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Wir kommen wieder. Herthas Präsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz dürfen am Montag wieder in Frankfurt antreten, dann wird eine Entscheidung über Herthas sportliche Zukunft verkündet.

© dpa

Sportgericht entscheidet: Hertha und die Tage des Zweifelns

Nach dem Einspruch und der vertagten Verhandlung hofft Hertha BSC nun am Montag auf ein positives Urteil des DFB-Sportgerichts – doch die Chancen stehen eher schlecht.

Es ist ein bisschen wie in einer Gerichtsserie aus den USA. Der Anwalt hat gerade ein beeindruckendes Plädoyer gehalten, die Meinung im Saal scheint sich zu drehen. Christoph Schickhardt, juristischer Interessenvertreter von Hertha BSC, ist vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Freitag vehement für die Positionen der Berliner eingetreten, die eine Wiederholung des Chaosspiels in der Relegation bei Fortuna Düsseldorf (2:2) fordern und so den drohenden Abstieg abwenden wollen. Das Urteil wird am Montag ab 15 Uhr erwartet, weil am Freitag fast sieben Stunden Verhandlung nicht ausreichten, den Fall abzuschließen. „Wir wollen die Sache nicht übers Knie brechen. Das muss in Ruhe entschieden werden“, sagte der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz.

Hertha-Präsident Werner Gegenbauer zeigte Zuversicht, „wir werden jetzt optimistisch der Entscheidung harren.“ Doch auch die Vertreter von Fortuna Düsseldorf haben Hoffnung, dass in ihrem Sinne entschieden wird. Zudem sagte Finanzvorstand Paul Jäger, der die Düsseldorfer bei der Verhandlung vertrat: „Ich kann für meinen Verein ausschließen, dass wir in ähnlicher Situation wie Hertha einen Einspruch durchziehen würden.“ Welche Partei nur Zweckoptimismus ausstrahlte, wird erst der Montag zeigen, der Ablauf des Verfahrens am Freitag spricht aber eher gegen Hertha.

Anwalt Schickhardt gab dem Fall und dem Urteil grundsätzliche Bedeutung: „Es sollte davon ein Signal ausgehen, bevor es irgendwann Tote gibt. Es geht darum, den Spielbetrieb vor Verrohung, Anarchie und Gewalt zu sichern. Vielleicht ist das die letzte Chance.“ Schickhardt verweist damit auf die Bedeutung des Urteils für den Umgang mit Fankultur im Fußball überhaupt, in Teilen des DFB ist sogar die Rede von einem Musterprozess. Hertha fordert die Ansetzung eines Wiederholungsspiels. „Dazu bedarf es keines Blutvergießens“, sagte Schickhardt. Nach dem Wiederanpfiff sei es für Herthas Spieler „nur noch um die Rettung der eigenen Haut“ gegangen. Schickhardt sprach wiederholt von der „Todesangst“, die Herthas Spieler ausgestanden hätten, nachdem viele Anhänger der Düsseldorfer eineinhalb Minuten vor Ende der Nachspielzeit den Platz gestürmt hatten, weil sie dachten, das Spiel sei schon beendet und sie könnten den Bundesligaaufstieg ihres Klubs feiern.

Die Bilder der chaotischen Szenen von Düsseldorf:

Diese Angst sah Richter Lorenz nicht. „Eine Verängstigung der Spieler ist nach den Schilderungen nicht festzustellen“, stellte Lorenz fest. Er folgte den Ausführungen von Schiedsrichter Wolfgang Stark, der nicht einmal Verunsicherung bei den Berlinern hatte feststellen können. Starks Aussage über die körperlichen Angriffe von Hertha-Spielern gegen ihn hatten die Zeugenanhörung des Prozesses bestimmt. Todesangst als mögliches Motiv erscheint für die Angriffe auch absurd, eher mag man an Angst vor dem Abstieg und den großen Frust denken.

Chefankläger Anton Nachreiner empfahl Hertha, den Antrag zurückzuziehen

Ein Urteil gegen Hertha ist also trotz Schickhardts 40 Minuten langem und eindrücklichen Schlussplädoyer wahrscheinlicher als eins im Sinne der Berliner. Eines ihrer Argumente war, dass das Spiel nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei, weil nach dem Platzsturm und der folgenden 20 Minuten langen Unterbrechung die Eckfahnen und ein Elfmeterpunkt entwendet wurden. „Zu einem ordentlichen Spielbetrieb gehört ein vollständiger Spielaufbau. Das Regelwerk war nur noch Makulatur“, sagte Christoph Schickhardt. Die Düsseldorfer sehen in den Äußerungen von Hertha-Torwart Thomas Kraft eine Falschaussage, gegen die sie erwägen vorzugehen. Kraft hatte ausgesagt, dass der Elfmeterpunkt vor seinem Tor ausgegraben wurde, es war aber wohl der Elfmeterpunkt vor dem Tor der Düsseldorfer. Angesichts des allgemeinen Chaos eher eine Randerscheinung, die den verbleibenden Rest der Nachspielzeit nach Starks Wiederanpfiff nicht beeinträchtigte – allerdings hat Richter Lorenz angekündigt, gegen falsche Aussagen rigoros vorzugehen.

Das Gericht wird wohl eher berücksichtigen, dass Schiedsrichter Stark das Spiel nach Rücksprache mit der Polizei noch einmal an- und dann wieder abpfiff, es also ein gewissermaßen normales Ende fand. Der Einspruch gegen die Wertung der Partie dürfte zurückgewiesen werden, nach den Regularien des DFB müssen aber beide Parteien dem Urteil des Sportgerichts zustimmen, damit dieses rechtskräftig wird.

Chefankläger Anton Nachreiner vom DFB-Kontrollausschuss empfahl Hertha, den Antrag zurückzuziehen – eine gewichtige Ansicht in dem Verfahren. Er maß wohl dem Umstand entscheidende Bedeutung bei, dass Schiedsrichter Stark unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er nach der Spielunterbrechung „ohne Druck der Polizei“ wieder angepfiffen habe und nicht wie von Hertha vorgebracht nur deshalb, um eine drohende Eskalation der Situation im Stadion zu verhindern. Fortuna-Anwalt Horst Kletke äußerte die Ansicht, dass das Spiel „ordnungsgemäß“ zu Ende geführt worden sei.

Den Berlinern bliebe auch die Möglichkeit, Berufung gegen ein Urteil einzulegen. Dann würde in zweiter Instanz vor dem DFB-Bundesgericht verhandelt, wahrscheinlich noch in der kommenden Woche. Vor dem Gang vor ein Zivilgericht wäre das Ständige Schiedsgericht beim DFB die dritte und letzte mögliche Instanz.

Das Verfahren könnte sich also noch hinziehen, während die meisten Spieler der anderen Erst- und Zweitligaklubs bereits in der Sommerpause sind und die Manager bereits fleißig Transfers für die kommende Saison tätigen. Die wissen aber auch sicher, für welche Liga sie dies tun.

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