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Auch für die Einrichtung von Notunterkünften können Bürger über das ENSURE-Projekt zur Mithilfe aufgerufen werden.

© CC by nc Franz Ferdinand Photography/flickr

Informatik an der Freien Universität: Mit Sicherheit das Richtige tun

In dem Projekt ENSURE führt eine App im Katastrophenfall freiwillige Helfer und Einsatzkräfte zusammen.

Manchmal muss es ganz schnell gehen. Im Katastrophenfall, wenn Hochwasser eine Stadt zu überspülen droht, oder in der Flüchtlingshilfe, wenn in aller Eile eine Turnhalle zur Notunterkunft umfunktioniert werden muss. Oft sind es ganz normale Menschen aus der Bevölkerung, die in Krisen und Katastrophen mit anpacken, ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung stellen, um die Einsatzkräfte der Feuerwehr oder des Roten Kreuzes vor Ort zu unterstützen.

Die Zusammenarbeit zwischen Rettungsprofis und Zivilbevölkerung birgt aber auch Probleme: Meistens wissen die Einsatzkräfte nicht, ob und wie viele Hände mit anpacken und erst recht nicht, welche Qualifikationen die Helferinnen und Helfer mitbringen. Ein versierter Hausmeister wird mit seinen Fähigkeiten vermutlich an anderer Stelle gebraucht als eine Kinderärztin. „Ohne Informationen über die freiwilligen Helfer können Rettungsdienste nicht sinnvoll planen – und bestellen im Zweifel nicht das richtige oder zu viel Personal zu einem Einsatzort. Im schlimmsten Fall behindern sich die Helfenden dann gegenseitig“, sagt Roman Peperhove von der Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Sicherheitsforschung an der Freien Universität Berlin.

In einem Forschungsverbund arbeiten Peperhove und sein Team deshalb an einem System, mit dem sich die Arbeit von professionellen Einsatzkräften und freiwilligen Helfern sinnvoll koordinieren lässt. ENSURE heißt das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Berliner Einrichtungen gemeinsam mit den Praktikern des Deutschen Roten Kreuzes und der Berliner Feuerwehr zusammenarbeiten.

„Es geht nicht darum, an professionellen Einsatzkräften zu sparen, sondern ihnen den Rücken freizuhalten“

Ergebnis der dreijährigen Forschung ist eine App, mit der potenzielle Helfer in Krisensituationen gezielt alarmiert und informiert werden. Interessierte registrieren sich dazu mit ihren individuellen Fähigkeiten auf der ENSURE-Webseite. Schickt die Berliner Feuerwehr einen Hilfeaufruf los, werden genau jene angefragt, die sich in der Nähe des Einsatzortes befinden und im Idealfall über die gesuchten Qualifikationen verfügen. Über die App melden die Angesprochenen auch zurück, ob ihre Hilfe verlässlich eingeplant werden kann. „Es geht nicht darum, an professionellen Einsatzkräften zu sparen, sondern ihnen den Rücken freizuhalten“, sagt Peperhove.

„ENablement of Urban Citizen SUpport for Crisis REsponse“, zu Deutsch: „verbesserte Krisenbewältigung im urbanen Raum durch situationsbezogene Helferkonzepte und Warnsysteme“ heißt das Projekt mit vollem Namen. Noch ist die App des 2013 gestarteten Projekts in der Erprobungsphase.

An dem Vorhaben sind nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der von Professor Lars Gerhold geführten Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Sicherheitsforschung und der Katastrophenforschungsstelle der Freien Universität Berlin beteiligt: Zu den Kooperationspartnern zählen auch das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS), die Human-Factor-Consult GmbH und die Technische Universität Berlin. Expertise zur Einhaltung des Datenschutzes bringt ein weiterer Projektpartner ein: die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit.

Im Sommer wird ENSURE in Kooperation mit der Berliner Feuerwehr und dem Deutschen Roten Kreuz getestet

Ziel war es zunächst, den Katastrophenschutz bei sogenannten „Großschadensereignissen“ wie Erdbeben, Explosionen oder Hochwasser zu verbessern. Mittlerweile wurde das ENSURE-Projekt auch auf die Flüchtlingshilfe ausgeweitet. Kurzfristig Betten aufbauen oder Essen verteilen – bislang hat die Berliner Feuerwehr in solchen Fällen die Bevölkerung über soziale Medien wie Facebook oder Twitter zur Mithilfe aufgerufen. Der Kreis potenzieller Helfer ist riesig: Allein auf Facebook folgen der Berliner Feuerwehr mehr als 40 000 Nutzer. „Das Problem mit diesen Netzwerken ist jedoch, dass es keinen Rückkanal gibt, über den die Helfer zuverlässig ab- oder zusagen könnten“, sagt Roman Peperhove.

„Durch die direkte Ansprache der App-Nutzer und die Bitte um Rückmeldung erhoffen wir uns eine größere Verlässlichkeit der Helfer“, sagt Agnetha Schuchardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt. Im Sommer dieses Jahres wird die ENSURE-App in Kooperation mit der Berliner Feuerwehr und dem Deutschen Roten Kreuz getestet. Schon Ende Juli können interessierte Helfer die App für geplante Einsätze in der Berliner Flüchtlingshilfe im App Store für iOS oder bei Google Play für das Android-System herunterladen. Roman Peperhove und Agnetha Schuchardt sind optimistisch: Dann wird alles ganz schnell gehen.

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN
Zur Langen Nacht der Wissenschaften steht das „Schaufenster Sicherheitsforschung“ Besuchern offen: Wie kann die Bevölkerung über moderne Informationskanäle gewarnt werden? Wie wird im Katastrophenfall die Versorgung verbessert? Werden öffentliche Räume durch Videoüberwachung sicherer? Herausforderungen und Lösungen der Sicherheitsforschung werden an den Beispielen Unwetter, Überwachung und Lebensmittelengpass präsentiert. Ort: Fraunhofer FOKUS, Kaiserin-Augusta- Allee 31, 10589 Berlin; Vorführungen stündlich von 17.00 bis 23.00 Uhr (jeweils 30 Minuten).

Annika Middeldorf

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