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In Bewegung bleiben: Altersforscher sagen, dass es für einen gesünderen Lebensstil nie zu spät sei.

© Getty Images/iStockphoto

Altern: Alt ist nicht gleich alt

Mobilität im Alter war das Thema des diesjährigen „Life Science Day“.

Warum Menschen altern, dafür gibt es weltweit etwa 200 Theorien. Fest steht, dass in Deutschland in den kommenden 20 bis 30 Jahren die sogenannte Babyboomer-Generation – die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969  – „alt“ wird. Diese Entwicklung stellt an unsere gesamte Gesellschaft zunehmend höhere Anforderungen: Von der Architektur und Stadtplanung bis hin zur Mobilität der Arbeitswelt, wenn Familienmitglieder die Pflegearbeit übernehmen.

Ein Forum für den Informationsaustausch und die Bildung neuer Netzwerke zu diesem Thema ist der jährlich stattfindende Life Science Day. Unter dem Motto „Zukunft Altersmedizin – Mobilität im Alter“ standen in der vergangenen Woche Fragen zu den Herausforderungen und Chancen für eine hohe Mobilität im Alter, nach effizienten Behandlungsmethoden und Therapien sowie Fragen zur Prävention und Notfallmedizin im Mittelpunkt.

Gekommen waren Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie des Gesundheitssystems – darunter Professorin Adelheid Kuhlmey, Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die den zweiten Teil der Veranstaltung moderierte.

Wer aber ist „alt“? Alt ist nicht gleich alt, sagt Adelheid Kuhlmey: „Sozial definiert beginnt ‚Altsein’, wenn Menschen in die berufsfreie Lebensphase eintreten.“ Das liegt heute gesetzlich bei 65. Aus naturwissenschaftlicher Perspektive gilt ein Mensch als alt, wenn die Hälfte seiner Geburtskohorte verstorben ist.

Die Zahl der Hochbetagten wächst

Ein heute 65-Jähriger ist demnach nicht alt, weil weit mehr als die Hälfte seines Geburtsjahrgangs noch lebt. Das Alter ist also auch wissenschaftlich eine Frage der Perspektive. Aus Sicht der Altersmedizin sei es nicht sinnvoll, Menschen von 65 bis zu ihrem Versterben in eine Gruppe einzuteilen, sagt die Gerontologin.

„Das ist eine ungemein differenzierte Phase. Menschen mit 65 sind nicht mit 100-Jährigen zu vergleichen. Genauso wenig wie fünfjährige Kinder mit 15-jährigen Jugendlichen oder 35-jährigen Erwachsenen.“ In der internationalen Klassifikation habe sich deshalb durchgesetzt, vom „jungen Alter“ zwischen 65 und 80 und vom „alten Alter“ ab 80 zu sprechen – den sogenannten Hochbetagten.

Und die Zahl der Hochbetagten wächst. Die AOK Nordost hat etwa 1200 Versicherte, die älter als 100 Jahre sind. Daher werde der Bereich der Altersmedizin immer wichtiger, sagt Adelheid Kuhlmey, die seit mehr als 35 Jahren in der Gerontologie tätig ist. „Auch wenn gerontologische Themen wie Demenz und Pflege mittlerweile in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, haben wir die Fragen, die diese altwerdende Gesellschaft an uns stellt, noch lange nicht beantwortet.“

Wie man altert, entscheidet sich früh

Hinter dem Motto des Life Science Day „Mobilität im Alter“ stand immer die Frage, wie ein aktives, selbstbestimmtes Leben lange erhalten werden kann. Das Thema zählt auch zu den zentralen und grundlagenorientierten Forschungsfragen des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft: Was ist überhaupt Pflegebedürftigkeit? „Wir wissen zu wenig darüber, an welchem Punkt Pflegebedarf entsteht, welche körperlichen, psychischen und sozialen Einbußen dafür gegeben sein müssen“, sagt Adelheid Kuhlmey. So gebe es Patienten mit den gleichen fünf Erkrankungen – die einen pflegebedürftig, die anderen nicht. Warum?

An diese Fragen will sich die Gerontologin mit einer Forschungslinie herantasten. „Je nachdem, welches Wissen unsere Arbeit in den nächsten Jahren erbringt, würden wir gerne auf eine präventive Forschung umschalten, um eine gute Lebensqualität im Alter länger ermöglichen zu können. Fest steht: Wie ich im Alter lebe, ist ein Produkt meines gesamten Lebens.“

Die Wurzeln chronischer Erkrankungen oder Leiden im Alter – physisch und psychisch – liegen meist Jahrzehnte zurück. Das beginnt mit falscher Haltung im Arbeitsleben, mit Nichtbewegung und zu wenig Sport in sehr jungen Jahren. „Wobei wir Gerontologen immer wieder sagen: Egal wann man mit einem gesünderen Lebensstil anfängt, es wird immer einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben“, sagt Adelheid Kuhlmey.

So könne ein 70-Jähriger etwa die Trainingskompetenz eines 40-jährigen Untrainierten erreichen. Genauso habe es noch positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System, wenn jemand erst mit 60 Jahren aufhöre zu rauchen. Es sei also nie zu spät – das ist die gute Botschaft.

Marina Kosmalla

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