zum Hauptinhalt
Brillant und leidenschaftlich. Das Berufsziel Journalistin gab Jutta Limbach auf und schlug eine herausragende juristische und politische Karriere ein.

© Bernd Wannenmacher

Nachruf: Die Freie Universität trauert um Jutta Limbach

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts war der Hochschule mehr als sechs Jahrzehnte verbunden.

Die Freie Universität Berlin trauert um ihre langjährige, hochverdiente Professorin für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht und Rechtssoziologie, Jutta Limbach, die am 10. September 2016 im Alter von 82 Jahren in Berlin verstarb. Nach ihrer Zeit als Professorin am Fachbereich Rechtswissenschaft wirkte sie in verschiedenen bedeutenden Ämtern: zunächst als Berliner Senatorin für Justiz, im Anschluss als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, danach als Präsidentin des Goethe-Instituts. „Mit ihr verlieren wir eine herausragende Persönlichkeit“, sagte der Dekan des Fachbereichs, Professor Christian Armbrüster.

Jutta Limbach, geborene Ryneck, kam am 27. März 1934 in Berlin zur Welt. Im Alter von 21 Jahren nahm sie ein Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität auf. Ein solches Studium war für Frauen in den 1950er Jahren ungewöhnlich, doch Gleichberechtigung war in ihrer Familie seit Generationen selbstverständlich gewesen, wie Jutta Limbach später hervorhob.

Ihrem späteren Doktorvater Ernst Eduard Hirsch – ehemaliger Rektor der Freien Universität – fiel Jutta Limbachs juristische Brillanz auf: Denn neben ihr gelang 1962 nur einer weiteren Assessor-Kandidatin die bei Juristen äußerst selten vergebene Note „gut“. Nach den beiden juristischen Staatsexamen wurde sie 1963 Hirschs Assistentin.

1966 promovierte Jutta Limbach über „Theorie und Wirklichkeit der GmbH“. An der Freien Universität lernte sie auch ihren Mann kennen, dessen Nachnamen Limbach sie annahm. 1971 – nach Heirat und Geburt ihres ersten Sohns – habilitierte sie sich zum Thema „Das gesellschaftliche Handeln, Denken und Wissen im Richterspruch“.

Ein Jahr später folgte Jutta Limbach dem Ruf auf eine Professur am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität. „Sie war eine bei Studierenden und Kollegen beliebte, prinzipientreue, aber auch ständig auf Ausgleich bedachte Frau“, sagt Professor Uwe Wesel, emeritierter Rechtswissenschaftler und Rechtshistoriker der Freien Universität, ein Wegbegleiter Jutta Limbachs.

Sie stritt für die Gleichberechtigung

„Jutta Limbach begann ihre Vorlesungen und Seminare zum Handelsrecht und zur Rechtssoziologie in der unruhigen Zeit der späten Studentenrevolte“, erinnert sich Uwe Wesel. „Die Veranstaltungen hatten großen Erfolg und waren eine besondere Ermutigung für die Studentinnen, denn Frauen waren damals selten an juristischen Fakultäten.“

Nach zwei Jahren hielt Jutta Limbach ihre Vorlesung im Bürgerlichen Recht – „auch diese mit großem Lehrerfolg“, wie sich Uwe Wesel erinnert. 1976 folgte ihr erstes Seminar im Familienrecht über die Auswirkungen der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre.

„Das war folgenreich“, sagt Uwe Wesel, „dieses Fach hat sie nicht mehr losgelassen, auch weil die Forderung des Grundgesetzes nach Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch nicht voll durchgesetzt war.“ Dem Thema habe sie sich in Vorlesungen und besonders eindringlich in ihren Seminaren seit 1981 gewidmet. Als Beispiele führt der Jurist Veranstaltungen an wie: „Haben Frauen gleiche Rechte?“ und „Die rechtliche Lage türkischer Frauen in Deutschland“.

Jutta Limbach lehrte an der Freien Universität bis 1994. Auf die Lehrbefugnis in der Rechtssoziologie legte sie besonderen Wert: Ihr war wichtig, „nicht auf eine selbstgenügsame dogmatische Art Jurisprudenz“ zu betreiben, wie sie einmal sagte. Als Hochschullehrerin verlor sie die politische Dimension des Rechts und dessen Bedeutung für die Menschen nie aus den Augen.

In den 1960er-Jahren engagierte sich die Juristin in der neu entstehenden Frauenbewegung. Sie gehörte Anfang der 1980er Jahre dem ersten Beirat der an der Freien Universität gegründeten „Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung“ an. Von 1999 bis 2005 war sie zudem Mitglied des Kuratoriums der Universität.

Die erste Frau an der Spitze des höchsten deutschen Gerichts

1989 wurde Jutta Limbach im rot-grünen Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) Justizsenatorin und ließ sich an der Universität beurlauben. Sie behielt das Amt auch unter Eberhard Diepgen (CDU) nach den ersten Wahlen für Gesamtberlin. Als Senatorin oblag ihr unter anderem die Neuordnung der Justiz des wiedervereinigten Berlins.

Im März 1994 wurde sie Richterin am Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, ein halbes Jahr später rückte mit ihr erstmals eine Frau an die Spitze des höchsten deutschen Gerichts. In ihre Amtszeit fielen unter anderem der „Rentenbeschluss“, in dessen Folge Erziehungsleistungen stärker in die Rentenberechnung einflossen, und die Billigung des eingeschränkten Asylrechts.

Unter ihrem Vorsitz traf der Zweite Senat zahlreiche wichtige Entscheidungen, beispielsweise zur Strafbarkeit früherer DDR-Agenten und Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit wegen ihrer Spionagetätigkeit und zur Teilnahme Deutschlands an der europäischen Währungsunion. Sie stand hinter dem „Kruzifix“-Beschluss des Ersten Senats, durch den eine Passage der bayerischen Volksschulordnung zum Anbringen von Kreuzen in allen Klassenzimmern für verfassungswidrig erklärt wurde.

Von 2002 bis 2008 war Jutta Limbach Präsidentin des Goethe-Instituts. 2003 übernahm sie den Vorsitz in einem Gremium, das im Auftrag der Bundesregierung Fälle von NS-Kunstraub untersuchte. Ihr Wirken wurde mit vielen Auszeichnungen gewürdigt.

Carsten Wette

Zur Startseite