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Der Sonntagskuchen schlechthin: ein goldgelber Napfkuchen, der Gugelhupf. Seine Form gab ihm den Namen.

© i-stock

Inbegriff des Sonntagskuchens: Liebling Gugelhupf

Den Namen verdankt er seinem speziellen Äußeren, sein Wesen ist mal herb, mal süß, mal stark, mal sanft. Von ihm ließ sich auch ein Kaiser verführen

Von Susanne Leimstoll

Ein gewölbtes Rund, eine kranzförmige Erhebung, modelliert durch Dellen oder Kerben, in der Mitte eine kaminartige Vertiefung. So muss ein Gugelhupf aussehen. Sein Name bezeichnet allein die Form, sagt nichts über Zutaten oder Geschmack. Eine klassische, uralte Silhouette, die Mutter aller Kuchen, jedes Kind kennt sie. Rotkäppchen nahm das Gebäck durch den Wald mit zur Großmutter. Der Wolf interessierte sich, wie man weiß, eher fürs Fleisch. Ein Fehler.

Ein Blick, und das Kopfkino beginnt: Süßer Duft zieht aus dem Ofen, der Teig kraxelt an der Form empor, bläht und dehnt sich. Kaum möglich abzuwarten, bis der Kuchen gebacken ist, gestürzt und weiß bestäubt serviert wird. Sanft gleitet das Messer durch die lockere Krume. Es folgt der Biss in weich federnde Perfektion – ob Hefe- oder Rührteig, ob Rosinen- oder Marmorkuchen, ob von Mandeln oder Glasur gekrönt. Alles egal, schon die Form des Gugelhupfs garantiert den Genuss.

Wo kommt er her?

Um seine Herkunft streiten sie sich noch heute.  Die Franzosen verorten die ersten Exemplare des „Kougelhopf“ oder „Kouglof“ im Elsass, wo im Städtchen Ribeauville am zweiten Sonntag im Juni zu seinen Ehren gefestet wird. Die Legende besagt, die Heiligen Drei Könige hätten auf ihrem Rückweg von Bethlehem dort an der Weinstraße Halt gemacht und seien zum Dank mit Kuchen in Form eines Turbans beschenkt worden.

Die Krone der Kuchenschöpfung: der traditionelle Gugelhupf, wie sie ihn bei der Konditorei Zauner in Bad Ischl backen.
Die Krone der Kuchenschöpfung: der traditionelle Gugelhupf, wie sie ihn bei der Konditorei Zauner in Bad Ischl backen.

© 3sat / promo

Die Österreicher behaupten, ihre Landsfrau Marie Antoinette, die spätere Königin Frankreichs, habe ihn aus ihrer Heimat mit an den Hof von Versailles gebracht. Doch Gugelhupf-Formen existierten schon im 17. Jahrhundert.  Woher auch immer er stammt, im Biedermeier wurde der Gugelhupf zum Inbegriff von Kaffeehaus-Gemütlichkeit.

Was soll der Name?

Auch der Begriff hat viele Deutungen. „Gugel“ nannte man das Tuch, das Bäuerinnen um den Kopf trugen, eine Haube, die auch gut war, um etwas darin zu transportieren. „Hopf“, sagt die Forschung, könnte von „Schopf“ kommen, aber auch etwas mit dem „Hepfen“, dem Hefeteig, zu tun haben.  Oder aber mit dem Heben, dem „Lupfen“ der Backform. In Schriften ab dem 17. Jahrhundert hieß ein Kopfputz für Frauen „Gugelhopf“.

Formen gibt es viele für den Gugelhupf. Alle haben zweierlei gemeinsam: die Rillenstruktur an der Haube und den Schornstein in der Mitte.
Formen gibt es viele für den Gugelhupf. Alle haben zweierlei gemeinsam: die Rillenstruktur an der Haube und den Schornstein in der Mitte.

© 3sat / promo

„Gugel“ könnte aber auch ein Hinweis auf die Kappe der Kapuzinermönche sein. Zumindest legt es Johann Zeidlers 1731 erschienenes „Universallexikon aller Wissenschaften und Künste“ nahe. „Gugel ist ein alt Teutsch Wort, so eine Kappe oder Decke des Hauptes bedeutet…“ Namen hat der Gugelhupf – je nach Region – viele, generell und ein wenig lieblos Napf- oder Topfkuchen, „Bundkuchen“ mit Hinweis auf das geflochtene Band in der Pfalz, mit Bezug auf die Babe, die alte Frau, heißt er „Bäbe“ in der Niederlausitz  und Sachsen. In Thüringen und Schlesien nennen sie ihn „Aschkuchen“, denn Asch war der Begriff für Napf.

Wer backt ihn wie?

„I back jo gern selber an Gugelhupf“, sagt die österreichische Historikerin und Filmemacherin Anita Lackenberger, ein bekennender Genussmensch. „Aber viele Rezepte sterben aus. Und ich lieb‘ diese Menschen, die ihre Ideen weitergeben und verhindern, dass solche Dinge verschwinden.“  Deshalb berichtet sie in ihren Filmen so gern über kulinarische Traditionen, recherchiert aktuell über die Herkunft des Strudels oder hat fürs Weihnachtsprogramm Rezepte des Barock nachkochen lassen. 

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Für ihre ORF-Dokumentation „Der Gugelhupf – König der Kuchen“ besuchte sie Landfrauen in verschiedenen Regionen Österreichs, filmte sie beim Gugelhupf backen und Gugelhupf essen, ließ sie genießen und erzählen. Ganz einfach, sehr rührend, ein gefundenes Fressen für Backfreunde. Der Film aus dem letzten Jahr wurde zu Pfingsten auf „3sat“ wiederholt, allein da sahen ihn sich 360 000 Zuschauer an.

Was macht ihn besonders?

Der Gugelhupf ist offenbar jedermanns Liebling. Ein Napfkuchen steht noch immer für den gemütlichen Sonntagskaffee. Und Anita Lackenbergers Film offenbart ein Stück unauslöschlicher alpenländischer Tradition, die vor allem die Landfrauen von heute fortführen und als Basis für neue Ideen nutzen. Sie machen aus dem Gugelhupf eine Mahlzeit, die zu jeder Tageszeit taugt, backen salzige Varianten mit Fleisch oder Kartoffelteig, tränken den Kuchen mit Most, als sei’s ein Savarin, machen das Gebäck mit geraspelten Äpfeln oder Topfen locker und saftig, ersetzen die Milch durch Obstsäfte und das Mehl durch Biskuitbrösel und Nüsse, geben komplizierte Hefeteig-Schichtkonstruktionen weiter, einen Gugelhupf aus einzelnen Buchteln mit viererlei Füllung etwa: Quark, Mohn, Nuss, Zwetschgenmus.

Fleisch, Speck, Knödelteig. Ein rezenter Gugelhupf ist eine vollwertige Mahlzeit.
Fleisch, Speck, Knödelteig. Ein rezenter Gugelhupf ist eine vollwertige Mahlzeit.

© Anita Lackenberger / 3sat / promo

Ein Teig mit Kartoffeln?

Eine Filmszene beobachtet Viktoria Opelka aus Gmünd in ihrer Küche. Sie backt in aller Ruhe einen Schokoladen-Gugelhupf mit Zimt, Nelken und Piment. In den Teig kommen auch Waldviertler Kartoffeln. „A kalter Erdapfel lockert die Struktur“, sagt sie und drückt die Kartoffeln später mit Hingabe durch die Handpresse. Noch ein paar Nüsse und ein Schuss Rum, dann den Eischnee untergehoben. Nach dem Backen schüttelt sie die Keramikform, damit sich der Kuchen vom Rand löst, ehe sie ihn stürzt: ein hoch aufgegangener, schokobrauner Vorzeigegugel, von dem sie entspannt eine Scheibe zur „Nachmittagsjause“ vor der Kamera verspeist.

Schmeckt der auch salzig?

Das zweite dicke Stück auf ihrem Teller ist eigentlich ein ordentliches Hauptgericht: ein „saurer Gugelhupf“. Frau Opelkas Hände legen die hohe Kupferbackform dicht an dicht mit Scheiben von durchwachsenem Speck aus, machen aus Semmeln, Milch und Ei, geriebenem Käse und Petersilie eine Art Knödelteig und streichen die Hälfte in die Form.

A fesches Madl. Die Schauspielerin Katharina Schratt, Gspusi des österreichischen Kaisers Franz Joseph, soll ihm jeden Morgen einen Gugelhupf gebacken haben, den "Kaisergugelhupf".
A fesches Madl. Die Schauspielerin Katharina Schratt, Gspusi des österreichischen Kaisers Franz Joseph, soll ihm jeden Morgen einen Gugelhupf gebacken haben, den "Kaisergugelhupf".

© Getty Images

In der Pfanne brät sie zwei gewürzte Schweinefilets kurz an, legt sie jeweils im Halbkreis um den Schornstein der Backform, verteilt den Rest Teig über dem Fleisch und klappt die überlappenden Scheiben Speck obenauf zu einer geschlossenen Fläche. Aus dem Ofen kommt ein speckglänzendes, knuspriges Haferl, und Viktoria Opelka sagt: „Ma konn’s zum O'mdess’n moch’n, am Sonntog zum Mittagess’n mit am Schweinsbratsafterl oda mit einer Schwammerlsoß‘ und a guat’s Bier dazua.“

Wer buk ihn für den Kaiser?

Josef Zauner, Chef der gleichnamigen Traditionskonditorei in Bad Ischl, präsentiert in der Backstube strahlend mit ausgestrecktem Arm ein mandelverziertes Juwel: den „Kaisergugelhupf“. Das Rezept stammt der Legende nach aus dem 19. Jahrhundert von der Schauspielerin Katharina Schratt. Sie war das Gspusi von Kaiser Franz Joseph I., dem Ehemann von Sisi, aber natürlich sagte das niemand offen.

Mal groß, mal klein. Die Spezialität der Konditorei Zauner in Bad Ischl ist noch immer der Gugelhupf.
Mal groß, mal klein. Die Spezialität der Konditorei Zauner in Bad Ischl ist noch immer der Gugelhupf.

© Anita Lackenberger / 3sat / promo

Die Kaiserin Elisabeth, wie man weiß am Wiener Hofe ständig leidend, soll die Bekanntschaft selber in die Wege geleitet haben. Und Schratt galt fortan als „Ansprechpartnerin und Vertrauensperson“ des Kaisers. Er kaufte ihr eine Villa in Bad Ischl, überhäufte sie mit Schmuck. Dafür soll sie ihm täglich zum morgendlichen Rendezvous einen Kuchen nach dem Rezept ihrer Mutter gebacken haben – einen Germgugelhupf, also einen mit Hefe. Ein brillanter Tausch.

Josef Zauner erzählt in Lackenbergers Film die wohl wahre Geschichte um die holde Bäckerin. Weil der Hefeteig so lange braucht und immer wieder gehen muss, hätte die Schratt täglich schon um halb vier aufstehen müssen, um den Kaiserkuchen rechtzeitig zum Frühstück zu servieren. Darum gab sie das Rezept lieber an die Konditorei Zauner, und die lieferte allmorgendlich den frisch gebackenen Rundling ins Haus. Wenn Franz Joseph dann zur Jagd über den Steinkogel nach Offensee aufbrach und Schratts Haus verließ, pflegte das Volk zu raunen: „Jetzt hat der Kaiser grad wieder seinen Steinkogler Gugelhupf verspeist!“ Mei, er war halt kein Kostverächter.

- Einige Rezepte zu den Gugelhupf aus Anita Lackenbergers Film und zum Kaisergugelhupf finden Sie hier.

- Die Sendung "Der Gugelhupf - König der Kuchen" von Anita Lackenberger finden Sie hier in der 3sat-Mediathek (bis 31. Juli 2020).

- Die DVD zur Sendung "Der Gugelhupf - König der Kuchen" ist erhältlich per Mail unter pippan@produktionwest.com oder unter der Adresse: Produktion West, Marktgraben 14, 6020 Innsbruck

- Konditorei Zauner,  Pfarrgasse 7, 4820 Bad Ischl, Österreich, www.zauner.at

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