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Suzanna Kuhlemann

© Mike Wolff

Bademoden "1979": Jenseits vom Touri-Kitsch

Erst surfen, dann ab in den Laden in Downtown Honolulu zum Schneidern: So fing Suzanna Kuhlemann mit der Bademode an, damals noch auf Hawaii. Heute macht sie die in Berlin - und hier zeigt sich, wie kühn ihre Idee ist.

An regnerischen Tagen kommt einem das Geschäftsmodell von Suzanna Kuhlemann ziemlich kühn vor: Die 39-Jährige entwirft Badeanzüge und Bikinis – in einer Region, in der sie ihre Stücke nur vier Monate im Jahr verkaufen kann. "Wenn der Sommer besonders spät einsetzt, ist der Zeitraum sogar noch kleiner", sagt sie mit ihrer angenehm tiefen Stimme. Die ausgebildete Designerin muss ihren Job sehr lieben.

Mit den Bademoden hat sie allerdings auch in einer sonnigeren Gegend begonnen: auf Hawaii, wohin ein Teil ihrer Verwandtschaft ausgewandert ist. Sobald man das weiß, ist man davon überzeugt, dass Kuhlemann selbst Hawaiianerin sein muss – aber der Eindruck täuscht. Trotzdem haben sie "die bunten Muster jenseits vom Touristenkitsch" schon lange fasziniert. Ebenso wie der "ganze Lifestyle, die Offenheit, Internationalität und Gastfreundschaft".

Ihr Label heißt nach dem Geburtsjahr ihrer Schwester

2010 eröffnet sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein Atelier in "Downtown Honolulu". Morgens gehen die beiden surfen, danach wird geschneidert, die Schwester fertigt Taschen aus alten Schiffssegeln. Suzanna Kuhlemann breitet einige ihrer frühesten Stücke vor sich auf dem Tisch aus: ein Bikinioberteil und eine Hose, für die sie alte Hawaii-Hemden auseinandergeschnitten hat. Ihr Label heißt "1979", nach dem Geburtsjahr ihrer Schwester. Kuhlemann spricht den Namen Englisch aus. Eine Zahl sei "schön neutral" und gegebenenfalls auch für ein erweitertes Sortiment geeignet, "zum Beispiel für eine Interior-Linie".

So sieht sie aus, die "1979"-Mode
So sieht sie aus, die "1979"-Mode

© Stormy Solis/Promo

Vor vier Jahren ist die Designerin aus privaten Gründen nach Berlin zurückgekommen. Ihr kleines Ladenlokal in der Winsstraße in Prenzlauer Berg hat sie erst im April bezogen. Vor und hinter ihr hängen Bikinis und Badeanzüge, die an die 1940er und 1950er Jahre erinnern. An einige davon ist eine Art Röckchen angenäht, andere haben einen sehr tiefen Beinausschnitt. Es sind klassische Schönheiten, die der Trägerin mehr Stoff bieten als die meisten anderen Modelle, die gerade auf dem Markt sind. Viele Frauen, die zu ihr in den Laden kommen, hätten genau so etwas schon lange gesucht. Die Modelle gibt es in den Größen 34 bis 44, neben Läden in Berlin, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, Köln und Wien werden sie auch online verkauft: über Etsy.

Bloß kein Vintage

Als Vintage will Suzanna Kuhlemann ihre Mode nicht bezeichnen. Sie möchte nicht in einem alten Stil steckenbleiben. Ihr geht es darum, die modernen Komponenten herauszuarbeiten. Ihre Ausbildung hat Kuhlemann an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) gemacht, danach als Store Managerin für American Apparel gearbeitet – und dabei viel über das Geschäft mit der Mode gelernt. Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen sind für sie auch deshalb ein wichtiges Thema.

Ihre Stücke werden in Sachsen genäht, von einem Familienunternehmen, das sich auf Bademode spezialisiert hat. Zweimal im Jahr fährt Kuhlemann dorthin. "In Chemnitz fühle ich mich immer wie ein Kind im Süßwarenladen." An den Probestücken sieht sie sofort, wie die Entwürfe wirken und ob ihre Ideen umsetzbar sind.

Wenn die Modebranche ein reißender Strom ist, dann sitzt Suzanna Kuhlemann sozusagen auf einer einsamen Insel. Ins Hamsterrad der Fast Fashion, die kurze Produktionsrhythmen hat und oft alle zwei Monate neue Kollektionen auf den Markt wirft, ist sie gar nicht erst eingestiegen. Die Auflagen ihrer Badeanzüge und Bikinis liegen bei sechs bis 50. Was ausverkauft ist, wird nachproduziert. Diese kleinen Mengen halten den Kostenplan im Rahmen, verteuern allerdings die Stückkosten.

Ein ganzes Sortiment rund um Strand und Schwimmen soll kommen

Modelle, die gut laufen, entwickelt die Designerin weiter, hat dafür aber keinen regelmäßigen Rhythmus. Außerdem kümmert sie sich parallel auch um "alles andere", zum Beispiel um die Kalkulation, das Marketing, die Pressearbeit und die Buchhaltung. Auf der Fashion Week wird sie keinen Stand haben. Es werde für kleine Einzelhändler immer schwieriger, dort tatsächlich Geschäfte zu machen.

Kuhlemann ist auf der Suche: nach einem Geschäftspartner, vielleicht einem Betriebswirt, der ihr die unkreative Arbeit abnimmt, "damit ich wachsen und die Kollektion weiterentwickeln kann". Und es doch noch klappt mit dem Sortiment "rund um das Beach- und Schwimmthema", etwa Taschen und Strandtücher.

Auch einen Vertriebsagenten hätte sie gern, um ihre Produkte international zu vermarkten. Doch die Suche ist schwierig: "Bademoden sind ein sehr spezielles Produkt." Sie lächelt optimistisch. Auf eines freue sie sich besonders: Irgendwann mehr Zeit dafür zu haben, ihre neuen Modelle "Probe zu schwimmen".

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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