat er ja die Antwort, die er haben wollte. Jetzt kann er weiterziehen. Seine sieben Titel stehen ja noch, auch wenn manche sagen, es sollten nur sechs sein … (lacht)

Sie spielen auf das Saisonfinale 1994 an, als er Sie in Adelaide aus dem Rennen rammte und so seinen ersten Titel gewann.

Ja, die Leute kommen immer noch zu mir und fragen mich wegen Adelaide 1994. Es ist noch in den Köpfen der Menschen, sie wollen meine Sichtweise wissen. Viele denken, dass diese Episode keine gute Art und Weise war, eine WM zu entscheiden. Darüber wird immer noch diskutiert.

Sie und Schumacher haben sich bis heute nicht ausgesprochen?

Nein, es liegt nicht in Michaels Interesse, darüber zu sprechen oder zu diskutieren. Normalerweise sollte doch sportliches Verhalten im Interesse der Sportler liegen. Aber Michael war immer sehr vorsichtig mit dem, was er gesagt hat. Ich denke, er hatte gute Gründe dafür (lacht). Er hat auf alle Fragezeichen, die seine Karriere umgaben, geantwortet, in dem er geschwiegen hat.

Sie bezweifeln trotz aller Erfolge, dass er der größte Rennfahrer der Geschichte ist?

Es gibt keinen Zweifel an seinem Talent, seiner Hingabe und den Ergebnissen, die er erreicht hat. Aber die Leute sind doch vor allem immer noch fasziniert von ihm wegen seiner Herangehensweise an den Sport. Und die war eben, den maximalen Erfolg zu erreichen, den er kann. Manchen Erfolg hat er auf kontroverse Weise errungen, er hat keine Gewissensbisse in dieser Hinsicht. Das ist eine Konstante in seiner Karriere, bis zuletzt. Eine der grundsätzlichen Fragen dabei ist, ob er sich für das interessiert, was andere Leute beschäftigt. Ich denke, Michael hat da einen ziemlich begrenzten Blick.

Sie haben ihm trotzdem 1995 nach seinem Sieg auf dem Nürburgring vor aller Welt applaudiert. Fehlt ihm eine solche Geste bei allen Siegen zu einem wahren Champion?

Ich weiß es nicht, die Zeit wird es zeigen. Unsere Karrieren und ihr Vermächtnis werden von den künftigen Generationen untersucht werden. Manche werden auf Michael schauen und sagen, das ist der beste Weg, die besten Resultate zu erreichen. Ich wünschte, ich hätte sein Talent gehabt. Aber ich denke nicht, dass ich deswegen auf genau die gleiche Art an den Sport herangegangen wäre. Sport wirft immer die Frage auf, wie wir unsere Ambitionen mit dem ausbalancieren, was wir für angemessen halten.

Hat er diese Balance in den letzten drei Jahren geändert? Schumacher sagt, er habe in dieser Zeit das Verlieren gelernt.

Wir alle werden ja erwachsener. Wir verändern uns, unsere Sicht auf die Welt verändert sich unvermeidlich, wenn wir älter werden. Deswegen ist es für ihn vielleicht auch schwieriger, genau so wettbewerbsfähig zu sein wie früher.

War Schumacher mit über 40 schlicht schon zu alt für die Formel 1?

Das ist ein Teil der Antwort. Ganz abgesehen davon, ob er noch die Fitness, Reaktionen oder Instinkte hat wie in jüngeren Jahren: Ein Teil des Älterwerdens ist ja auch, dass man eine andere Lebensauffassung bekommt. Michael ist sicher nicht mehr der gleiche junge Kerl wie mit 25. Und es wird interessant zu sehen sein, wie er sich nach dem endgültigen Karriereende verändert. Er hat einen großen Teil seines Lebens damit verbracht, sich fast ausschließlich mit Rennwagen zu beschäftigen. Danach ein Leben zu führen, das andere normal nennen, ist sehr schwierig. Die Denkweise, vielleicht sogar die Nervenbahnen haben sich eben ums Rennfahren entwickelt, und nicht darum, die Kinder zur Schule zu fahren.

Schumacher tickte nach drei Jahren Pause nicht mehr, wie ein Rennfahrer ticken muss?

Ich weiß nicht genug über Michaels Leben, ich weiß nicht, was er in den drei Jahren gemacht hat. Aber wenn Sie ein Konzertpianist sind und drei Jahre nicht spielen können, dann sind Sie einfach nicht mehr so gut. Und wenn man drei Jahre nicht fährt, ist es sehr, sehr schwierig, wieder mithalten zu können. Und zwar in jedem Alter.

Vor zwei Jahren sind Sie in Monaco noch einmal aufeinandergetroffen. Sie sollten als Rennkommissar entscheiden, ob Schumacher gegen die Regeln verstoßen hatte, als er in der Safetycar-Phase ein paar hundert Meter vor dem Ziel noch überholt hatte. Eine bizarre Situation, oder?

Ich glaube, wir fanden das beide sehr amüsant. Was auch immer ich in dieser Situation gesagt hätte, man hätte mir Voreingenommenheit vorgeworfen. Aber das stimmt nicht. Ich war ziemlich beeindruckt von seiner Taktik. Er hatte sich durchs Regelwerk gearbeitet und herausgefunden, dass es in diesem Punkt nicht klar ist. So hat er ein Problem für die Stewards kreiert. Technisch gesehen hat er nichts falsch gemacht. Es war mehr der Geist der Regeln, den er gebrochen hat.

Das hört sich aber nicht so an, als hätte er das Verlieren gelernt, wie er behauptet.

Das ist einfach seine Cleverness, deswegen war er so erfolgreich. Ich denke, man will Michael einfach auf seiner Seite haben. Er ist ein sehr entschlossener und intelligenter Junge. Später in der Saison, beim Rennen in Silverstone, hat er bei der Fahrersitzung immer noch über das Manöver gesprochen. Er hat mit dem Renndirektor Charlie Whiting bestimmt 20 Minuten lang darüber diskutiert. Die meisten von uns hätten gesagt: Okay, die Sache ist abgehakt. Aber er gibt einfach nicht auf. Das macht ihn zu Michael Schumacher.

Nun fährt Schumacher sein letztes Rennen. Wird ihn die Formel 1 vermissen?

In den letzten zwei Jahren ging es in der Formel 1 ja nicht mehr wirklich um Michael Schumacher. Ob er noch fährt oder nicht, das macht keinen großen Unterschied mehr.

Werden Sie ihn vermissen? Immerhin verbinden Sie viele gemeinsame Erfahrungen.

Ich hatte das Glück, gegen die besten Fahrer fahren zu können. Und wie man es auch sieht, er war einer der besten aller Zeiten. Er hat meinen Standard angehoben, weil ich sehr viel geben musste, um mit ihm mitzuhalten. Und manchmal war ich auf einer Höhe mit ihm.

Was wünschen Sie ihm?

Ich hoffe, er fährt vorsichtig und kommt da wohlbehalten raus, dass er zurücktreten und seine Karriere und sein Leben reflektieren kann. Und ich hoffe, er hat ein gutes und glückliches Leben als Ex-Fahrer. Er hat viel Potenzial, er kann seine Erfahrung in anderen Bereichen einbringen. Aber es wird schwierig, aufzuhören. Denn es gibt nichts, was mit dem Fahren in der Formel 1 vergleichbar ist.

Deswegen ist er ja noch einmal zurückgekommen. Werden Sie ihm ein paar Tipps geben, damit er diesmal durchhält?

Ja, ich bringe ihm ein Paar Hausschuhe und eine Pfeife mit.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

Damon Hill, 52,

ist der Sohn des zweifachen Weltmeisters Graham Hill. 1994 und 1995 wurde er WM-Zweiter hinter Schumacher, 1996 holte er den Titel im Williams-Renault.

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