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Dörflein: "So was wie mit Knut gibt es nicht nochmal“

Wie Tierpfleger Thomas Dörflein seinen Job, den weltweiten Hype um den kleinen Eisbären und den Rummel um sich selbst erlebt

Sie sind Berlins Dreamteam 2007: Eisbär Knut und Tierpfleger Thomas Dörflein – heute wird der millionste Gast erwartet. Doch die Tage der Zweisamkeit sind gezählt. Annette Kögel sprach darüber mit dem 43-Jährigen, der seit 1980 im Zoo arbeitet und zuständig ist für das Schlachthaus, sechs Windhunde, fünf Wölfe, neun Nasenbären, 33 Bären – und Knut.

Herr Dörflein, haben Sie jetzt kurz Zeit?

Gleich. Knut saugt noch an meinem Finger und nuckert laut, das macht er so dreißig Mal am Tag, der braucht halt noch viel Nähe. Eisbärenmütter säugen ja rund zwei Jahre. Ich lenke Knut mal ab, dann können Sie ihn am Ohr streicheln. Er stinkt auch nicht, außerdem waren wir gerade baden. Das macht einen Riesenspaß, wie der sich freut! So, jetzt können wir in mein Bürozimmer im Innenhof.

Mit dem Kuscheln ist es ja bald vorbei …

Ich weiß, mein Chef sagt, in wenigen Wochen ist Schluss mit der ,Knut-Show’. Aber hinter den Kulissen werde ich noch länger bei ihm sein, deshalb gibt es für mich erstmal keine Trennung. Ich bin auch schon bei dreijährigen Bären gewesen, ich kann das einschätzen. Klar, in einem halben Jahr ist Knut so schwer wie ich, dann ist das nicht mehr lustig. Auch jetzt schon bekommt er manchmal Wutanfälle, wenn er Hunger hat zum Beispiel oder etwas will und das nicht kriegt, dann beißt er auch mal doller. Er ist eben ein Raubtier. Noch kann ich ihn allerdings mit beiden Händen am Nacken packen und durchschütteln. Dann weiß er, was Sache ist. Man muss wie bei Kindern Grenzen setzen. Die Entwöhnung klappt gut, wir lassen ihn immer öfter allein. Es ist ja das Ziel, dass er eigenständig lebt. Ich werde dann nicht traurig sein, sondern zufrieden, dass alles geklappt hat. Die erste Zeit war sehr schön, aber auch sehr anstrengend. Ich freue mich auch, wieder mehr Freiheiten zu haben.

Was ist Knut für Sie? Ziehsohn? Eisbär?

Er ist und bleibt ein Tier. Aber klar, die Zeit ist intensiver als ich sie mit meinen eigenen Kindern erlebt habe. Mein Sohn ist 16, meine Tochter 20 Jahre alt. Und meine Freundin hat auch eine Tochter.

Ihre Partnerschaft hat die vergangenen sieben Monate also überlebt?

Aber ja doch, wir sind jetzt sogar zusammengezogen. Meine Freundin hat mit mir hier auch mal übernachtet, Knut schrie ja alle zwei Stunden nach seiner Flasche. Ich genieße es aber auch, mit mir alleine zu sein. Ich habe hier keinen Fernseher, und besitze keinen Laptop, kein Privathandy.

Aber Sie haben viele weibliche Fans…

Ja, unglaublich. Man muss nur ein paar Mal im Fernsehen sein, die Medien müssen regelmäßig berichten, und schon denken die Leute, man sei was Besonderes. Dabei mache ich nur meine Arbeit. Es ist schon irre, was in den Gesichtern der Zuschauer vor sich geht. Die haben oft so einen Ausdruck, als sei ihnen der Heiland erschienen. Hier auf meinem Schreibtisch liegen Liebesbriefe aus der ganzen Welt, da werden Lieder und Gedichte verfasst. Autogrammwünsche beantworte ich, wenn ein Rückumschlag beiliegt.

Schmeichelt Ihnen das nicht doch ein wenig, wenn die Leute Sie erkennen?

Nein, wirklich nicht. Es passiert mir zwanzig Mal am Tag, dass ich irgendwo langlaufe, und die Menschen dann plötzlich so komische Laute von sich geben: Oh, ah, uh! Dann hört man ein hämisches oder feixendes Lachen – und dann sagen sie nur: ’Knut! Knut!’. Ganze Sätze hört man selten. Früher waren meine Damen so sechzig aufwärts. Jetzt werde ich am Zoo-Ausgang ständig von jüngeren belagert. Ich habe schon fast eine Sozialphobie. Es soll sogar Dörflein-Puppen geben? Na super, die machen da draußen Voodoozauber mit ’ner Nadel und ich wundere mich, warum ich Rückenschmerzen habe.

Sie kennen jetzt viele Prominente …

Die Frau von Tom Cruise war da, wie heißt die gleich? Dann Sabine Christiansen, Udo Walz, und Babs Becker. Die sprach schlecht Deutsch und hat mir erzählt, sie ziehe ’orängetängs’ auf. Orang Utans, aha. Annie Leibovitz, die war nett, sehr natürlich. Für sie musste ich Knut im Arm halten, das gefiel ihm gar nicht. Er war noch klein, und hat mich ordentlich gebissen. Ich hatte die Klamotten von Leonardo DiCaprio an, auch einen Cashmere-Pullover, die Sachen konnte ich alle behalten. Dann hat sie hier am Tisch am Laptop das Foto reinmontiert für Vanity Fair. Auf dem Coverfoto mit DiCaprio und Knut – da ist der rechte Arm meiner.

Sammeln Sie Berichte über sich und Knut?

Nein. Interviews sind mir eher lästig (lächelt). Aber die Videos mit Knut, die gucke ich mir immer wieder gerne an. Man vergisst ja so viel.

Heben Sie etwas auf zur Erinnerung?

Die schönsten Fotos natürlich. An den Aufnahmen von uns kann ich mich dann später mal hochziehen, wenn ich alt bin: mann, was für ein stattlicher Typ… Wenn ich einen der Milchzähne finde, hebe ich den auch auf. Aber die sind ganz grau, so schön sind die nun auch nicht.

Was wünschen Sie Knut für die Zukunft?

Es gibt ja viele gute Zoos. Natürlich sollte da auch eine gleichaltrige Bärin leben. Besuchen werde ich ihn aber später nicht. Wenn er Witterung aufnimmt, würde er leiden. Das tue ich ihm und mir nicht an. Es ist auch irre, wofür er alles gut sein soll, was da für Illusionen um den Bären aufgebaut werden, etwa zum Klimaschutz.

Würden Sie wieder Bären-Papa werden?

Naja, Lars hat alle gedeckt. Aber ich bin im Moment schon ziemlich ausgebrannt. Ich würde es wieder machen, wenn ich hier eine eigene Wohnung bekäme. Aber so was wie mit Knut gibt es nicht nochmal.

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