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a la minute: Der Hauptstadtbarsch aus Schöneberg

Kein Fisch ist brutaler regional als der Hauptstadtbarsch aus Schöneberg.

Von Kai Röger

Nein, das ist keine neue Fischart, die am liebsten die Nacht zum Tage macht und sich auch sonst nicht unterkriegen lässt. Der Hauptstadtbarsch ist seines Zeichens ein Buntbarsch, der seinen Namen ob seiner Herkunft erhalten hat: Er stammt nämlich aus Berlin, genauer gesagt aus Schöneberg, wo er in dem geschlossenen Ökosystem der ECF Farm Berlin gezüchtet wird. Das Prinzip dieser innerstädtischen Zuchtanlage ist schlichtweg genial: In einem ausgeklügelten System wird Regenwasser gesammelt und in der Fischzucht eingesetzt. Dieses mit Nährstoffen angereicherte Wasser wird dann im Gewächshaus zum Gemüseanbau weiter verwendet. Das spart Dünger, Wasser, Transportwege und Energie.

Obendrein soll hier alles ohne Antibiotika oder sonstigem Einsatz von Medikamenten vonstattengehen. Das ist nur möglich, weil die Barsche in 13 Wassertanks genügend Platz haben, sodass sich Krankheiten nicht allzu schnell und leicht verbreiten können. So gelangen auch keine Medikamenten­rückstände in den Gemüse­anbau, wohin das Wasser weiter geleitet wird. Dort wird es wie von selbst gereinigt, kondensiert am Gewächshaus, wird dort aufgefangen und wieder in die Fischzucht zurück geleitet. Ein fast hermetisches Ökosystem mitten in der Stadt - eine zukunftsweisende Idee.

Leider ist der Barsch - und da verbietet sich jeglicher Vergleich mit den Berlinern - ziemlich geschmacklos, oder wie uns eine Fachverkäuferin an der Fischtheke sagte: „Ein bisschen nüchtern im Geschmack, ähnlich dem Pangasius.“ Dass man daraus trotzdem aromatische Gerichte kochen kann, zeigte zum Beispiel Küchenchef Arne Anker aus dem Pauly Saal, der in seinem Dezembermenü dem Barsch gekonnt mit Schwarzwurzeln, Muscheln und Dill eine geerdete Bühne bietet, auf der er glänzen konnte. Sein fehlendes Aroma gleicht er aber gleich doppelt aus: Dank der kurzen Wege und der inzwischen guten Vertriebswege dürfte der Hauptstadtbarsch wohl der frischeste Fisch sein, der in Berlin erhältlich ist. Und dann hat er ja noch eine Eigenschaft, die seit kurzem immens an Bedeutung gewonnen hat: Kein Fisch ist brutaler regional als der Hauptstadtbarsch aus Schöneberg.

Mehr zum Thema gut Essen, Trinken & Kochen in Berlin finden Sie im Magazin "Tagesspiegel Genuss".

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