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Hertha geht nicht unter – zumindest das Gründungsschiff des Klubs. Es wurde jetzt verkauft, aber nicht nach Berlin.

© ddp

Herthas Abstieg: Weltstadt in der Zweiten Liga

Man witzelt in Madrid, spottet in Rom, lacht in London: Herthas Abstieg schadet der Stadt – allerdings erst einmal nur deren Image. Welche weiteren Auswirkungen gibt es für Berlin?

Von Sandra Dassler

Es war fast schon symbolisch für den zumindest zeitweiligen Untergang. Das Schiff, nach dem Hertha im Jahr 1892 benannt wurde, wechselte dieser Tage seinen Besitzer. Allerdings wurde es nicht wie vorgesehen an den Fußballklub verkauft, der das alte blau-weiße Boot eigentlich zum 120-jährigen Vereinsjubiläum am 25. Juli nach Berlin holen wollte. Die „Hertha“ bleibt auf der Kyritzer Seenkette – weil Herthas Aufsichtsratschef Bernd Schiphorst den Deal vermasselte. Sagt jedenfalls der Vorbesitzer der „Hertha“, Jens-Peter Dentler: „Er hat sich nach den ersten Verhandlungen in der Öffentlichkeit derartig abfällig über meinen Vater geäußert, dass wir nicht mehr mit ihm verhandeln wollten.“

Wenigstens geht die „Hertha“ nicht unter. Der Abstieg, der da am späten Freitagabend vor Gericht bestätigt wurde, nagt sowieso schon am Selbstwertgefühl – der Herthaner im Besonderen und der Berliner im Allgemeinen. Selbst amerikanische Journalisten, die sich sonst kaum für Fußball interessieren, fragten dieser Tage nach: Stimmt es, dass Berlin, diese tolle und überall in der Welt beliebte deutsche Hauptstadt, nun bald keine Mannschaft in der Bundesliga hat? Die Reporter hatten vor zwei Wochen den ersten Direktflug von Los Angeles nach Berlin begleitet, erzählt Burkhard Kieker, der Geschäftsführer der Tourismus- und Marketinggesellschaft Visit Berlin: „Sie blieben ein paar Tage und bekamen so auch das Skandalspiel in Düsseldorf mit.“

Kieker kennt das Phänomen schon. Vor zwei Jahren, als Hertha schon einmal abstieg, erlebte er viel Mitleid, manchmal auch ein wenig Häme, in anderen Hauptstädten. Man schüttelte die Köpfe in Madrid, spottete in Rom, witzelte in London. Jetzt sei es ähnlich, sagt Kieker: „Auf die Hauptstadt ohne Erstligaverein werde ich öfter angesprochen als auf den verpatzten Start des Großflughafens. Fußball interessiert die Welt mehr.“

Werfen Sie hier einen Blick zurück auf die kuriose Saison von Hertha BSC:

Da die Welt aber Berlin nach wie vor bewundere und liebe, würde sich der Image-Schaden durch Herthas Abstieg aber in Grenzen halten, sagt Kieker: „Die Touristen kommen ja nicht wegen des Fußballs nach Berlin.“ Die Fans alle zwei Wochen schon. Und da macht es durchaus Unterschiede, ob ein paar Dutzend Anhänger aus Sandhausen oder Aalen kommen oder Tausende aus Dortmund oder München. Das sieht jedenfalls der Geschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands Willy Weiland so: „Die Verluste für die Gastronomie halten sich wahrscheinlich in Grenzen, weil das heimische Publikum jedenfalls vor zwei Jahren Hertha die Treue hielt und das Olympiastadion auch bei den Zweitligaspielen gut besetzt war“, sagt er: „Die Hotels werden das aber schon spüren – auch weil jetzt viele Klubs und ihre Anhänger aus dem näheren Umfeld kommen: nach Dresden, Cottbus oder Aue kann man abends noch zurückfahren.“ Nach Köpenick sowieso, da spielt Herthas Stadtrivale 1. FC Union.

Welche Auswirkungen hat Herthas-Abstieg für den Einzelhandel?

Für den Einzelhandel dürfte sich Herthas Zweitklassigkeit hingegen kaum auswirken, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen: „Da geht uns je kein klassisches Shopping-Publikum verloren“, sagt er: „Die zumeist männlichen Fans kommen nicht zum Einkaufen hierher – egal, ob ihre Klubs in der Ersten oder Zweiten Liga spielen.“

Benjamin Renger, Juniorchef des Restaurants Preußisches Landwirtshaus am Olympiastadion, wo sich traditionell viele Gästefans vor den Spielen niederlassen, sieht das anders: „Wir haben viele Stammgäste gerade aus München, Hamburg, Dortmund oder Stuttgart“, sagt er. „Für uns wäre erste Liga besser.“

Was den Verkauf in den Hertha-Shops anbelangt, so spielte der Abstieg vor zwei Jahren keine Rolle, sagt ein Hertha-Sprecher. Das lag daran, dass genauso viele Zuschauer in der Zweiten Liga kamen.

Der Senat hatte dem Verein damals die Miete für das Olympiastadion in Höhe von 2,55 Millionen Euro gestundet. Der Klub hat das Geld inzwischen vollständig zurückgezahlt. Auch diesmal müsste Hertha zunächst keine Miete zahlen. Und auch diesmal könnte das Zuschauen Spaß machen, wenn denn Hertha in der Zweiten Liga vorn mitspielen sollte.

Wenn auch in diesem Jahr der Aufstieg klappt, wäre der vorherige Abstieg zu Union, Energie Cottbus und Dynamo Dresden vielleicht doch nicht so dramatisch, sagen deshalb viele Hertha-Fans. Und der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, notgedrungen im zweckoptimistischen Schönreden geübt, lässt ab und an seine Lieblingsvision für die Saison 2013/14 durchblicken: Erste Liga mit zwei Berliner Klubs – Hertha und Union.

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