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Syrisch-deutsches Tandem: Seit Anfang des Jahres treffen sich Rami und Luise regelmäßig. Zusammengefunden haben Sie über das Welcome@FUBerlin-Programm für studieninteressierte Flüchtlinge.

© Annika Middeldorf

Welcome@FUBerlin: Damit das Ankommen leichter wird

Rami Babi floh 2015 nach Deutschland. Über das Programm Welcome@FUBerlin lernte der Syrer die Politikstudentin Luise Köcher kennen.

Wenn wir zusammen Wasserpfeife rauchen, wie ich es in Syrien immer mit meinen Freunden gemacht habe, fühlt sich das schon nach Heimat an“, sagt Rami Babi und lächelt Luise zu. Vor etwas mehr als einem Jahr ist der 33-jährige Syrer aus seiner Heimat geflohen. Über das „Buddy-Programm“ für studieninteressierte Flüchtlinge der Freien Universität hat Rami Luise und ihren Freund René kennengelernt.

Als Buddies, also Kumpels, treffen sich die drei seit Anfang des Jahres regelmäßig. Wenn Rami Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder bei der Übersetzung von Behördendeutsch braucht, hilft Luise ihm. „Aber Rami ist in den meisten Dingen sehr selbstständig. Oft quatschen wir über dieses und jenes – wie Freunde es eben tun“, sagt Luise, die im Master Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut studiert.

Flüchtlinge auf ihrem Weg in ein neues Leben zu unterstützen, ist für die 28-Jährige Ehrensache: Ab Herbst übernimmt sie bei dem Berliner Verein „kein Abseits!“ eine Patenschaft für ein Flüchtlingskind, außerdem hat sie Deutschkurse für Geflüchtete mitgestaltet. „In einem großen Sprachkurs mit wechselnden Teilnehmern war es aber schwierig, persönliche Beziehungen aufzubauen. Die können sich nur entwickeln, wenn man sich regelmäßig trifft“, sagt Luise. Deshalb habe sie sich für das Ehrenamt als Mentorin im Buddy-Programm der Freien Universität entschieden.

"Das Wichtigste ist, Deutsch zu lernen"

Die Tandemvermittlung ist einer von vielen Bausteinen des Welcome@FUBerlin-Programms, das seit November 2015 Geflüchteten den Weg in ein reguläres Studium erleichtern soll. „Wir haben bislang mehr als 70 Paare zusammengeführt“, sagt Salma Hamed, die die „Buddies“ vermittelt. Ob ein Duo gut zueinander passt, stelle sich oft erst beim Kennenlernen heraus. Hamed und ihre Kollegen achteten darauf, dass Mentee und Mentor ungefähr dasselbe Alter haben oder dasselbe Fach studieren oder studieren möchten. „Aber natürlich muss auch die Chemie stimmen“, sagt Hamed.

Von Anfang an sei das Interesse an dem Programm groß gewesen: Viele Flüchtlinge hätten sich angemeldet, aber bis zu Beginn des Sommers habe es an Mentorinnen und Mentoren gefehlt. „Mittlerweile ist das Verhältnis aber ausgeglichen. Besonders die jungen Studierenden aus den Bachelorstudiengängen sind sehr engagiert“, sagt Salma Hamed. Aber auch Mitarbeiter der Hochschule oder Doktoranden setzten sich für die Neuankömmlinge ein.

Rami ist durch den Hinweis eines Freundes auf das Buddy-Programm aufmerksam geworden. Die Treffen mit Luise sind für ihn ein willkommener Anlass, um die Sprache seiner neuen Heimat zu üben. „Das Wichtigste für mich ist, Deutsch zu lernen. Und das macht am meisten Freude mit anderen“, sagt Rami.

Um seine Sprachkenntnisse weiter zu verbessern, ist er bewusst in eine Wohngemeinschaft mit einer deutschen Muttersprachlerin gezogen, außerdem besucht er täglich einen Deutschkurs. Und er hilft anderen Flüchtlingen: Im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes unterstützt Rami beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Geflüchtete bei der Wohnungssuche und der Registrierung.

„Rami hat die Energie eines Zwanzigjährigen“, sagt Luise über ihren „Buddy“, der seine Frau und seine Kinder in Syrien zurücklassen musste. Wie seine Zukunft in Deutschland aussehen wird, weiß er nicht. In Syrien hat er nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre am Flughafen von Aleppo gearbeitet. Dort war er unter anderem für die Passkontrolle der Passagiere zuständig. „Bis heute ist das mein Traumjob“, sagt Rami. Wegen der hohen Sicherheitsbedingungen an Flughäfen könne er in diesem Job in Deutschland als Flüchtling aber nicht arbeiten.

Der Schlepper kassierte 4000 Dollar und verschwand

Bis zu seiner Flucht lebte Rami in Aleppo. Die Stadt im Norden Syriens ist zwischen Rebellen und regierungstreuen Truppen aufgeteilt. Auch Ramis zurückgebliebene Familie ist zerrissen: Seine Frau und seine beiden Kinder leben auf der einen, seine Mutter auf der anderen Seite. „Es ist für alle sehr gefährlich dort, egal in welchem Teil der Stadt“, sagt Rami. Das Gefühl, ihnen nicht helfen zu können, macht ihn manchen Tag verzweifelt. Schon den Kontakt zu seiner Familie zu halten, sei sehr schwierig: „Sobald der Handyempfang funktioniert, schickt mir meine Familie eine SMS.“ Alle drei bis vier Tage. Die Sorge um seine Familie beschäftige ihn aber jede Stunde.

14 Monate war der Syrer auf der Flucht. Zusammengepfercht mit Dutzenden anderen in einem kleinen Boot auf dem Mittelmeer, lange Fahrten in einem übervollen Minivan oder die Ausbeutung durch Menschenschlepper – all das hat Rami erlebt. „In der Türkei haben wir einem Schlepper viertausend Dollar gegeben, damit er uns nach Griechenland bringt. Er nahm das Geld. Dann haben wir ihn nie wiedergesehen“, sagt Rami.

Luise kennt die Fluchtgeschichte und ist beim Zuhören doch wieder berührt. „Man kann sich kaum vorstellen, was Rami und die anderen erlebt haben“, sagt sie. Während ihres Studiums hat Luise ein Semester in den USA verbracht. „Auch wenn das natürlich überhaupt nicht zu vergleichen ist: Ich habe eine Idee davon, wie es ist, in der Fremde ganz auf sich allein gestellt zu sein“, sagt sie.

Seine Familie aus dem Kriegsgebiet in Sicherheit zu bringen, hat für Rami jetzt Vorrang. Daher will er einen Brief an die Deutsche Botschaft schreiben, um den Familiennachzug zu beschleunigen. Luise möchte beim Formulieren helfen. Rami weiß das zu schätzen. Aber genauso sehr, dass es mit Luise und ihrem Freund René auch einfach nur lustig zugehen kann. Es sind kurze unbeschwerte Momente, die ihn von der ständigen Angst um seine Familie ablenken.

Mehr Infos unter: www.fu-berlin.de/welcome

Annika Middeldorf

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