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Nach dem 27:28 gegen Wetzlar: Altes Drehbuch, neues Ende für die Füchse

Gegen Wetzlar lief für die Füchse wie so viele Spiele zuvor: umkämpfte Partie, Führungswechsel, hin und her, graue Haare – doch das Ende ist für die Berliner ungewohnt.

Am Ende eines langen Abends war es an Kai Wandschneider, die Gemüter wieder in den Normal-Modus zurückzuversetzen. Dem Trainer der HSG Wetzlar gelang das mit einem Satz. Wandschneider atmete einmal tief, dann sagte er: "Dieses Spiel müssen wir alle erstmal verkraften."

Woraufhin die Herren um ihn herum wie Wackeldackel im Takt nickten. Ein derart ruppiges und emotional aufgeladenes Duell wie am Mittwoch zwischen den Füchsen Berlin und der HSG Wetzlar (27:28) hatte die Max-Schmeling-Halle in dieser Handball-Saison noch nicht gesehen, da waren sich alle Beteiligten einig. Umso mehr bemühten sie 20 Minuten nach Abpfiff moderate Töne. Füchse-Coach Dagur Sigurdsson gratulierte nach der ersten Heimniederlage in der Bundesliga seit über einem Jahr brav dem Gegner und wollte seiner Mannschaft "keine Vorwürfe" machen. Manager Bob Hanning tat es dem Isländer gleich, wollte sich aber "die letzten zehn Minuten noch einmal genau auf Video ansehen".

Auch wenn es niemand konkret aussprach – zwischen den Zeilen war bei den Berlinern Kritik an der Leistung des Schiedsrichter-Duos Christian Moles/Lutz Pittner herauszuhören. "Wir dürfen ja eh nichts sagen, also sage ich nichts", sagte Hanning darauf angesprochen. Sigurdsson gab zu diesem Thema ebenfalls "keinen Kommentar" ab. Denn die Liga-Statuten sanktionieren bis 48 Stunden nach Abpfiff öffentlich geäußerten Schiedsrichter-Unmut von Spielern und Offiziellen. Dabei wäre er durchaus angebracht gewesen. In der Tat fehlten den Unparteiischen bisweilen Leitlinie und korrektes Strafmaß, allerdings galt dieser Vorwurf für beide Seiten des Feldes.

Eingebrockt hatten sich die Berliner die dritte Bundesliga-Niederlage der Saison schon selbst.

Irgendwie erschien sie sogar erschreckend logisch. Spiele wie gegen Wetzlar waren in dieser Saison ja schon mehrfach zur Aufführung gekommen: umkämpfte Partie, Führungswechsel, hin und her, graue Haare – das alte Drehbuch, allerdings mit neuem Ende. Ironischerweise verloren die Füchse gegen eine Überraschungsmannschaft, die mit Berliner Tugenden punktete: physische Defensive, starker Torhüter, ausgeprägter Teamgeist. Füchse 2.0 sozusagen. Nur aktuell ein bisschen besser eingespielt als das Original, vor allem in der Offensive.

Die Kombinationen und Abläufe der Hessen wirkten flüssiger, die Berliner setzten unterdessen oftmals auf Einzelaktionen. Dagur Sigurdsson trug es mit Fassung: "Meine Mannschaft befindet sich in einer Phase mit vielen großen Spielen", sagte der Isländer mit Blick auf den Europapokal, "ich habe uns jedenfalls schon schlechter gesehen".

In der Tabelle verloren die Berliner jedoch nicht nur Rang drei, also den direkten Qualifikationsplatz zur Champions League, an die siegreichen Hessen. Vielmehr sind sie mit 18:8 Punkten erstmalig mittendrin im Verfolgerfeld des Spitzenduos aus Mannheim und Kiel, das sie selbst lange angeführt hatten. Die SG Flensburg-Handewitt auf Rang fünf (16:8 Punkte) und der HSV Hamburg als Sechster (16:10) liegen in Lauerstellung. In den Saisonprognosen galten diese Klubs neben dem THW Kiel als erste Anwärter auf die drei direkten Champions-League-Startplätze. Die Rhein-Neckar Löwen und die HSG Wetzlar hatte zu diesem Zeitpunkt kaum jemand auf dem Zettel.

"Der Wahnsinn geht weiter", stellte Kai Wandschneier erfreut fest. Auch die Handball-Bundesliga muss die jüngsten Entwicklungen und Ergebnisse erst einmal verkraften.

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