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Ob Otto Rehhagel noch dran glaubt? Für Hertha geht es gegen Hoffenheim um die allerletzte Chance auf den Klassenerhalt.

© AFP

Pro & Contra: Hertha schafft es - oder nicht?

Schaffen sie's oder schaffen sie's nicht? Die einen mögen die Hoffnung schon aufgegeben haben, andere glauben noch an den Klassenerhalt. Zwei unterschiedliche Ausblicke auf das Saisonfinale von Hertha BSC.

Warum Hertha es schafft

Es ist an der Zeit, metaphysisch zu werden. Denn nicht nur für den Kölner Trainer und bekennenden Baptisten Frank Schaefer ist Glauben alles. Auch Herthas Trainer Otto Rehhagel setzt auf höhere Mächte: Der Fußballgott habe dieses Abstiegsfinale gewollt, es sei eine Fügung. Vielleicht hat er damit recht.

Denn wenn es einen Fußballgott gibt: Warum hat er es so weit kommen lassen? Den Berlinern im Saisonendspurt einen Konkurrenten gegeben wie aus der Rippe geschnitzt, ein Team, das noch hilfloser agiert? Und warum hat er ein spektakuläres Saisonfinale eingerichtet? Um dann das Erwartbare geschehen zu lassen? Hätte er solche Pläne mit Hertha, er hätte es längst schon enden lassen können.

Doch er hat Fußball-Berlin die Kölner geschenkt. Die haben seit ihrem 1:0-Sieg gegen Hertha im März in acht Spielen nicht mehr gewonnen. Nur zwei Punkte seitdem und ein Torverhältnis von 6:25 – das lässt Herthas Bilanz, fünf Punkte und 9:24 Tore, fast vorzeigbar erscheinen.

Egal wie dilettantisch sich Hertha auf dem Feld und in der Außendarstellung zeigte – die Kölner setzten immer noch einen drauf. Sie verloren Präsidenten, Sportdirektor, Trainer und den Vereinsheiligen Lukas Podolski. Der Führungskampf und die Eskapaden der Spieler sind dabei noch gar nicht aufgelistet.

Und nun müssen diese Kölner den FC Bayern schlagen. Den Eff–zeh Bay-ern! Egal, dass auf München zwei Finalspiele warten: Selbst eine Z-Elf des Rekordmeisters würde in Köln noch haushoch siegen. Muss Hertha nur noch selbst gewinnen. Gegen Hoffenheim, aber vor allem: gegen den Ex-Trainer Markus Babbel. Was wird der motiviert sein!

Na und? Er steht nicht auf dem Feld. Dort steht eine Mannschaft, die es wie die Fans nicht begeistern dürfte, dass der beliebte Torwart Tom Starke dem unbeliebten Tim Wiese weichen soll. Für die Spieler geht es um nichts mehr. Sie haben zuletzt zweimal verloren, ihre Hauptsorge ist vermutlich, sich im letzten Spiel nicht zu verletzen. Klar, abschenken wird keiner etwas, wenn Fußball-Deutschland zuschaut. Aber der Kopf schaltet unbewusst in den Motivationssparbetrieb.

Selbst wenn Babbel die Spieler richtig heiß macht: „Wer übermotiviert ist, macht auch Fehler“, weiß nicht nur Rehhagel. Hertha käme es zupass, im eigenen Stadion kontern zu dürfen. Ohnehin lief es besser im Olympiastadion, wenn Babbel dabei war.

Ernsthaft helfen dürfte den Berlinern aber vor allem die Rückkehr von Peter Niemeyer und Lewan Kobiaschwili. Die beiden noch am wenigsten katastrophalen Feldspieler der Rückrunde dürften für mehr Kampfkraft und Stabilität sorgen. Falls Christian Lell rechtzeitig fit wird, könnte die Hertha-Defensive wieder in der Besetzung antreten, die in Mainz die Basis für das beste (und einzig gute) Rückrundenspiel war. Und die jungen Hoffenheimer sind konteranfällig, das hat ihr 2:3 gegen Nürnberg gezeigt.

Sehen Sie hier die turbulente Hertha-Saison im großen Foto-Rückblick

Aber, aber, mag man einwenden: Selbst wenn Hertha siegen und es auf den Relegationsplatz schaffen sollte – wie soll dieses Team in den Nervenduellen um die Erstklassigkeit bestehen? Gegen einen euphorischen Zweitligisten in Spitzenform?

Nun, in Spitzenform sind die drei Relegationskandidaten nicht gerade. Der aktuelle Zweitliga-Dritte Düsseldorf hat die Form der Vorrunde verloren, von den letzten acht Spielen nur zwei gewonnen. Genau wie St. Pauli. Paderborn hat nach drei Siegen in acht Spielen auch keinen Anlass zur Euphorie. Und in 13 Relegationsduellen triumphierte neunmal der Erstligist.

Zudem hat die Relegation im vergangenen Jahr gezeigt, wie eng es in diesen beiden Glücksspielen zugeht. Hätte Marco Reus nicht in der Schlussphase des Rückspiels getroffen, wäre der künftige Champions-League-Teilnehmer Gladbach heute vielleicht Zweitligist. Und Friedhelm Funkel mit Bochum erstklassig. Das hätte alles passieren können, es kam aber anders. Der Fußballgott hat eben seine eigene Vorsehung.

Dominik Bardow

Warum Hertha es nicht schafft

Hertha BSC steigt ab. Die Mannschaft kann dem Druck einfach nicht standhalten Man mag sich das Szenario eigentlich gar nicht ausmalen. Irgendwann an diesem Samstag, Mitte der ersten Halbzeit: Im Berliner Olympiastadion grummelt es, erst hier ein bisschen, dann da immer mehr, die Ahnung verfestigt sich langsam zur Gewissheit, und dann erscheinen die Wappen des 1. FC Köln und des FC Bayern München auf den beiden Anzeigetafeln. Ein kurzer, ein letzter Moment der Ungewissheit, bis dort oben ein „0:1 Gomez“ erscheint. Die Masse rast. Hertha ist plötzlich zurück im Geschäft, muss nur ein Tor schießen, ein einziges Tor, um sich doch noch in die Relegation zu retten.

Eine schreckliche Vorstellung. Wahrscheinlich zittern Herthas Spieler schon jetzt beim Gedanken an diesen Moment. Wenn die Berliner in dieser Saison mussten, haben sie noch nie gekonnt. Nicht gegen die vermeintlich blinden Augsburger, den Absteiger Nummer eins. Nicht in der von Otto Rehhagel ausgerufenen Entscheidungsschlacht gegen Freiburg. Und nicht mal gegen den 1. FC Kaiserslautern, der zuvor 21 Spiele nicht gewonnen hatte.

So verdruckst, wie sich der gesamte Verein mit dem öffentlich leidenden Manager Michael Preetz an der Spitze gibt, so spielt auch die Mannschaft. Der ganze Klub hat sich hinter Mauern und Zäunen verschanzt, weil es den Spielern laut Preetz gut tut, wenn sie sich beim Training nicht von Fans und Journalisten auf die Füßen schauen lassen müssen. Dummerweise finden die Spiele noch nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und wir sind auch nicht beim Tennis, wo der Sprecher das Publikum zur Ruhe anhält, wenn sich auf den Rängen etwas regt, vielleicht sogar so etwas wie Hoffnung oder Zuversicht. Schon Markus Babbel, der am Samstag bei Hoffenheim auf der Trainerbank sitzen wird, hat in der Hinrunde immer wieder auf die Schwierigkeiten seiner Spieler hingewiesen, den Erwartungen eines gut gefüllten Olympiastadions gerecht zu werden.

Zweite Liga mit Hertha ist gar nicht so schlimm, sehen Sie hier den Beweis:

In den vergangenen beiden Bundesligaspielzeiten hat Hertha exakt vier Heimspiele gewonnen. Was spricht dafür, dass ausgerechnet heute der fünfte Sieg gelingt? Herthas Hoffnung hat sich in den vergangenen Wochen immer mehr auf einen einzigen Faktor reduziert: auf den 1. FC Köln. Umgekehrt ist es genauso: Die Kölner verlassen sich auf die anhaltende Unfähigkeit ihres Konkurrenten aus Berlin, und das Kuriose ist: Beide haben Recht. Hertha hat in der Rückrunde acht Punkte geholt und nur eins der vergangenen neun Spiele gewonnen. Dem FC ist sogar in den jüngsten 13 Versuchen nur ein Sieg gelungen – natürlich gegen Hertha.

Vor vier Jahren hat die Deutsche Fußball-Liga die Relegationsspiele zwischen dem Drittletzten der Bundesliga und dem Dritten der Zweiten Liga wieder eingeführt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass diese Maßnahme vor allem dem Ziel diente, den Abstieg aus der Erstklassigkeit ein wenig unwahrscheinlicher zu machen. Die jüngsten Auftritte Herthas und des FC sind jedoch ein eindeutiges Plädoyer, die Relegation sofort wieder abzuschaffen. Wenn sich jemand den Abstieg redlich verdient hat, dann Hertha. Und der 1. FC Köln. Auch deshalb ist es für heute Nachmittag das wahrscheinlichste Szenario, dass beide ihre Spiele verlieren.

Fußballfans neigen zu emotionalen Überreaktionen, sie schwanken zwischen Euphorie und totaler Niedergeschlagenheit; dazwischen gibt es nichts. Herthas Anhänger tendieren nach den Enttäuschungen der vergangenen Wochen eher der dunklen Seite zu. Die Zuversicht ist kein Berliner mehr. Im Gegenteil: Hertha, dein Name sei Verzweiflung! Die Fans fürchten das Schlimmste, ein Szenario wie dieses zum Beispiel: Hertha gewinnt 2:0, das Spiel im Olympiastadion ist schon abgepfiffen, da trifft Lukas Podolski in Köln zum 1:0 gegen die Bayern. Vermutlich kommt es sogar noch ärger: Hertha schafft es irgendwie in die Relegation und verliert dann gegen Paderborn. GEGEN PADERBORN!!!

Stefan Hermanns

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