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Thomas Keller, Geschäftsführer von "Lobetaler Bio"

© Thilo Rückeis

"Lobetaler Bio": Stresstest für den Joghurt

Lobetaler Bio-Joghurt ist sehr gefragt, so sehr, dass die Milch in Brandenburg knapp wird. Das war nicht immer so, im ersten Jahr verteilte die Stiftung Warentest ein "mangelhaft". Der Umsatz ging dramatisch zurück. Doch die Macher haben daraus gelernt - und auf die richtigen Partner gesetzt.

Die Milch für den Joghurt? Aus der Region. Die Fruchtzubereitungen? Werden keine 20 Kilometer entfernt gekocht. Der Becher? Braucht kein Aluminium und wird in Nordrhein-Westfalen hergestellt. Und die Mangos? Sind fair und biologisch bei einem indischen Bauernkollektiv im Westghatgebirge eingekauft. Wer einen Joghurt der Marke Lobetaler Bio kauft, erhält damit ein durchdachtes Produkt, dessen Entstehung sich weitgehend auch für den Verbraucher nachvollziehen lässt. "Wir wollen den Kunden zeigen, dass Produzieren und Verbrauchen in Kreisläufen stattfindet", sagt Thomas Keller, der Geschäftsführer der gemeinnützigen Hoffnungstaler Werkstätten, zu denen die Lobetaler Bio-Molkerei gehört.

Die Milch aus der Region wird knapp

Nordöstlich von Berlin führt der 51-Jährige ein riesiges Unternehmen, zu dem Baumschulen, Pflanzen- und Gartenbau, eine Objektreinigung und Wäscherei, Eventgastronomie und Industriefertigung gehören. Stolze 870 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen bieten die Werkstätten – intern werden sie Beschäftigte genannt. Weitere rund 150 Mitarbeiter ohne Behinderung arbeiten ebenfalls in dem sozialen Betrieb. In der Molkerei kommen 10 Mitarbeiter auf 25 Beschäftigte. Derzeit produzieren sie vor allem Joghurt – weil der so erfolgreich ist und weil es an Bio-Milch aus der Region mangelt.

Wer die Molkerei besucht, um sich die Produktion anzuschauen, wird zunächst einmal feststellen, dass er den Joghurt und die anderen Zutaten nur kurz zu Gesicht bekommt. Lediglich ganz am Ende bei der Abfüllung in die Becher kann man einen Blick auf den Strahl erhaschen, der aus der großen Maschine mit den vielen Tanks und Rohren fließt. Bei aller Transparenz hat diese Intransparenz natürlich einen handfesten Grund: Damit der Joghurt nicht durch Bakterien oder anderes verunreinigt wird, bleibt er in einem geschlossenen System. Auch die Fruchtzubereitungen kommen in Containern, die mit steriler Luft aufgefüllt und hermetisch abgeriegelt sind. Selbst die Mitarbeiter der Molkerei sehen die Zutaten nicht, bevor am Ende der fertig gemischte Joghurt im Becher landet.

Wechselvolle Geschichte in fünf Jahren

Gerade einmal fünf Jahre ist der Lobetaler Joghurt jung, doch er hat bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Frage, ob die Mitarbeiter die Fruchtzubereitungen sehen können, bevor sie verarbeitet werden, spielte darin ebenfalls einmal eine Rolle. "Wir hatten am Anfang auch einen sehr kleinen Lieferanten, der wirklich sehr gute Fruchtzubereitungen gemacht hat", erzählt Molkereimeister Michael Kuper. Mikrobiologisch habe der Lieferant jedoch Probleme gehabt. Inzwischen bezieht Lobetaler fast alle Zubereitungen – insgesamt rund 100 Tonnen – bei einem bio-zertifizierten Hersteller ganz in der Nähe. "Die Mitarbeiterin, die für die ganzen Rezepturen zuständig ist, wohnt hier in Biesenthal. Die nimmt morgens Naturjoghurt von uns mit und bringt nachmittags das fertige Produkt zum Testen mit", sagt Kuper.

Ein größerer Rückschlag ereilte die Bio-Molkerei unterdessen im Jahr eins nach Markteinführung. Die Stiftung Warentest bewertete den Erdbeerjoghurt des jungen Unternehmens mit "mangelhaft". Während die Verpackung und die Aromaqualität für "gut" befunden wurde, fiel das Urteil im sensorischen und mikrobiologischen Teil vernichtend aus. "Das hat uns tüchtig reingerissen, das konnte man richtig in der Umsatzkurve sehen", sagt Geschäftsführer Keller.

Die Molkerei zog damals alle Produkte zurück. "Wir haben dann gesagt, wir müssen jetzt erst mal den Fehler finden." Die anderen Betriebsteile mussten die zu wenig ausgelastete Milchverarbeitung mittragen. Nach wochenlanger Suche fand sich das Problem schließlich in der Fertigungsanlage. Es gab jemanden, der dafür verantwortlich war. "Der hat uns die Sache über die Gewährleistung wieder in Ordnung gebracht." Beide Seiten einigten sich außergerichtlich auf einen Vergleich. Blieb der Imageschaden. Heute sieht Keller es pragmatisch: "So etwas passiert, so etwas kommt vor im Leben. Manchmal ist es eben nicht fehlerfrei." Die Produktionsabläufe wurden seither angepasst. Der Joghurt durchläuft jetzt eine Art "Stresstest". So soll sichergestellt sein, dass das Bio-Produkt ohne Konservierungsstoffe vier Wochen haltbar bleibt.

Besonders in Berlin wird viel Lobetaler gekauft

Dass die Anforderungen im Lebensmittelhandel hoch seien, findet Keller gut. Er kann das mittlerweile auch entspannter tun, verkauft Lobetaler doch um die zwei Millionen Kilogramm Joghurt im Jahr. Gerade in Berlin ist die Marke breit vertreten, in allen Bioläden, in der Markthalle Neun, aber auch in den größeren konventionellen Supermärkten. Nur Discounter bedient Lobetaler nicht. Immerhin gut drei Viertel der nötigen Bio-Milch produzieren die Hoffnungstaler Werkstätten selbst mit eigenen Kühen. Was darüber hinaus gebraucht wird, muss eingekauft werden – und das ist nicht so einfach, wie es sich anhört, denn die Milch soll aus der Region kommen.

"Die letzten drei Monate - März, April, Mai - gab es fast keine Bio-Milch aus Brandenburg mehr", klagt Molkereimeister Kuper. "Der Topf ist leer. Der Rohstoff Bio-Milch ist schon knapp zurzeit." Die Käserei, die ebenfalls zu Lobetaler gehört und aus der schon einmal ein Camembert kam, bleibt derzeit ungenutzt. Sahne und Saure Sahne werden in kleinen Mengen hergestellt, genauso wie etwas Ayran. Die Molkerei ist laut Kuper der einzige Bio-Produzent für das Erfrischungsgetränk in Deutschland.

Immerhin ist für das Unternehmen etwas Entspannung auf dem Milchmarkt in Sicht: "Wir haben einen weiteren Landwirt gewonnen, der ab Ende des Jahres liefert und noch mal ein bisschen über eine halbe Million Liter Milch bringt." Dennoch sucht der Meister weiterhin nach Lieferanten. Die drei größeren märkischen Bio-Molkereien, neben Lobetaler noch die Gläserne in Münchehofe und die Brodowiner, kooperieren, wo es geht, und helfen sich auch mal mit dem Rohstoff aus. Man kennt sich und arbeitet ja auch irgendwie für die gleiche gute Sache. Der 47 Jahre alte Kuper selbst kam vom Ökodorf Brodowin, als er die Molkerei in Biesenthal aufbaute. Eine Möglichkeit, die sich nicht so oft im Leben bietet.

Die Marktlücke geschlossen

Aus Sicht der direkten Kunden schließt Lobetaler einen Teil einer Marktlücke. "Für mich ist es ein Paradebeispiel dafür, wo wir in Brandenburg hinkommen müssen, nämlich zur Verarbeitung", sagt Manuel Pundt, Vertriebsleiter beim großen Berliner Händler Bio Company. Es gebe zu wenig veredelte Produkte aus der Region, meint er (siehe auch nebenstehendes Interview). Die Bio Company stand denn auch von Anfang an fest an der Seite der jungen Molkerei. In den Regalen der Märkte haben die Lobetaler andere Bio-Joghurtsorten aus dem Süden Deutschlands zur Seite gedrängt.
Seit vergangenem Jahr ist die Molkerei in den schwarzen Zahlen. Der Umsatz liegt bei rund zwei Millionen Euro. "Wir fahren noch keine riesigen Gewinne ein", sagt Werkstätten-Chef Keller. Zumindest sei aber keine Quersubventionierung für die Molkerei mehr notwendig. Im Vergleich sei Lobetaler Bio zwar noch immer ein kleiner Betrieb, doch: "Qualität ist das Wichtige und nicht die Menge." Es gehe um Transparenz, Regionalität und Nachhaltigkeit. Keller selbst steht auch für dauerhaftes Engagement. 1989 kam er nach dem Studium zu den Werkstätten. Eigentlich wollte er nur ein Jahr bleiben, doch er ist immer noch da.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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