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Die Könige der europäischen Radwege in Salema an der Küste Südportugals: Sven Wang (li.) und Niklas Gerhards touren sechs Monate lang mit dem Fahrrad quer durch Europa, um Spenden für syrische Flüchtlinge zu sammeln.

© Privat (Wang/Gerhards)

"Cycling for Syria": Radeln für einen guten Zweck

Mit der Benefiz-Tour "Cycling for Syria" quer durch Europa sammeln zwei Studenten Spenden für Flüchtlinge. Und hoffen, dass das Interesse der Medien hilft, um für ihr Projekt zu werben.

Fremde Länder und Kulturen sehen, Abenteuer erleben, aktiv sein – und dabei Gutes tun: Zwei Studenten machen aus diesem Traum Wirklichkeit. Und haben sich nicht gerade wenig vorgenommen. Niklas Gerhards, Medizinstudent an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, dem gemeinsamen medizinischen Fachbereich von Freier Universität Berlin und Humboldt-Universität zu Berlin, und Sven Wang, Mathematikstudent an der Ludwig-Maximilians-Universität München, fahren seit gut einem Monat mit dem Fahrrad quer durch Europa.

Dabei haben die beiden nicht nur sportliche Ambitionen: Mit der Aktion, die sie „Cycling for Syria“ nennen, wollen sie Spenden für Projekte der Hilfsorganisation „Ärzte der Welt“ sammeln und so die medizinische Versorgung syrischer Flüchtlinge in Aufnahmelagern im Libanon, in der Türkei und in Jordanien unterstützen.

Am 15. März sind Niklas Gerhards und Sven Wang in Gibraltar gestartet – vor ihnen lag eine Strecke von 12 000 Kilometern. „Die ersten zwei Wochen haben uns bereits richtig gefordert. Wir hatten beim Start in Andalusien Sonnenschein und Wärme erwartet und trafen stattdessen auf fünf Tage Regen und Gewitter“, berichtet Niklas Gerhards. „Es war also von Beginn an das Abenteuer, auf das wir uns vorbereitet und gefreut haben. In den schweren Momenten, in denen wir zum Beispiel nach einer langen Bergetappe kalt und nass einen Schlafplatz suchten, haben wir immer wunderbare Hilfe erfahren.“

120 Kilometer an einem Tag

Wenn sie die Pyrenäen überwunden haben, radeln die Studenten durch Südfrankreich, dann durch Norditalien, weiter entlang der östlichen Adria bis nach Istanbul. Von dort geht es weiter Richtung Norden, westlich der Ukraine entlang, durch Lettland, Estland und Finnland bis hinauf zum norwegischen Nordkap, dem nördlichsten Punkt Europas.

Ein halbes Jahr haben sie für die Tour eingeplant, ein grober Zeitplan gliedert die Route. Im Juni wollen sie Istanbul erreicht haben. Allerdings solle der Plan nicht zum Dogma werden: „Wir möchten spontan entscheiden, wie lange wir an einem Ort bleiben und lieber an den Tagen Strecke machen, an denen wir ohnehin im Sattel sitzen“, sagt Niklas Gerhards.

An einem Tag 120 bis 160 Kilometer zurückzulegen, sei durchaus realistisch. Und wenn sie erst im Juli in Istanbul ankämen, sei auch das völlig in Ordnung. „Wir wollen ja nicht nur Landschaften sehen, sondern mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihre Kultur kennenlernen.“

Für den Medizinstudenten geht mit der Reise ein großer Wunsch in Erfüllung. Seit etwa einem Jahr verspürte Niklas Gerhards den immer stärkeren Wunsch, für eine Weile den Alltag an der Charité hinter sich zu lassen und etwas ganz anderes zu machen. „Möglichst in Verbindung mit körperlicher Aktivität und für einen guten Zweck“, sagt er. Seinem Freund Sven Wang ging es ähnlich. Der Mathematikstudent hat schon Erfahrung mit ungewöhnlichem Reisen: Nach dem Abitur wanderte der damals 16-Jährige mit einem Freund von Aschaffenburg bis ans italienische Mittelmeer – in Begleitung eines Esels, den sie sich von einem befreundeten Bauern geliehen hatten.

Zwei Studenten, ein Ziel: Helfen

Die Könige der europäischen Radwege in Salema an der Küste Südportugals: Sven Wang (li.) und Niklas Gerhards touren sechs Monate lang mit dem Fahrrad quer durch Europa, um Spenden für syrische Flüchtlinge zu sammeln.
Die Könige der europäischen Radwege in Salema an der Küste Südportugals: Sven Wang (li.) und Niklas Gerhards touren sechs Monate lang mit dem Fahrrad quer durch Europa, um Spenden für syrische Flüchtlinge zu sammeln.

© Privat (Wang/Gerhards)

Kennengelernt haben sich Sven Gerhards und Niklas Wang vor gut anderthalb Jahren bei einer Sommerakademie der Studienstiftung des Deutschen Volkes im Schweizer Engadin – und entdeckten gleich ihre gemeinsame Leidenschaft fürs Wandern. Beide hatten Lust auf eine größere Tour, und schnell entstand die Idee, Europa mit dem Fahrrad zu erkunden – nicht mit dem Auto und auch nicht zu Fuß. „Das Fahrrad ist der perfekte Mittelweg“, findet Niklas Gerhards. „Man ist an der frischen Luft, nimmt die Umgebung wahr und ist trotzdem schnell und sportlich unterwegs.“

Für die Freunde war auch klar, dass ihre Reise einem guten Zweck dienen sollte. „Bei der Wanderung ans Mittelmeer haben wir durch den Esel viel Aufmerksamkeit von der Presse bekommen“, sagt der 19-jährige Sven Wang. „Damit hatten wir gar nicht gerechnet.“ Nun hofft er, dass das Interesse der Medien hilft, um für ihr Projekt zu werben.

Welche Initiative die Studenten unterstützen wollten, haben sie sehr genau überlegt. „Uns war wichtig, dass wir Spenden für eine Organisation sammeln, die sehr transparent arbeitet“, sagt Niklas Gerhards. Die Wahl fiel schließlich auf die Organisation „Ärzte der Welt“, die mithilfe verschiedener Projekte hilfsbedürftige Menschen in Krisensituationen unterstützt, also in Kriegsgebieten oder Regionen, die durch Naturkatastrophen zerstört wurden. Mit zwei Mitarbeitern der Hilfsorganisation stehen die Studenten in engem Kontakt – auch ein Punkt, der ihnen wichtig war.

Entscheidend für das Gelingen der Fahrt sei die Ausstattung der Fahrräder, die sie durch ganz Europa tragen sollen, sagen die Studenten. „Sie müssen sehr stabil und schnell sein“, sagt Niklas Gerhards. „Die Räder, für die wir uns jetzt entschieden haben, besitzen hervorragende Laufeigenschaften.“

Orangen zum Frühstück

Bisher hat sich die Wahl bewährt: 1000 Kilometer meisterten die beiden Radler bereits bis Ostern souverän, trotz heftigen Gegenwinds an der portugiesischen Atlantikküste. Obwohl sie sich noch am Anfang ihrer Tour d’Europe befinden, hatten sie schon beeindruckende Erlebnisse. „Wir versuchen immer, mit den Menschen in Kontakt zu treten, und haben viel Offenheit und Hilfsbereitschaft zurückbekommen“, berichtet Sven Wang.

„Während eines Gewitters wurden wir in einem Drogenrehabilitationszentrum aufgenommen und mit Essen und Trinken versorgt. Häufig durften wir unser Zelt bei einem Bauern aufschlagen und wurden mit Orangen am Morgen begrüßt. In Lissabon lernten wir einen jungen Stadtführer kennen, der uns zu sich nach Hause einlud und uns einen wirklich einzigartigen Aufenthalt bescherte.“

Die Studenten haben lange für die Reise gespart, Ausrüstung und Verpflegung finanzieren sie ausschließlich aus Rücklagen. Die Spendengelder kämen selbstverständlich zu 100 Prozent syrischen Flüchtlingen zugute, sagt Niklas Gerhards. Den Zeitpunkt für ihre Tour haben die jungen Männer ebenfalls bewusst gewählt: Sven Wang hat gerade sein Bachelorstudium abgeschlossen und ein halbes Jahr Zeit, bis er ein Masterstudium im britischen Cambridge aufnimmt.

Der 21-jährige Niklas Gerhards hat ein Urlaubssemester eingelegt. Dass er für sein Studium nun vielleicht länger braucht, stört ihn nicht. Im Gegenteil: Er habe fünf Semester „intensiv gearbeitet“ und freue sich auch auf das weitere Studium. „Aber jetzt fühlt es sich gerade nach einem guten Zeitpunkt an, ein bisschen Distanz zu gewinnen.“

Spenden können Sie online unter: www.betterplace.org/de/fundraising-events/cycling-for-syria

Verena Blindow

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