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Ergonomie am Arbeitsplatz: Der Wohlfühlfaktor

Hat der Stuhl die passende Höhe, ist der Bildschirm richtig aufgestellt? Wie Ergonomie am Arbeitsplatz aussieht – und was Firmen davon haben, ihn einzurichten.

Manchmal haben kleine Veränderungen große Wirkungen. Ein paar Zentimeter größere Mülltonnenräder zum Beispiel machen schwere Abfalltonnen beweglicher. Ein tiefer gelegtes Lastauto schont die Gelenke beim Ein- und Aussteigen, Fußstützen unter dem Schreibtisch den Rücken - Ergonomie ist der Berliner Stadtreinigung (BSR) wichtig. Auf diese Weise sorgt die BSR dafür, dass die Arbeit der Beschäftigten nicht zu Lasten der Gesundheit geht.

Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist die BSR Vorreiter, wenn es um Gesundheit am Arbeitsplatz geht. „Wir werten regelmäßig die Ursachen für Ausfalltage aus und richten danach unsere Maßnahmen aus“, sagt Personalvorstand Andreas Scholz-Fleischmann.

Arbeitsschutz ist aber alles andere als ein freiwilliges Angebot für die Mitarbeiter. „Gesetzliche Grundlage ist das auf europäischem Recht basierende Arbeitsschutzgesetz“, erklärt Horst Riesenberg-Mordeja, der bei Verdi das Referat Arbeitsschutz leitet. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber dazu, körperliche als auch geistige Risiken wie etwa Stress am Arbeitsplatz einzuschätzen und ihnen entgegenzuwirken. Dafür lässt er sich in der Regel von Betriebsärzten und Sicherheitsfachkräften beraten.

Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) ist heute jeder zweite Arbeitnehmer im Büro tätig. Arbeitsschutz reicht hier von genügend Pausen bis zur Ergonomie am Arbeitsplatz, d.h. zur richtigen Höhe des Stuhls und der Ausrichtung des Bildschirms. Zu letzteren sind in der „Bildschirmarbeitsverordnung“ eine Reihe von Vorschriften aufgeführt.

Ergonomie am Arbeitsplatz - so funktioniert es richtig:

DER BILDSCHIRM

Der Bildschirm hat frei und leicht drehbar sowie neigbar zu sein. Er sollte so platziert werden, dass Fensterlicht von der Seite auf den Bildschirm fällt. "Stellt man ihn direkt vor das Fenster, kann man zwar den Ausblick genießen, belastet aber seine Augen", sagt der Leider der Gruppe Ergonomie bei der Baua, Lars Adolph. Laut Verordnung ist der Bildschirm so einzustellen, dass die oberste Zeile leicht unterhalb der horizontalen Blickrichtung liegt, sodass sich Schulter- und Nackenmuskulatur nicht verspannen.

DER ARBEITSTISCH

Die Richtwerte für den Tisch variieren, je nachdem etwa, ob er nur für Computerarbeiten oder auch zum Schreiben genutzt wird. Höhenverstellbare Tische sind laut arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sinnvoll, damit Teile der Arbeit im Sitzen und Stehen verrichtet werden können. Laut Verordnung muss der Arbeitstisch eine reflexionsarme Oberfläche besitzen und ausreichend groß sein, so dass eine flexible Anordnung des Bildschirmgeräts, der Tastatur, der Unterlagen und der sonstigen Arbeitsmittel möglich ist. Am Bildschirmarbeitsplatz muss zudem Raum für wechselnde Haltungen vorhanden sein. Rollkästen ermöglichen mehr Beinfreiheit als fest montierte Ablagen.

DER SCHREIBTISCHSTUHL

Der Stuhl muss standsicher und ergonomisch gestaltet sein. Ober- und Unterschenkel sollten einen rechten oder leicht stumpfen Winkel bilden. Das gilt auch für das Verhältnis von Ober- und Unterarm.

„Einzelheiten und konkrete Anforderungen an Drehstühle sind in den DIN-Normen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerken definiert. Diese werden in der Regel von allen hochwertigen Bürostühlen erfüllt“, sagt Innenarchitektin Simone Bücksteeg aus Wiesbaden. Sie baut Büroflächen für Firmen unter anderem aus der IT- und Kommunikationsbranche um und richtet sie ein. Einer ihrer Kunden stellt den Mitarbeitern eine Auswahl von Stühlen zur Verfügung, damit sie sich den passenden aussuchen können. „Neben ergonomischen Vorgaben ist es einfach wichtig, dass man sich auf seinem Stuhl wohlfühlt.“

DER INDIVIDUELLE ARBEITSPLATZ

Im Idealfall wird der individuelle Arbeitsplatz zusammen mit einem Betriebsarzt oder Sicherheitsingenieur eingerichtet. „Für alle Arbeitsgeräte und Büromöbel gilt: Sie müssen den Mitarbeitern erklärt werden“, sagt Experte Adolph. Der beste Bürostuhl nütze nichts, wenn er nicht richtig eingestellt sei. „Die Anschaffung ergonomischer Möbel mag Arbeitgebern teuer erscheinen. Doch wenn auf diesem Weg nur einige Fehltage kranker Kollegen verhindert werden können, sparen sie immense Kosten“, so der Experte.

RAUM FÜR BEWEGUNG

Das größte Problem von Büroarbeitern ist laut Adolph die Bewegungsarmut und das Verharren in Zwangshaltungen. Sie führen zu verschiedenen Muskel-Skelett-Erkrankungen die sich etwa als Nackenverspannungen, Schmerzen in den Händen, Armen oder als Kopfschmerzen zeigen können. „Oft sind diese Erkrankungen nicht nur ein Zeichen dafür, dass ein Mitarbeiter schlecht sitzt, sondern auch, dass er schlecht sieht“, weiß der Experte.

Bewegung kommt in den Büroalltag, indem zum Beispiel Drucker und Kopierer in einem anderen Raum als der Schreibtisch stehen. „Das zwingt zum gelegentlichen Aufstehen“, sagt Innenarchitektin Bücksteeg.

DIE ANSPRECHPARTNER

Die Überwachung der gesetzlichen Vorschriften obliegt der Gewerbeaufsicht und der gesetzlichen Unfallversicherung, also Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. „Ein kleiner Betrieb wird in der Realität allerdings vielleicht nur alle zehn Jahre besucht“, sagt Riesenberg-Mordeja. Fallen Mitarbeitern Missstände auf, können sie sich zunächst an den Betriebsarzt oder die Sicherheitsfachkraft wenden, sie sollten aber auch den Betriebs- oder Personalrat informieren. So war es auch der Personalrat der BSR, der darauf hingewirkt hat, dass Niedrigflurfahrzeuge angeschafft werden, die das Einsteigen für die Mitarbeiter erleichtern.

Häufen sich Beschwerden oder Missstände, sollte die Gewerkschaft eingeschaltet werden, rät der Verdi-Experte Riesenberg-Mordeja. Die nächste Instanz, die auch Auflagen erteilen kann, wäre dann die Gewerbeaufsicht oder der zuständige Unfallversicherungsträger.

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