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Humor liegt im Auge des Betrachters: Wissenschaftler unterscheiden deshalb zwischen "Spaßvögeln" und "Griesgramen". Nicht jeder kann über eine Situation wie die im Bild lachen.

© Abbildung: Harm Bengen/catprint

Humorforschung: Verstehen Sie Spaß?

Wirtschaftswissenschaftler der Freien Universität untersuchen die Wirkung von Humor in der Dienstleistungsbranche.

Auch das noch: Der Zug hat Verspätung, das Abteil ist rappelvoll und die Luft zum Schneiden, weil die Lüftungsanlage streikt. Einem Fahrgast platzt der Kragen, er stellt den Schaffner im Abteil lautstark zur Rede. Der gibt zurück: „Sie können froh sein, dass Sie nur Kunde der Bahn sind. Ich arbeite dort.“ Durch den charmanten Konter des Zugbegleiters entspannt sich die Situation, auch die anderen Passagiere müssen lachen.

Für Michael Kleinaltenkamp, Marketing-Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, ist diese Situation ein Paradebeispiel für einen gelungenen Witz in Service-Unternehmen: „Humor gehört zu unserem Alltag, er kann das Leben leichter machen – und das gilt insbesondere für Situationen, in denen sich Dienstleister und Kunden kritisch begegnen.“ Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der University of New South Wales im australischen Sydney untersucht Kleinaltenkamp, wie Humor in Service-Situationen wirkt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein Späßchen an der Kasse die Zufriedenheit der Kunden steigert. Sind Scherze also ein Heilmittel gegen den stressigen Geschenkekauf zur Weihnachtszeit? Kleinaltenkamp zufolge kann das funktionieren. Nur: Was eigentlich ist Humor?

Die Antworten darauf seien so vielfältig, wie die Menschen unterschiedlich seien, sagt der Wirtschaftswissenschaftler, „denn Humor liegt im Auge des Betrachters“. Jeder habe ein anderes Verständnis davon, was lustig oder unterhaltsam sei. Auch die Wissenschaft fasst deshalb unter Humor alle Handlungen, Gesten oder Worte, die von einem Empfänger als amüsant empfunden werden können. Wie empfänglich eine Person für Humor ist, hänge davon ab, wie viel Sinn für Humor jemand besitze. Dieser, sagt Michael Kleinaltenkamp, könne unterschiedlich stark ausgeprägt sein: „Auf der einen Seite stehen die Griesgrame, die auf lustige Wörter und Signale wenig reagieren. Dann gibt es die Spaßvögel, die selbst gerne Scherze machen und auf Witze einsteigen.“

Was passiert, wenn Spaßvogel auf Griesgram trifft?

Treffen zwei Spaßvögel aufeinander, gibt es – wenig überraschend – für beide gleichermaßen viel zu lachen. Was aber passiert, wenn ein Spaßvogel an der Ladentheke, bei der Kundenberatung oder im Seminar auf einen Humorlosen trifft? Auch das harmoniere wunderbar, sagt Kleinaltenkamp: „Unsere Studie hat gezeigt, dass selbst Menschen, die sich als wenig humorvoll einschätzen, nach einem lustigen Kundengespräch zufriedener waren als zuvor.“ Mehr als 500 Personen haben Michael Kleinaltenkamp und seine Kollegen für ihre Studie danach befragt, wie zufrieden sie mit einer Dienstleistungssituation waren.

Nach einem Besuch im Zeitungskiosk, einer Lehrveranstaltung und einem Weiterbildungskurs wurden die Personen gebeten, ihren Sinn für Humor in einem Selbsttest zu bewerten und ihre Zufriedenheit mit der Kundensituation einzuschätzen. „Immer zeigte sich, dass Humor die Zufriedenheit mit der Dienstleistungssituation steigert.“ Für die Wirtschaft ist diese Erkenntnis von großem Interesse. Denn ein zufriedener Kunde ist kauflustiger, kommt häufiger wieder und empfiehlt das Geschäft oder die Dienstleistung gern weiter.

In der Werbung ist die Masche mit dem Humor längst fester Bestandteil. Die Berliner Verkehrsbetriebe werben aktuell selbstironisch mit einem Eichhörnchen, das im Studio der Lottofee wöchentlich die Busverspätungen auslost, und die Berliner Stadtreinigung schwingt den „Saturday Night Feger“ schon seit mehr als zehn Jahren. Dass eine Kampagne mit Witz bei den Kunden ankommt, ist wissenschaftlich längst bewiesen. „Eine lustige Werbung zu schalten, ist aber etwas ganz anderes, als eine Eins-zu-Eins-Situation mit dem Kunden umzusetzen“, sagt der Wirtschaftsprofessor.

Humor funktioniert in beide Richtungen

Knapp vier Jahre ist es her, dass Kleinaltenkamp den Humor als Forschungsthema entdeckt hat – und überraschend feststellte, dass es kaum Untersuchungen gibt, die sich mit Humor in Kundeninteraktionen beschäftigen. Gemeinsam mit seinen australischen Kolleginnen und Kollegen wird der Berliner Professor das Thema weiter verfolgen.

In einer weiteren Studie haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass ein gutgemeinter Spaß in einer angespannten Situation auch kontraproduktiv sein kann. Leistet sich ein Kellner im Restaurant gleich mehrere Patzer und macht dann noch einen Witz auf Kosten der Gäste, komme das selbst bei Spaßvögeln nicht gut an. Denn anders als im Schaffner-Zug-Beispiel ist hier der Kellner verantwortlich für die angespannte Situation. „Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt“, sagt Kleinaltenkamp.

Mitarbeiter in Geschäften, Restaurants oder von anderen Dienstleistern sollten für das Thema Humor sensibilisiert werden, rät er. Für das Weihnachtsgeschäft oder die nächste Zugfahrt hat Michael Kleinaltenkamp noch einen Tipp: „Humor funktioniert in beide Richtungen: Wenn die Kunden ein Späßchen machen, ist das auch für die Mitarbeiter ein Vergnügen.“

Annika Middeldorf

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