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Wissen: Der Islam als globale Größe

Das Institut für Islamwissenschaft ist unter den Kleinen Fächern eines der großen. Hier untersuchen Wissenschaftler auch die Rolle der Muslime in Europa.

Beim Stichwort Islam lagen lange Zeit Assoziationen mit dem Mittleren Osten nahe – mit Ägypten und Palästina vor allem, der Türkei oder dem Iran. Dabei ist der Islam ein globales Phänomen: eine Religion und Kultur, die sich auf allen Kontinenten ausgebreitet hat und deren Entwicklung in unterschiedlichem Maß mitgestaltet. Das Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität beschäftigt sich mit dem Islam vorrangig aus historisch-sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Der Bachelorstudiengang, an dem sich das Institut beteiligt, heißt „Geschichte und Kultur des Vorderen Orients“, wobei sich Forschung und Lehre nicht auf diese Region beschränken. Darauf legt die Institutsleiterin, Professorin Gudrun Krämer, besonderen Wert. „Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt zwar auf dem arabischen Raum, doch greifen wir regional immer mehr aus. So haben wir eine Juniorprofessur für Islam in Südasien einrichten können“, sagt die Wissenschaftlerin. „Und wir haben eine Juniorprofessur etabliert, die sich auf den Islam in Europa konzentriert.“

Unter den sogenannten Kleinen Fächern an der Freien Universität Berlin ist das Institut für Islamwissenschaft eines der größten. Fünf Professuren und zwei wissenschaftliche Mitarbeiterstellen werden durch verschiedene Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ergänzt. Außerdem wurde im Zuge der Exzellenzinitiative die Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies gegründet, an der Doktoranden ausgebildet werden.

Historisch gesehen hat die Islamwissenschaft religionswissenschaftliche Wurzeln. An der Freien Universität hat sie in den sechziger Jahren ein primär historisch-sozialwissenschaftliches Profil gefunden, das sich intensiv mit Fragen der Moderne beschäftigt. „Die Konflikte in vielen islamisch geprägten Ländern führen dazu, dass sich eine breitere Öffentlichkeit für die Islamwissenschaft interessiert“, sagt Gudrun Krämer. „Außerdem begreifen immer mehr Menschen, auch hier in Deutschland, dass sich der Islam nicht irgendwo in der Ferne abspielt, sondern dass Muslime in der europäischen Gesellschaft ein wichtiges Element sind und dass man sich mit ihrer Religion und Kultur auseinandersetzen muss.“

Seit den 1990er Jahren ist die Ideen- und Geistesgeschichte im Sinne einer Intellectual History stärker in den Vordergrund gerückt, die Ideen unterschiedlichster Art in ihren jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext stellt. Besonders interessieren Säkularisierungs- und Modernisierungstendenzen im Islam, und zwar von der arabischen Welt über die Türkei bis Südostasien. Ähnliches gilt für die Prozesse einer Islamisierung von Staat, Kultur, Recht und Gesellschaft.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leisten bei ihrer Arbeit vielfach einen Spagat zwischen radikal islamkritischen Stimmen auf der einen Seite und ganz unkritischen, wenn nicht apologetischen auf der anderen. „Einen klaren, wissenschaftlich begründeten Standpunkt zu finden, ist nicht immer leicht“, sagt Gudrun Krämer. Das zeigt jedoch umso mehr, wie wichtig eine profunde, wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen um den Islam ist.

Leo Fischl

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