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Mythos Nürburgring. 2007 fuhr Nick Heidfeld noch einmal auf der legendären Nordschleife, die nach dem schweren Unfall von Niki Lauda nicht mehr von der Formel 1 befahren wurde..

© picture-alliance/ dpa

Formel 1: Künftige Rennen in Deutschland gefährdet

Der legendäre Nürburgring pleite. Der Hockenheim-Ring steht zwar ein bisschen besser da, aber ob er in die Bresche springen kann, wenn es den Nürburgring nicht mehr gibt, ist mehr als fraglich. Und der Lausitzring?

Von Christian Hönicke

An die Anfänge einer Beziehung erinnert man sich manchmal auch Jahre später noch gern. Am Donnerstag berichtete Sebastian Vettel von seinen ersten Begegnungen mit dem Hockenheimring. „Einmal war es sehr heiß auf der Tribüne, und die haben Wasser für 10 Mark verkauft“, erzählte der Formel-1-Weltmeister. „Später haben wir gesehen, dass sie die Flaschen mit Leitungswasser aufgefüllt haben. Das war ein gutes Geschäft.“ Vielleicht wäre das auch ein geeignetes Modell, um die andere große Rennstrecke in Deutschland zu retten: den Nürburgring.

Denn der Grand Prix von Deutschland in Hockenheim an diesem Wochenende könnte das vorerst letzte Formel-1-Rennen im Autofahrerland Nummer eins werden.

In den Neunzigerjahren gab es gleich zwei deutsche Rennen pro Jahr, seit 2008 wechselten sich Nürburg- und Hockenheimring jährlich ab. So sollten die etwa 20 Millionen Euro, die Formel-1-Chef Bernie Ecclestone für den Auftritt seines Rennzirkus verlangt, besser abgefedert werden. Doch für 2013 droht nun der Komplettausfall.

Dabei geht es gar nicht nur darum, ob sich der Nürburgring die Formel 1 noch leisten kann. Sondern darum, ob der Wallfahrtsort des Motorsports überhaupt eine Zukunft hat.

Als Jobmaßnahme wurde der Nürburgring 1927 in die strukturschwache Eifel geboren. Die Lage und die Länge haben seinen Mythos begründet, die Fans liebten die alte 22 Kilometer lange Nordschleife durch das bergige Waldgebiet, die Fahrer fürchteten sie. Am Fuße der Nürburg ereigneten sich auf dem einzig wahren Ring Jahr für Jahr Dramen und Tragödien. Das Überleben des Rennens allein war schon ein Erfolg, wer den Höllenritt über Sprunghügel und teuflische Kurven gewann, wurde als „Meister des Rings“ ausgezeichnet. Doch als die Sicherheit wichtiger wurde, da fiel der Ring aus der Zeit; die Formel 1 fährt seit Niki Laudas Feuerunfall 1976 nicht mehr auf der Nordschleife. 1984 wurde die neue Grand-Prix-Strecke eröffnet, sie war nichts Besonderes mehr, sie ist sogar ziemlich langweilig. Doch ein wenig Mythos rettete sich auf den neuen Ring herüber, weil die Nordschleife nie ganz geschlossen wurde. Mochten Senna oder Schumacher nebenan gewinnen – die Leute wurden auch immer noch angelockt vom schlangenhaften Ungetüm hinter der neuen Boxengasse. 2007 fuhr Nick Heidfeld noch einmal drei Showrunden im Formel-1-BMW um den alten Ring, er achtete vor allem darauf, an den Sprungkuppen nicht abzuheben. „Unbeschreiblich“, sagte er danach.

Gerade wird der Ring ein weiteres Mal von der Zeit überholt. Neue Rennstrecken eröffneten in der Vergangenheit rund um den Globus, stadtnah, flughafennah, den Anforderungen für internationale Veranstaltungsorte im dritten Jahrtausend entsprechend. Der Nürburgring blieb auf dem Dorf. In der Immobilienbranche heißt es: Die Lage lässt sich nicht ändern.

 Sebastian Vettel schaute gestern vom Hockenheimring aus schon etwas melancholisch in Richtung der insolventen deutschen Rennstrecke, die um ihr Überleben kämpfen muss. Fotos: p-a/dpa, dapd (2)
Sebastian Vettel schaute gestern vom Hockenheimring aus schon etwas melancholisch in Richtung der insolventen deutschen Rennstrecke, die um ihr Überleben kämpfen muss. Fotos: p-a/dpa, dapd (2)

© dapd

Der rheinland-pfälzische Landesvater Kurt Beck (SPD) versuchte es trotzdem. Er wollte den Ring weltstädtischer machen. Statt einer direkten Autobahnanbindung entstand allerdings ein überdimensionierter Freizeitpark mit Achterbahn, Disko und Mehrzweckarena. „Jeden Tag ein volles Programm“ sollte es werden; es wurde ein Fiasko. Die prognostizierten Baukosten von 215 Millionen Euro explodierten, die Besucher blieben aus. Mehr als 500 Millionen Euro sollen in den vergangenen zehn Jahren aus öffentlichen Kassen geflossen sein, trotzdem häufte die Nürburgring GmbH mehr als 400 Millionen Euro Schulden an. Rheinland- Pfalz darf auf Druck der EU keine Zuschüsse mehr leisten, die Pleite ist unausweichlich.

Nach Angaben der inzwischen ehemaligen Ring-Betreiber, Hotelier Christian Lindner und Immobilienunternehmer Kai Richter, möchte ausgerechnet der Seelenverkäufer Bernie Ecclestone helfen, damit der Grand Prix in der Eifel zum 40. Mal stattfinden kann. Der Formel-1-Boss wolle 2013 als Betreiber einspringen, auf das Antrittsgeld verzichten, allerdings auch die Einnahmen kassieren. Für Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler wäre das „sicherlich eine Lösung“. Zurzeit ist der Nürburgring allerdings herrenlos, es gibt niemand, der Verträge unterschreiben kann. Dabei drängt die Zeit: Bis Mitte August will der Automobil-Weltverband Fia Klarheit, um den Terminkalender 2013 zu verabschieden.

Natürlich gibt es noch ein paar Optionen, um den Grand Prix von Deutschland für das nächste Jahr zu retten. Der Hockenheimring, ähnlich alt und doch in der Mythoswertung weit hinter dem großen Ring, steht finanziell etwas besser da. Man würde auch gern aushelfen, aber bitte nur, wenn keine Verluste anfallen, sagt Geschäftsführer Seiler. Dann ist da noch der ewige Ausweichkandidat Lausitzring, der allerdings noch einiges investieren müsste, um den Kurs Grand-Prix-tauglich zu machen.

In der Eifel wird man bis auf weiteres wohl nichts mehr ausgeben können. Was vor 85 Jahren als Investition in eine strukturschwache Region begann, ist nun eine Investitionsruine. Der Ring droht sich selbst zu schließen, zumindest für den großen Motorsport. Ein bisschen Hoffnung kam am Donnerstag aber noch auf. Angesprochen auf mögliche Rettungsmodelle, flüsterte Michael Schumacher seinem jungen Freund Sebastian Vettel etwas zu. Der antwortete nur: „Du könntest das doch machen – deine Brieftasche ist größer als meine!“

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