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Oldtimer: Michael Schumacher auf einer seiner letzten Runden.

© dapd

Michael Schumacher: Vollgas bis zum Schluss

Locker ausrollen? Nicht mit Michael Schumacher: Die scheidende Formel-1-Legende kämpft sich beim Rennen im japanischen Suzuka auf Rang elf vor.

Es kommt selten vor, dass der Elftplatzierte eines Formel-1-Rennens ebenso viel Beachtung findet wie der Sieger. Doch am Sonntag richteten sich die Augen in Suzuka nicht nur auf Sebastian Vettel, sondern auch auf Michael Schumacher. Die Rücktrittserklärung am Donnerstag hatte den Hype um den Rekordweltmeister in Japan erst noch einmal so richtig angeheizt. Noch viel extremer als sonst wurde der scheidende Mercedes-Pilot auf Schritt und Tritt verfolgt, von Kameras und Mikrofonen, aber auch von den enthusiastischen Fans, die in Suzuka allgegenwärtig sind.

Auch am Freitagnachmittag im eigentlich unbedeutenden freien Training ging es vor der Mercedes-Box drunter und drüber. Alle warteten auf Schumachers Rückkehr vom Medizincheck, den er nach seinem Trainingsunfall antreten musste. Fotografen und Kameraleute bauten in der knappen halben Stunde Wartezeit Podeste und Leitern in Dreierreihen auf, um eine bessere Sicht zu haben. Dass es keinen Einsturz und Verletzte gab, grenzte schon fast an ein Wunder. Als Schumacher endlich kam, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Wo er früher ohne Gefühlsregung vorbeigehuscht wäre, schien er sich diesmal nicht nur über den Trubel zu amüsieren, sondern ihn sogar zu genießen.

Schumachers Abschied von seiner Lieblingsstrecke Suzuka zeigte auch: Der 43-Jährige hat nicht vor, seine letzten Rennen nur noch irgendwie über die Bühne zu bringen. Oder gar vorzeitig aufhören, wie ihm Formel-1-Boss Bernie Ecclestone riet. Sein Konkurrent und Freund Sebastian Vettel stellte fest: „Er greift voll an wie immer, wie er das auch die ganze letzte Zeit schon gemacht hat.“ Dass seine Batterie mitnichten „im roten Bereich“ ist, wie er es bei seiner Abschiedserklärung von einem Zettel abgelesen hatte, zeigte nicht nur der Crash am Freitag, sondern auch der harte Einsatz, mit dem Schumacher auch am Samstag im Training zu Werke ging. Einmal fuhr er Jenson Button vors Auto, gleich zweimal sogar ausgerechnet Vettel. Der hatte ihn im Laufe des Wochenendes immer wieder verteidigt und festgestellt: „Ihm ist in den letzten drei Jahren auch viel Unrecht getan worden – die Medien haben ganz schön draufgehauen.“

In Suzuka aber war auch Vettel erst einmal wenig amüsiert über Schumachers Fahrweise. Etwas später war er seinem Kindheitsidol aber schon wieder freundlich gesonnen. „Das ist nicht so wild“, sagte er, „natürlich ärgert man sich im ersten Moment, aber es kommt halt schon mal vor, dass man sich gegenseitig ein bisschen im Weg steht.“

Schumacher startet aus der letzten Reihe - zum Glück

Später brachte Schumacher seinen lahmenden Mercedes mit letztem Einsatz gerade noch in den zweiten Teil der dreigeteilten Qualifikation. Dort war dann aber Endstation, und das wurmte ihn. „Ein bisschen enttäuschend“ fand er das Ergebnis, „wir waren einfach zu langsam.“ Zumal er auch noch die Strafversetzung um zehn Startplätze aufgebrummt bekam, die er sich bei seinem Crash mit Jean-Eric Vergne in Singapur eingehandelt hatte. Das bedeutete einen Startplatz in der allerletzten Reihe. Alles andere als ein vielversprechender Start in Schumachers Abschiedstournee von den Strecken dieser Welt. Aber deswegen das Rennen abschenken? So tickt Michael Schumacher nicht.

Die schlechte Startposition erwies sich im Nachhinein sogar als kleiner Glücksfall. So blieb es Schumacher wenigstens erspart, in das Durcheinander in der ersten Kurve verwickelt zu werden, das der Lotus-Pilot Romain Grosjean mit dem Abschuss von Mark Webber ausgelöst hatte. „Da ich so weit hinten war, habe ich gar nicht genau gesehen, was da eigentlich los war“, sagte Schumacher. „Ich habe nur Staub gesehen – und dass dann plötzlich Alonso quer stand. Und dann ist noch mein Teamkollege fast in mich reingerollt, aber zum Glück nur fast.“ Nico Rosberg hatte wegen des Kuddelmuddels vor ihm abbremsen müssen, wurde dann von Bruno Sennas Williams getroffen und war draußen. Rosberg fluchte später über den Wiederholungstäter Grosjean: „Vielleicht muss man wirklich noch mal ein Wörtchen mit dem reden.“

Der baldige Pensionär Schumacher machte aus der Freude über die vielen Ausfälle vor ihm keinen Hehl. „Ich habe mir gedacht, ein paar Konkurrenten draußen, da wird das mit dem In-die-Punkte-fahren vielleicht ein bisschen einfacher.“ Es klappte aber nicht ganz. In den letzten Runden hing sein Silberpfeil zwar ständig im Heck des zehntplatzierten Toro- Rosso-Piloten Daniel Ricciardo, doch vorbei kam Schumacher nicht mehr. „Ich war insgesamt deutlich schneller, aber wir waren auf der Geraden zu langsam – und er hatte eine gute Endgeschwindigkeit“, sagte Schumacher. „So war es nicht möglich, daneben zu fahren und ein Manöver zu machen.“

Trotz der sportlichen Enttäuschung sprach er mit einem Lächeln und glänzenden Augen von einem „interessanten und schönen Kampf, den ich gerne mit einem Punkt belohnt gesehen hätte. Aber er machte keinen Fehler, also muss man ihm den Punkt gönnen.“ Aus dieser Großzügigkeit sprach wohl auch das Bewusstsein, dass Schumacher nicht mehr viele dieser von ihm so geliebten Zweikämpfe in der Formel 1 bestreiten wird.

Beinahe großväterlich gab sich Schumacher, als er über seinen jungen Freund sprach. „Ich möchte Sebastian gratulieren, der mit seinem Sieg hier einen wichtigen Schritt in Richtung Meisterschaft gemacht hat, so dass sich das Ganze jetzt völlig anders darstellt“, sagte er. „Nur noch vier Punkte, wer hätte das gedacht. Hut ab, und jetzt drücken wir alle fleißig die Daumen.“ So spricht eigentlich kein Teilnehmer über einen Kontrahenten. Michael Schumacher klang in diesem Moment schon wie ein Zuschauer.

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