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Lernten sich an der Kunsthochschule Weißensee kennen: Rasa Weber (li.) und Essi Johanna Glomb

© Anna Rose

Berliner Designer: Die nächste Generation

Das Kreativ-Duo Blond & Bieber entwickelt nachhaltige Konzepte, erforscht Materialien und experimentiert mit Mikroalgen und anderen Naturstoffen.

Von Heike Gläser

Alles begann mit einem Missverständnis: Dass das Designstudio von Essi Johanna Glomb und Rasa Weber heute "Blond & Bieber" heißt, lag an den schlechten Ohren einer Fotografin. Die hatte die Namen des Duos nicht richtig verstanden und rief quer über den Flur der Kunsthochschule, dass nun irgendwelche Fotos für Blond und Bieber fertig seien, erinnert sich Glomb, die tatsächlich blond ist. "Wir fanden das witzig", sagt sie, "und da wir uns nicht immer ganz so ernst nehmen, fanden wir Blond & Bieber viel besser als Glomb & Weber."

Die beiden Gestalterinnen haben nicht nur einen ausgefallenen Namen für ihr Studio gefunden, sondern beschäftigen sich auch mit ausgefallenen Themen. Sie gehören einer neuen Generation von Designern an, die einen anderen Ansatz verfolgen. Sie arbeiten interdisziplinär, konzeptionell und experimentell. Beide haben an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert, Glomb Textil- und Flächendesign, Weber Produktdesign. In einem Studienprojekt der international renommierten Designerin Hella Jongerius, die zu dieser Zeit eine Gastprofessur in Weißensee innehatte, lernten sich die beiden Studentinnen kennen. Während Jongerius unter anderem ästhetische Farbforschung betreibt mit dem Ziel, aus den Ergebnissen Produkte zu fertigen, wollen Blond & Bieber den künstlerischen Ansatz beibehalten. Sie erforschen Materialien und gestalten neue Prozessketten, zum Beispiel bei ihren Arbeiten mit Mikroalgen.

Das Algen-Pigment hat ein Eigenleben

2013 kamen sie auf das Thema, als in der chinesischen Hafenstadt Qingdao und in den Berliner Seen fast zeitgleich eine Algenpest auftrat. Während die Chinesen mit Freude in der grünen Suppe badeten, weil sie von der heilenden Kraft der Algen überzeugt sind, gab es in Berlin Warnungen vor dem bakterienverseuchten Wasser. Algen wurden als abstoßende Wasserverschmutzung wahrgenommen. "Dass der Umgang mit Algen kulturell so unterschiedlich sein kann, hat uns interessiert", sagt Essi Glomb. Die beiden begannen sich intensiver mit Algen zu ­beschäftigen, suchten Rat beim Fraunhofer-Institut in Stuttgart, befragten Biologen und stießen schließlich auf Mikroalgen in Pulverform, die man als Farbpigmente nutzen kann. Neben dem ökologischen Aspekt bekam das nachwachsende Material plötzlich eine Bedeutungstiefe, denn durch die vielen natürlichen Farbtöne von Rot über Blau bis zu Grün fanden sie so einen Weg, "das Eklige in etwas Ästhetisches zu übersetzen". Ein Jahr lang experimentierten sie mit den Algen, färbten und bedruckten Baumwollstoffe, wuschen sie und hängten sie zum Trocknen in die Sonne – mit dem Ergebnis, dass die Textilien die Farbe wechselten. Zunächst ein Schock, denn Farbechtheit ist ein hoher Wert im Textildesign;  doch dann entdeckten Glomb und Weber das Potenzial: Sie erhoben kurzerhand den vermeintlichen Mangel zum Teil ihres Konzepts, denn die Farben verschwinden nicht durch Licht und Sauerstoff, sondern verändern sich – etwa von Grün zu Blau. Das Textil erzählt etwas über seinen Träger. "Wir nennen das Storytelling", erklärt Essi Glomb. "Wenn das Kleid nur nachts in Clubs getragen wird, sieht es anders aus als wenn sich die Trägerin vorwiegend im Sommer draußen aufhält."

"Algaemy": Modefarben der Zukunft im Reagenzglas
"Algaemy": Modefarben der Zukunft im Reagenzglas

© Blond & Biber/Promo

Das Pigment aus Algen ist ein Naturstoff, hat ein Eigenleben und reagiert auf die Art des Tragens. Bei der Entwicklung der Farben aus Algen entstanden Kooperationen beispielsweise mit der Schweizer Designerin Ylenia Gortana oder dem Berliner Schuhlabel Trippen. "Algaemy" nennt das Design-Duo dieses Projekt, eine Zusammensetzung aus den englischen Begriffen "Algae" und "Alchemy".

Der Mantel als Zuhause

Die Arbeitsweise der zwei Designerinnen bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Unternehmen, Designern und Forschungsinstituten. So auch bei einem anderen Projekt, das sich mit dem Thema Schlaf im öffentlichen Raum, dem hierzulande verpönten "Power-Nap" beschäftigt. Blond & Bieber entwickelten für "Sleep With Us" einen Schlaf-Rucksack aus reiner Wolle. Um sich mit dem Material auseinanderzusetzen, traf Essi Glomb in Norddeutschland einen Schäfer. Der berichtete, dass er auf den Kosten des Scherens sitzen bleibt, weil es keine Nachfrage für seine Wolle gibt, für Bekleidung sei sie zu rau. Blond & Bieber interessierten sich für die Naturfarben. Sie begleiteten das Scheren der Schafe mit der Kamera und sortierten die Schafswolle nach den verschiedenen Melierungen. Neben dem Material näherten sie sich dem Thema Schlaf auch inhaltlich, indem sie mit Schlafmedizinern an der Charité und Experten von der Schlafakademie in Berlin sprachen. Während ihrer Forschungen entdeckten sie darüber hinaus Hirtenmäntel, wie sie traditionell in Syrien, Rumänien oder auch in Anatolien gefertigt werden. Die Schäfer tragen diese Umhänge aus reiner Schafwolle und legen sich nachts damit zur Ruhe. "Ihr Mantel ist gleichzeitig ihr Zuhause", sagt Essi Glomb. Am Ende entwickelte das Duo  aus all diesen Erkenntnissen zeitgemäße Schlafrucksäcke für den Großstadtnomaden.

Schlafrucksäcke für den Großstadtnomaden
Schlafrucksäcke für den Großstadtnomaden

© Kiva/ Promo

Doch die Farbforschungen lassen die beiden Gestalterinnen nicht los. Im vergangenen Jahr haben sie an einem Modeprojekt des Goethe-Instituts in Los Angeles teilgenommen. Berliner Modedesigner haben dort einige Stücke aus ihren Kollektionen mit den Färbe- und Drucktechniken von Blond & Bieber präsentiert. Und auch aktuell arbeiten Glomb und Weber an einer neuen Naturfarbe: "Black Currant" ist ein Farbpigment, das aus der schwarzen Johannisbeere gewonnen wird – ein Abfallprodukt aus der britischen Saftindustrie. Gerade haben sie eine Firma gefunden, die aus den Schalen der Beeren das Farbpigment extrahieren kann.

In einem nächsten Schritt wollen sie die Naturfarben nicht nur im Textildesign einsetzen, sondern auch im Produktdesign. Und nicht nur das: Auch Anwendungen in der Kosmetik sind denkbar. Das untersuchen sie gerade.

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