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Herthas Trainer Jos Luhukay klatscht ab, am liebsten nicht nur einen Torschützen, sondern möglichst viele.

© dapd

Herthas neue Offensive: Mehr Konkurrenz, mehr Tore

Herthas Trainer Jos Luhukay verfügt in der Offensive schon jetzt über viele Möglichkeiten. Wenn alle Spieler richtig fit sind, wird sich der Konkurrenzkampf sogar noch verschärfen. Luhukay freut das. 

Sandro Wagner hat sich am Dienstagabend bei seinen Kollegen ein bisschen unbeliebt gemacht, aber darauf kann der Mittelstürmer des Fußball-Zweitligisten Hertha BSC im Moment leider keine Rücksicht nehmen. Sogar als Verräter ist Wagner von seinen Mitspielern bezeichnet worden, weil er für Herthas Regionalligateam zwei Tore erzielt hatte – gegen Herthas Profimannschaft. Im internen Test spielte der Neuzugang aus Bremen jeweils eine Halbzeit für das A-Team und die U 23. Gegen die Amateure blieb er vor der Pause ohne Tor, gegen die Profis traf er zweimal. Das mit dem Verräter war trotzdem nur ein Scherz, und Wagner selbst fand es sogar „lustig, gegen die eigenen Jungs zu treffen“. Zumal ihn jedes Tor seinem Ziel ein Stück näher bringt: einem Platz in der Startelf. „Die Bank ist nichts für mich“, sagt Wagner. 

Wie gut, dass Wagner nach dieser programmatischen Ansage gleich in die Kabine verschwindet und seinen Trainer Jos Luhukay nicht mehr hören kann. Dessen Wahrnehmung und Einschätzung differiert nämlich leicht von der des Stürmers. „Sandro Wagner ist noch nicht für 90 Minuten einsatzfähig“, sagt der Holländer. Der Neuzugang ist erst mit Verspätung in die Vorbereitung eingestiegen, seit April hat er kein Spiel mehr über 90 Minuten bestritten. Dass Wagner seine Wettkampffitness sehr viel optimistischer einschätzt, wird Luhukay im Zweifel nicht interessieren. Er ist im Moment nicht zwingend auf den 24-Jährigen angewiesen.

Luhukay verfügt für die Offensive über eine Vielzahl an Möglichkeiten – und sie werden kurz- bis mittelfristig sogar noch zunehmen: Wenn Wagner, Ben Sahar und Nikita Rukavytsya erst einmal richtig fit sind und irgendwann auch Pierre-Michel Lasogga nach seiner Kreuzbandverletzung zurückkehrt, gibt es für die vier offensiven Positionen dreizehn Bewerber. „Der Konkurrenzkampf ist einen Tick heftiger geworden“, sagt Wagner schon jetzt. „Aber das soll auch so sein.“

Erstes Opfer dieses Konkurrenzkampfes war Elias Kachunga, der in der Vorbereitung von allen Herthanern am verlässlichsten getroffen hat (sechs Tore), am Freitag, beim Saisonstart gegen den SC Paderborn (2:2), aber 90 Minuten auf der Bank bleiben musste. „Ich wusste bei meinem Wechsel, dass der Konkurrenzkampf groß ist“, sagt der U-20-Nationalspieler. „Wir brauchen die Qualität in der Offensive. Wir brauchen jeden Mann.“ Wie Wagner traf auch Kachunga beim 5:3-Sieg der Profis im herthainternen Testspiel gegen die U 23 zweimal. Die Frage, ob dabei auch ein bisschen Wut mitgespielt habe, umschifft der 20-Jährige diplomatisch. Nur so viel: Die Tore hätten ihm gut getan, er habe einen Schritt nach vorne gemacht und brenne auf seinen Einsatz.

Luhukay findet, dass seine Spieler im Moment noch sehr positiv mit dem verschärften Konkurrenzkampf umgingen. Im Moment noch – das impliziert, dass sich das auch ändern kann. Herthas Trainer weiß, dass es im Laufe der Saison Enttäuschungen geben wird, auch Härtefälle. Kachunga war am vergangenen Wochenende bereits einer. „Es ist ja nicht so, dass ich es nicht sehe“, sagt Luhukay. „Der Ruf nach Elias wird vielleicht noch lauter. Aber das ist nur gut für ihn.“ Wenn das Spiel gegen Paderborn anders gelaufen wäre, hätte Luhukay dem Leihspieler von Borussia Mönchengladbach in der zweiten Halbzeit zumindest einen Kurzeinsatz gegönnt. Doch weil Hertha einen Rückstand aufholen musste, kam stattdessen der wuchtige Sandro Wagner zu seinem Pflichtspieldebüt für die Berliner. Ein Stürmer, der mehr Präsenz ausstrahlt als der eher zierliche Kachunga und auch bei Standards gefährlicher ist.

Die Besetzung im Kader bringt es mit sich, dass Luhukay für fast jede Situation eine mögliche Lösung parat hat. Gegen Paderborn bot er etwas überraschend Per Kluge als zentralen offensiven Mittelfeldspieler hinter Sami Allagui als einziger echter Spitze aus. Am Sonntag beim FSV Frankfurt kann es schon wieder ganz anders aussehen, und das nicht nur, weil Kluges Einsatz wegen einer Sprunggelenksverletzung fraglich ist. Das Stammspieler-Prinzip gilt nur unter Vorbehalt, entscheidend ist für Luhukay allein, was am Ende für die Mannschaft herausspringt. Das betrifft auch und gerade die Stürmer. „Wir brauchen viele Tore, um aufzusteigen“, sagt Herthas Trainer. Rund 40 Treffer soll die Offensive nach seiner Rechnung zum Aufstieg beitragen. „Es ist sicher, dass ein Stürmer alleine das nicht schafft.“ Luhukay ist es lieber, er hat drei oder vier Stürmer im Kader, die im Laufe der Spielzeit zwischen fünf und zehn Toren erzielen, als nur einen, der gleich 20-mal trifft: „Dann bist du nicht von einem Spieler abhängig und auch nicht so leicht berechenbar.“

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