zum Hauptinhalt
Erleuchtet: Tom Duncan und Noel McCauley.

© Doris Spiekermann-Klaas

Made in Berlin: Lichtgestalten

Die britischen Architekten Tom Duncan und Noel McCauley leben und arbeiten seit 20 Jahren in Berlin. Mit spektakulären Ausstellungen wie der Amarna-Schau im Neuen Museum haben sie sich einen Namen gemacht.

Ein gelber Lichtkeil teilt den Raum diagonal, er reicht vom Boden bis zur Decke. Die sechs Scheinwerfer, die in dem stoffbespannten Keil stecken, strahlen ein ruhiges, warmes Licht aus – das Licht von Amarna. Wenn im Neuen Museum in der Ägyptischen Sammlung nicht viel Publikum unterwegs ist, vernimmt man fast unterschwellig eine mystisch raunende Musik. Die längs im Raum stehenden Vitrinen sind auf der einen Seite dunkelrot gehalten, auf der anderen weiß – Licht und Schatten. So inszenierte das Berliner Architekturbüro Duncan McCauley die Ausstellung „Im Licht von Amarna – 100 Jahre Fund der Nofretete“, Nofretete und ihre Zeit, die Epoche des Lichtgottes Aton. Licht ist das Wesen der Epoche Echnatons, doch Licht ist eigentlich nicht ausstellbar – aber Noel McCauley und Tom Duncan gelingt auch das scheinbar Unmögliche, sie sind geradezu darauf spezialisiert: Sie erzählen Geschichten mittels Raum, gestalten Ausstellungen ohne Objekte. Das Architektenbüro arbeitet auch für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen.

Ihre Ideen schmieden sie in einer Fabriketage in der Kreuzberger Adalbertstraße in einem hellen L-förmigen Büro, in dem neben einem Konferenztisch und einem Bücherregal zwei riesige Schreibtische stehen. An der Wand sieht es aus wie in einem Architekturmuseum, ein Modell steht neben oder über dem anderen. Im hinteren Teil des L tüfteln vier Mitarbeiterinnen zurzeit an verschiedenen Projekten.

Auch das Modell der Amarna-Ausstellung ist hier zu sehen, deutlich erkennbar der gelbe Keil, aber der Laie ahnt hier noch nicht dessen Wirkung. „Wir arbeiten gerne mit Modellen, die wir auch selber bauen, so kann man eine Ausstellung besser planen“, sagt Noel McCauley.

Architektur, Medien und Licht

Die "Einzigartigkeit des Ortes und die Neugier" haben ihn 1994 nach Berlin gelockt, erzählt er, "die Einzigartigkeit bleibt." Und Tom Duncan, der seit 1992 in der Stadt ist, fügt hinzu: "Damals lief man mit der Mappe durch die Stadt und hatte innerhalb kürzester Zeit einen Job."

2003 haben sie hier ihr Architektenbüro Duncan McCauley gegründet. „Unser Wunsch war ein Büro, das sich mit Architektur, Medien und Licht beschäftigt“, sagt Duncan, und McCauley ergänzt: „Wir haben bei unserer Arbeit für die Expo in Hannover erfahren, dass man eine Geschichte mit dem Raum erzählen kann. Darum ging es.“ Das Schlagwort lautet „narrative space“ und stammt aus der Filmtheorie: Der Raum ist der Träger einer Handlung. „Architektur kann eine erzählerische Qualität haben, und das kann man mit Film und Medien vermitteln, es funktioniert besonders im Museumskontext“, sagt Noel McCauley, der als Architekt aus der Museumsgestaltung kommt, während Tom Duncan mit seinem Hintergrund als Artdirector in Babelsberg eher filmisch denkt. „Die Expo war vielleicht die Keimzelle unserer Arbeit, hinzu kommt, dass sich auch die Erwartungshaltung an die Museen in den letzten zehn bis 15 Jahren verändert hat und die Museumsdirektoren auch jünger sind. Man kann jetzt etwas ohne Original erzählen“, sagt McCauley. „Es gibt einfach Themen, wo es nur wenige Originalobjekte gibt, und gerade in dem Bereich haben wir sehr viel gemacht, im In- und Ausland.“

Für die damalige IBA-Ausstellung „Bewegtes Land“ in der Lausitz gab der Direktor dem Architekten-Duo große Freiheiten. In einem Gebäude am Braunkohletagebau in Großreschen haben sie nicht nur Objekte gezeigt, sondern auch filmische Erzählungen präsentiert.

Auch für den Entwurf eines neuen Museums und eine Ausstellung für die Ziegelei Mildenberg waren sie verantwortlich. Da sie nichts verändern durften, behalfen sie sich mit Projektionen. „Die Hauptobjekte waren die Maschinen und das Gebäude, Zeitzeugeninterviews auf Bildschirmen wurden zu Objekten der Ausstellung, die Räumlichkeiten wurden durch Maschinengeräusche aktiviert“, sagt Tom Duncan. Und im Fürst-Pückler-Museum arrangierten sie die Person und den Garten ohne Objekte: Zwei Jahre lang drehten sie Filme und machten Fotos zu Pückler und seiner Gartenkunst, die auf vielen großen Leinwänden in der Ausstellung gezeigt wurden.

„Diese drei Projekte haben uns das Fundament gegeben“, sagt McCauley, „eine Ausstellung wie ‚Im Licht von Amarna’ war für uns ein Höhepunkt.“ Die beiden Architekten versuchen mit ihren Arbeiten die Menschen zu berühren, Hemmschwellen zu senken und ein sinnliches Erlebnis zu schaffen, das die Botschaft der Ausstellung unterstützt.

Spiel mit Licht und Schatten

Für Amarna sind sie mit Friederike Seyfried, der Direktorin des Ägyptischen Museums, nach Tell-el-Amarna zu Grabungsleiter Barry Kemp gereist, der dort seit 30 Jahren tätig ist. Ähnlich wie in der Lausitz mussten sie die Aura des authentischen Ortes spüren, um Ideen für ihre Umsetzung zu bekommen. Und dass es das Licht sein wird, war spätestens nach dem Besuch in der Gluthitze Ägyptens deutlich.

„Bei einer Ausstellung muss man so nah wie möglich an den Inhalt herankommen. Amarna ist heute leer, aber Barry Kemp erzählt so leidenschaftlich, dass man die Stadt förmlich sieht“, sagt Tom Duncan. „So wird der Grabungsleiter zum ‚Augenzeugen‘ von Amarna, und so haben wir ihn mit einem Film in die Ausstellung eingebaut.“ Auch die Vitrinen spielen mit dem Licht. In jeder einzelnen Vitrine spiegelt sich der gelbe Keil – Duncan und McCauley haben den Nachteil der Spiegelung als gestalterisches Element genutzt. So entsteht das Spiel mit Licht und Schatten. Der Besucher hat zwar darüber kein Wissen, aber er spürt die Wirkung intuitiv.

Man vermutet hinter all diesen vielfältigen Aktivitäten ein großes Team. Doch neben den beiden Ausstellungsmachern, die den Ehrgeiz und die Lust haben, vieles selbst umzusetzen, gehören gerade mal sechs Mitarbeiter dazu. Vier sitzen an ihren PCs an unterschiedlichen Projekten. Diese spiegeln die Bandbreite des Büros, das in den vergangenen Jahren viel in Großbritannien gearbeitet hat. „Die Briten sind den Deutschen damit voraus, aber mittlerweile schätzt man die Qualität der deutschen Umsetzung“, sagt Tom Duncan mit süffisantem Lächeln.

Evelina aus Schweden schiebt gerade am Bildschirm Objekte in Vitrinen hin und her, sie gestaltet die Ausstellung „Glorious Georges“ in Hampton Court Palace bei London zu Ehren der Hannoveraner, die vor 300 Jahren den britischen Thron bestiegen. Christina aus Spanien recherchiert Bildmaterial für eine Bewerbung um die Gestaltung der Sherlock Holmes-Ausstellung im Museum of London, während Verena sich gerade Gedanken darüber macht, wie man den Raum im Deutschen Filmmuseum Frankfurt aufteilt. Dort wird im Juni die Ausstellung „Bewusste Halluzinationen. Der filmische Surrealismus“ eröffnet. An einem ganz anderen Projekt sitzt Anna. Sie feilt gerade am Abschlussbericht des Masterplans zur Inszenierung der Industriegeschichte von Schöneweide. „Auch das ist Umgang mit Raum, die Menschen sollen sich hier wohl fühlen“, sagt Noel McCauley.

Ein anderes bedeutendes Projekt liegt gut vorbereitet auf Halde: die Ausstellung im Verbindungsgang von der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel zur Archäologischen Promenade. „Wir sind mit unserer Planung fertig, wir warten jetzt nur noch auf das fertige Gebäude“, sagt McCauley.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false