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Während eines Versuchs sieht der Proband im MRT Fotos, die starke Emotionen auslösen, wie hier das Bild einer Schlange.

© Bernd Wannenmacher

Hirnforschung: Alles im Kopf

Das "Center for Cognitive Neuroscience Berlin" bietet eine einzigartige Infrastruktur für fächerübergreifende Gehirnforschung.

Welche Rolle spielen Gefühle, wenn wir Entscheidungen treffen? Warum lässt uns der Roman „Harry Potter“ in fremde Welten abtauchen? Kann man eine Gummihand als Teil des eigenen Körpers empfinden? Das sind nur einige der vielen Fragen, auf die die Wissenschaftler des Center for Cognitive Neuroscience Berlin (CCNB) eine Antwort finden wollen. In den Laboren können verschiedene bildgebende Verfahren wie MRT oder EEG miteinander kombiniert werden und ermöglichen es, dem Gehirn beim Denken und Fühlen zuzuschauen. Dafür wurde an der Freien Universität eine aufwendige Infrastruktur geschaffen.

So versteckt sich zwischen Silberlaube und Villengärten unweit der Dahlemer Fabeckstraße in einem unscheinbaren grauen Anbau ein riesiges Gerät, das wegen seines Gewichts und seiner beeindruckenden Ausmaße einst von einem Kran durch eine Luke im Dach gehoben werden musste. Die Universität hatte 2009 aus Mitteln des Exzellenzclusters Languages of Emotion einen funktionellen Magnetresonanztomografen (MRT-Scanner) erworben: Ein Messgerät, das mithilfe eines sehr starken Magneten in hochauflösenden Bildern sichtbar macht, wie sich beim Denken und Fühlen die Durchblutung in den unterschiedlichen Gehirnarealen verändert und so exakt über Hirnaktivitäten Auskunft gibt.

Languages of Emotion, ein Forschungsverbund aus der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, der sich mit den Beziehungen zwischen Emotionen und Sprache sowie Kultur und Gesellschaft beschäftigte, hatte seine Arbeit 2014 beendet; im Center for Cognitive Neuroscience Berlin (CCNB) wird nun die neurowissenschaftliche Forschungsarbeit fortgeführt und weiterentwickelt. In der Einrichtung, die am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie angesiedelt ist, können Wissenschaftler aus ganz verschiedenen Fachrichtungen ihre Versuchsreihen durchführen – und sie können sich interdisziplinär vernetzen, erklärt Hauke Heekeren, Professor für Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft und Geschäftsführender Direktor des Center for Cognitive Neuroscience Berlin. Zusammenarbeit über Fächergrenzen hinweg sei ein Ziel des Exzellenzclusters gewesen; sie wurde nun vertieft und ausgebaut. Wichtig seien auch Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, sagt Hauke Heekeren: „Wir arbeiten zum Beispiel mit Kollegen von anderen Berliner Universitäten, der Charité, dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und dem Wissenschaftszentrum Berlin daran, Grundprinzipien der Entscheidungsfindung zu identifizieren. Wir wollen klären, wie diese durch individuelle und soziale Faktoren beeinflusst werden und in welcher Form sie bei psychischen Erkrankungen verändert sind.“

Die Labore stehen zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung

Die Labore seien in der universitären psychologischen Forschung einmalig in Deutschland, sagt Arthur Jacobs, Professor am Arbeitsbereich Allgemeine und Neurokognitive Psychologie der Freien Universität. Jacobs ist einer von zwei wissenschaftlichen Direktoren des CCNB. Als der Leseforscher 2003 an die Freie Universität berufen wurde, hatte er der Universitätsleitung unter anderem ein neues Labor-Konzept vorgeschlagen: Die Labore sollten nicht einem Professor unterstellt werden, sondern zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung stehen.

Am CCNB kann auch der wissenschaftliche Nachwuchs erste Erfahrung mit bildgebenden Verfahren oder Blickbewegungsmessung sammeln. Für Arthur Jacobs zählt die forschungsorientierte Lehre zu den wesentlichen Aufgaben des CCNB. Sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium nutzten Studierende die Labore: „Damit haben unsere Studenten einen wichtigen Ausbildungsvorteil.“

Felix Blankenburg ist Professor für Neurocomputation und Neuroimaging an der Freien Universität und wie Arthur Jacobs wissenschaftlicher Direktor des CCNB. Blankenburg ist unter anderem verantwortlich für das MRT-Labor. Einer seiner Schwerpunkte ist die Körperrepräsentationsforschung: „Bei den Experimenten werden zum Beispiel eine Gummihand und die Hand des Probanden gleichzeitig berührt. Der Proband sieht aber nur die Gummihand. Er verbindet nun diese visuelle Wahrnehmung mit der eigenen Berührung und empfindet so die Gummihand als Teil seines Körpers.“

Felix Blankenburg untersucht mit seinem Team, welche Gehirnbereiche an dieser Wahrnehmung beteiligt sind. „Das Thema Körperrepräsentation hat viele Berührungspunkte mit der Philosophie“, sagt er. „Bei der Philosophy of Mind, einem philosophischen Ansatz, der sich mit dem menschlichen Denken beschäftigt, ist eine wichtige Frage: Wie entstehen Modelle von unserem Selbst?“ Das CCNB bietet so gerade jenen ein anregendes Forschungsumfeld, die in interdisziplinären Projekten forschen oder ein solches Projekt vorhaben.

Lennart Paul

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