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So arbeitet es sich heute bei Soundcloud

© Werner Huthmacher/ Promo

Architekturbüro Kinzo: Büro-Konzepte wie aus einem Science-Fiction-Film

Bürogestaltung ist für Architekten ein recht neues Metier. Das Architekturbüro Kinzo ist Pionier auf diesem Gebiet - und angefangen hat alles im Berliner Untergrund.

Die Räume des Architekturbüros Kinzo haben den Charme des Improvisierten: Unter den gut fünf Meter hohen Decken verlaufen sichtbar die Heizungsrohre, die Kaffeeküche befindet sich mitten im Raum neben einer zusammengezimmerten Sitzecke. Auf dem Flipchart im Besprechungsraum markieren bunte Klebezettel, mit welchen Projekten die rund 30 Mitarbeiter beschäftigt sind. Viele von ihnen befassen sich mit dem Um- oder Ausbau von Büros. Doch die Architekten Martin Jacobs, Chris Middleton und Karim El-Ishmawi samt Team richten auch Showrooms, Cafés und Hotels ein.

"Wir haben das Gefühl, dass in besonderen Räumen der Weg zu unkonventionellen Ideen kürzer ist", sagt Karim El-Ishmawi. "Unter hohen Decken wie diesen zum Beispiel haben die Gedanken gefühlt mehr Platz." Die Ansicht, dass sich die Arbeitsplatzgestaltung unmittelbar aufs Betriebsklima und die Leistungsbereitschaft auswirken, teilen die Architekten mit ihren Kunden. Oft steht zwar die Immobilie schon fest, in der ein neues Büro entstehen oder ein altes umgebaut werden soll, manchmal helfen die Architekten aber auch bei der Suche.

Raum für Treffen und für Kollaboration

So war es im Fall des neuen Berlin-Büros von Soundcloud, einem Online-Musikdienst. In einem Backsteinbau mit riesigen Fenstern nahe der Bernauer Straße gestaltete Kinzo ein Büro, das eher an eine große Wohngemeinschaft erinnert. Schreibtische zum konzentrierten Arbeiten wechseln sich ab mit Lümmelecken, die mit Sofas, Sesseln und einem Kamin ausgestattet sind. Sogar ein kurzes Schläfchen im "Nap Room" ist erlaubt. Es gibt Rückzugsorte für Besprechungen und Telefonate sowie eine Tischtennisplatte für ein kleines Match zwischendurch.

In den meisten Jobs bestehen etwa 54 Prozent unseres Arbeitsalltags aus fokussiertem Arbeiten. Der Rest ist Socialising, Meetings und Kollaborieren", sagt Karim El-Ishmawi. "Daher sollte ein Büro nicht zu hundert Prozent mit Stühlen und Schreibtischen zugestellt sein." Er vergleicht es mit einer Stadt, in der es ruhige und geschäftige Zonen gibt, oder mit einer Landschaft, die mal dichter und mal dünner besiedelt ist. Wenn die Teeküche aussieht wie der Coffee Shop an der Ecke, verlegt man gerne mal ein Meeting an die Theke. Schließlich wurden viele Start-ups oder Unternehmen der Digitalwirtschaft an öffentlichen Orten wie Cafés oder in Coworking Spaces gegründet, bevor sie in eigene Büros zogen.

Von Start-ups gelernt

Inzwischen interessieren sich nicht nur junge erfolgreiche Start-ups wie Etsy und Get Your Guide für die Bürowelten von Kinzo, sondern auch Großkonzerne: Adidas, Axel Springer und die Unternehmensberatung Roland Berger gehören zu den Auftraggebern von Martin Jacobs, Chris Middleton und Karim El-Ishmawi. Für den Mode-Versandhändler Zalando entwickelte Kinzo gerade in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Henn ein Konzept für die Inneneinrichtung des neuen Firmensitzes. Die Kunden wollen ihren Mitarbeitern etwas bieten und eine junge Zielgruppe akquirieren. Ihre Aufträge führen die Architekten aber auch ins Ausland, zum Beispiel nach Österreich, wo sie dem größten Finanzdienstleister der Landes, der "Erste Bank", zu einem neuen Bürokonzept für mehr als 5000 Mitarbeiter verhalfen.

Seine Stärke sieht das Kinzo-Team darin, Erkenntnisse aus kleinen in große Projekte zu übertragen. "Von Start-ups können wir viel darüber lernen, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussieht und wie wir diese Arbeitsprozesse in innovative Bürokonzepte übersetzen können", sagt Karim El-Ishmawi.

Früher mit kleinen Aufträgen durchgeschlagen

Weil Leben und Arbeiten in den von Kinzo gestalteten Büros so fließend ineinander übergehen, bilden diese Projekte auch eine Schnittstelle zu anderen Bereichen, zum Beispiel zu den SMARTments, einem Modulbaukasten für Mini-Apartments, den das Büro für den Bauträger GBI in Hamburg entwickelte. Auch die Grundrisse und die Ausstattung eines Frankfurter Wolkenkratzers, des Taunusturms, haben die Berliner Architekten geplant.

Dabei liegen die Wurzeln für ihre Zusammenarbeit eigentlich unter dem Berliner Alexanderplatz. Dort wummerten Anfang der Nuller-Jahre in einem Keller die Bässe des illegalen Kinzo-Clubs. Mit Cocktails und Partys finanzierten sich die drei angehenden Architekten ihr Studium an der Technischen Universität. Den Namen übernahmen sie von einem niederländischen Werkzeughersteller.

So lebendig das Berliner Nachtleben Ende der 1990er-Jahre war, so schlecht waren die Berufsaussichten für Architekten in der Hauptstadt. Vom Start-up-Hype war noch nichts zu spüren, große Firmen verharrten in den westdeutschen Ballungszentren. Die jungen Architekten schlugen sich mit kleinen Aufträgen von Freunden durch – ein Café, ein Süßigkeitenladen – und blieben Berlin auch nach dem Diplom treu.

Filme aus den 1960er- und 1970er-Jahren wie "James Bond" und "Star Wars" inspirieren ihr Design bis heute. "Die visionäre Denkart aus dieser Zeit haben wir Ende der 1990er- und Anfang der Nuller-Jahre vermisst und versucht, sie im kleinen Rahmen wieder aufzunehmen", sagt Chris Middleton. "Seitdem hat sich unsere Handschrift verfeinert, aber diesem Designanspruch sind wir treu geblieben." Er und seine Kollegen profitieren von der frühen Selbstständigkeit. "Uns hat keiner erzogen. Wir sind durch keine Schule gewandert und arbeiteten von vornherein stark selbstbestimmt mit autodidaktischen Zügen", sagt Karim El-Ishmawi. "Wenn man so unbedarft ist, ist man radikaler, als wenn man alle Eventualitäten kennt."

Das eigene Büro ist ein Labor

Bei der Planung ihrer Projekte ist es den dreien wichtig, von Anfang an mit den Angestellten zu sprechen, also mit den Menschen, die das Büro täglich nutzen werden. "In Workshops filtern wir Themen heraus, versuchen Prozesse zu isolieren, Arbeitsabläufe zu verbessern und statt einer Ellbogenmentalität ein Wir-Gefühl zu fördern", sagt Chris Middleton. Eine strategisch günstig positionierte Kaffeemaschine könne bereits für einen zufälligen Austausch unter Kollegen sorgen, die sich sonst nicht treffen würden, und so die Kommunikation verbessern.

Das viel gescholtene Großraumbüro, das die Architekten lieber als "Open Space" bezeichnen, habe den Vorteil, dass sich Teams flexibel zusammenfinden und Synergien bilden können. Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten oder ungestörte Besprechungen müssten trotzdem sein, ebenso wie eine gute Akustik.

Das Thema Bürogestaltung ist für Architekten ein recht neues Metier. Jahrzehntelang gab es das schlicht nicht. Stattdessen würfelten die Einkäufer der Unternehmen und ihre Lieferanten wahllos zusammen, was das Sortiment so hergab. Große Gestaltungsspielräume existierten nicht. Diese verkrusteten Strukturen versucht Kinzo aufzubrechen.

Ihre eigenen Räume an der Leipziger Straße dienen ihnen dabei oft als Labor. Eigene Möbel, von denen einige bereits in Serie gingen und Designpreise gewannen, fertigen sie in der hauseigenen Werkstatt an und probieren die Prototypen im Büroalltag aus. Und was sich bewährt, kommt dann beim Kunden zum Einsatz.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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