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F1-Reporterin Karin Sturm vor ihrer Rundfahrt in Abu Dhabi im Doppelsitzer von Minardi.

© Promo

Mitfahrt im F1-Zweisitzer: Schleudertraum

Bremsen, bis es weh tut. In einem Formel-1-Auto wirken enorme Kräfte. Nirgendwo wird schneller beschleunigt und härter abgebremst. Unsere Autorin hat es erlebt.

Es ist angenehm warm an diesem Tag in Abu Dhabi, knapp über 20 Grad. Das gilt aber nur für Menschen, die sich nicht auf ein besonderes Abenteuer einlassen. Mir dagegen ist heiß, ich schwitze. Und ich schwitze nicht nur, weil ich in einem feuerabweisenden Rennoverall stecke. Ich schwitze auch vor Aufregung. Denn in ein paar Minuten werde ich in einen Formel-1-Boliden steigen und dann zeitweise mit 300 Stundenkilometern über den Asphalt des Grand-Prix-Kurses des arabischen Landes jagen. Ein unvergessliches Erlebnis steht mir bevor.

Der Reifen-Hersteller Pirelli bietet die Möglichkeit, in einem Minardi-Doppelsitzer eine besondere Grenzerfahrung zu machen. Am Steuer sitzt der Brasilianer Lucas di Grassi, 2010 bei Virgin in der Formel 1 Teamkollege von Timo Glock, jetzt ist er offizieller Pirelli-Testfahrer. Ich habe schon Sportwagen, DTM-Rennwagen und sogar einen Formel BMW gefahren, ich habe also durchaus Erfahrungen mit hohen Geschwindigkeiten, aber Formel 1, das ist eine andere Liga für mich. Und dann noch in einem dieser Doppelsitzer, von denen es weniger als zehn Stück gibt auf der Welt.

Der Helm muss sitzen

Noch weitere Kollegen haben sich auf das Abenteuer Formel 1 eingelassen. Die Aufregung ist bei allen groß. Overall, Helm und Handschuhe sind angelegt, einige Kollegen haben schon ihre Runden gedreht und sind schwer beeindruckt wieder ausgestiegen. Ein Kollege, der sich einen etwas zu großen Helm ausgesucht hatte, der hatte sogar ernsthaft Schwierigkeiten, weil der Kopfschutz durch den extremen Fahrtwind verrutscht war.

Gut, ich weiß von den Profis, dass der Helm unglaublich eng sitzen muss, so eng, dass man ihn nur mit Mühe über den Kopf bekommt. Blöd nur, dass ich Brillenträgerin bin. Eine Brille ist hier unpraktisch, besser also ohne Sehhilfe fahren. Ich sitze ja nur auf dem Rücksitz.

Tempo 301 km/h

Wir warten in der Box, ich muss meine Nerven beruhigen. Die Mechaniker signalisieren "okay": Ich kann einsteigen. Einsteigen? In ein normales Auto steigt man ein. In einen Boliden klettert man. Die Cockpit-Wand ist überraschend hoch, ich zwänge mich auf den Sitz. Zum Glück bin ich relativ klein.

Der F1-Kurs in Abu Dhabi: Die Kurven sind eher langsam.
Der F1-Kurs in Abu Dhabi: Die Kurven sind eher langsam.

© dpa

Die Mechaniker ziehen die Gurte fest. Sie müssen sehr fest fixiert sein, das weiß ich. Dann raus aus der Box. In der Boxengasse ist alles noch normal, die Geschwindigkeit ist schließlich noch gering. Aber dann! "Wenn man von der Boxengasse auf die Piste fährt, fühlt es sich an wie bei einem Start im Rennen mit vollem Spritgewicht", hatte di Grassi mir vor der Fahrt erzählt. Ende der Boxengasse, di Grassi gibt Gas, ich werde in den Sitz gedrückt. Noch tut nichts weh.

Doch dann kommt die erste Schikane, di Grassi bremst hart ab, Kurve rechts, Kurve links, ich kann unmöglich den Kopf gerade halten. Di Grassi gibt wieder Gas, ich werde wieder nach hinten gedrückt, jetzt rast er die lange Gerade entlang, Tempo: 301 Stundenkilometer.

Besser nachgeben

Die nächste Kurve, di Grassi bremst wieder hart ab, Zum Glück ist die Rückenlehne des Fahrersitzes mit einem Schaumstoffpolster abgedeckt. Mein Helm prallt auf den Schaumstoff. Sekunden später werde ich wieder gegen die Rückenlehne gedrückt. Enorme Kräfte wirken auf den Körper, keine Chance für mich, in irgendeiner Weise kontrolliert darauf zu reagieren. Formel-1-Piloten haben eine ausgeprägte Nackenmuskulatur. Wenn man die nicht hat, ist es besser, man gibt einfach nach. Das ist der Tipp des Physiotherapeuten eines Fahrers.

Die Beschleunigung stecke ich noch ganz gut weg. Schwieriger ist es in den Schikanen wegen der abrupten Richtungsänderungen. In denen wird mein Kopf hin- und hergeworfen, man kann sich auf nichts einstellen, alles geht viel zu schnell. In den langgezogenen Kurven herrschen auch enorme Kräfte, aber weil die sich langsam und kontinuierlich aufbauen, sind sie besser zu ertragen als die in den Schikanen.

Vorbereitung? Nicht möglich!

Zieldurchfahrt, die nächste Runde. Zwei Runden fährt di Grassi mit mir. In der zweiten Runde versuche ich, auf der Geraden den Bremspunkt abzuschätzen, um besser auf den abrupten Geschwindigkeitsabfall vorbereitet zu sein.

Den Bremspunkt habe ich erkannt, das nützt mir aber leider nichts. Da ist nichts mit vorbereiten. Di Grassi bremst von 300 auf 70 Stundenkilometer ab – und das auf einer Strecke von 70 Metern. Wieder prallt der Helm gegen den Schaumstoff.

Und dann kurven wir auch schon wieder in die Boxengasse. Abschnallen, Aussteigen, ein Dankeschön an di Grassi. Ich erzähle ihm über meine Empfindungen in den schnellen Kurven. Ich hätte es mir in diesen Kurven noch schlimmer vorgestellt, sage ich ihm. Er lacht. "In Abu Dhabi sind die Kurven nicht wirklich schnell", sagt er dann. "Da müsstest du mal in Suzuka durch die R130 fahren, da herrschen ganz andere Gesetze."

Na, danke schön. Mir reicht es auch so. Denn diese zwei Runden waren ja doch anstrengend. Wenn die Fahrt noch länger gedauert hätte, dann hätten meine Nackenmuskeln wohl erheblich mehr geschmerzt. Aber auch so habe ich am nächsten Tag das Gefühl von Muskelkater im Nackenbereich.

Ich war weniger als zwei Minuten unterwegs, ein Formel-1-Rennen dauert zwei Stunden. Nun kann ich noch erheblich besser nachvollziehen, was die Piloten leisten.

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