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Institut für Iranistik: Ein Ort für unabhängiges Denken

Die Arbeit am Institut für Iranistik steht im Zeichen der Kultur und Geschichte Irans – mit Schwerpunkt auf der vorislamischen Zeit.

Iran ist ein Land voller Widersprüche: Heute wird die Wahrnehmung geprägt durch ein autoritäres politisches Regime, ein strenges Glaubenssystem und eine islamisch geprägte Staatsform. Und doch haben sich inzwischen auch andere Bilder verbreitet: von der grünen Revolution, von jungen gut ausgebildeten Menschen und der reichen persischen Kultur. In der Reihe der islamischen Länder ist der Iran ein Sonderfall – kulturell wie historisch.

Mit diesem Fachgebiet beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Iranistik der Freien Universität Berlin. Die langjährige Leiterin des Instituts, die Historikerin Maria Macuch, forscht vor allem zum vorislamischen, vom 3. bis 7. Jahrhundert als Staatsrecht praktizierten Rechtssystem, das auf die in Persien einst verbreitete Religion des Zoroastrismus zurückgeht. Diese dominierende Religion des älteren Iran ist von einem Dualismus von Materie und Geist, vor allem aber von der Opposition eines positiven und negativen Weltprinzips gekennzeichnet. Ihre Tradition führt bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurück. Sie besaß ihren ursprünglichen Schwerpunkt in Ostiran – dem heutigen Afghanistan und den nördlich angrenzenden Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die religiösen Schriften des Zoroastrismus werden von dem Iranisten Götz König am Institut im Rahmen einer internationalen Kooperation erforscht.

Viele aus dieser Zeit stammenden Traditionen und Vorstellungen prägen das Land bis heute. Nur durch die Analyse dieser Verbindung zwischen islamischer und vorislamischer Zeit lasse sich verstehen, warum Iran diesen besonderen Nationalgeist habe, spezielle Bräuche und kulturelle Praktiken, die in anderen arabischen Ländern nicht existierten, wie Maria Macuch sagt: „Iran hat eine spezielle Entwicklung durchgemacht, deshalb betreiben wir Iranistik als selbstständiges, eigenes Fach.“ Auch der Islam hat in dem Land eine ganz spezielle Prägung: Es gilt die Schia, die im 16. Jahrhundert in der Safawiden-Periode zur Staatsreligion erklärt worden ist. „Die meisten arabischen Länder sind hingegen sunnitisch ausgerichtet“, sagt die Wissenschaftlerin. Viele Beispiele aus dem Recht zeigten, wie stark der Zoroastrismus das Land geprägt habe: In Iran kann man etwa einen Ehevertrag auf Zeit eingehen. Der kann einen Tagesabschnitt, einen Tag, einen Monat oder mehrere Jahre umfassen – also von einer Stunde bis zu 99 Jahre dauern. „Die Zeitehe ist nur in der Schia erlaubt, in der Sunna ist sie verboten. Das fällt derart aus dem Rahmen der islamischen Eherechtskonzeption, dass es naheliegt, die Zeitehe auf vorislamische iranische Traditionen zurückzuführen“, sagt Maria Macuch.

Diese Annahme mag orthodoxe Gläubige in Iran erzürnen, die jedes islamische Gesetz nicht als historisches Resultat begreifen, sondern als Offenbarung. Aber Wissenschaft sei eben etwas anderes als orthodoxe Glaubenslehre, betont die Historikerin. Das Institut betreibe unabhängige Forschung. Insofern hat die Einrichtung auch einen politischen Auftrag: Sie will ein Ort sein für kritisches, freies, unabhängiges Denken. Deshalb toleriert die Wissenschaftlerin keine Denkverbote: „Wir werden uns nicht selbst zensieren, nur weil wir gewisse Ideologen nicht irritieren wollen.“

Das Institut gehört mit zu den kleinsten an der Freien Universität, ist aber global gesehen eine der wichtigsten Forschungsstellen des Fachs. Es verfügt über eine volle Professur, eine Mitarbeiterstelle, zudem über jeweils ein Lektorat in Persisch und Kurdisch. „Wir sind extrem gut vernetzt. Wir arbeiten weltweit mit allen wichtigen Iranisten zusammen.“ Der Schwerpunkt des Instituts ist die vorislamische Periode, die von 1000 v. Chr. bis zur arabisch-islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert reicht. Darauf ist das Institut aber nicht beschränkt. „In unserer Bachelor- und Masterausbildung versuchen wir, das gesamte Spektrum der Geschichte und Kultur Irans anzubieten“, sagt Macuch. „Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass unsere Studierenden sich mit Bereichen auseinandersetzen, die kaum erforscht werden. Deswegen haben wir vor Jahren etwa einen Kurs zur Lesung originalsprachiger Dokumente in der Pahlavi-Kursivschrift angeboten.“

Weltweit gebe es nur zwei Wissenschaftler, die sich mit diesem Gebiet befassen. „Wenn wir das unseren Studierenden nicht beibringen, könnte das Wissen um diese Schrift bald aussterben“, erläutert die Wissenschaftlerin. Das sei der zentrale Auftrag des Instituts: nicht allein die Erforschung einer der reichsten Kulturen der Menschheit, sondern auch deren Erhalt.

Leo Fischl

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