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Wolfgang Schmidt von Wörlitz Tourist

© Promo

Reisebüros: Beratung ist wieder in

Trotz Internet erleben die Reisebüros gerade eine Renaissance. Und in Berlin ist der Zuwachs besonders ausgeprägt. Das liegt vor allem daran, dass die Unternehmen hier Neues ausprobieren und das lockt offenbar erfolgreich Kunden in die Filialen.

Der letzte Herbst war für Wolfgang Schmidt turbulent. Nur vier Wochen lagen zwischen der Eröffnung des Reisebüros in der Mall of Berlin am Leipziger Platz und jenem in der Bölschestraße in Friedrichshagen. Doch Schmidt, seit 30 Jahren in der Branche und seit zwölf Jahren verantwortlich für die Reisebüro-Sparte des Berliner Reiseveranstalters Wörlitz Tourist, bringt so etwas nicht aus der Ruhe. Im Gegenteil, er freut sich über den kräftigen Zuwachs: Zwei neue Reisebüros in einem Jahr – das ist auch für ein Unternehmen mit nun 16 Standorten im Großraum Berlin eine Erfolgsmeldung.

Mehr stationäre Reisebüros – damit liegt Wörlitz im Trend. 2014 ist die Zahl der Reisebüros erstmals seit zehn Jahren wieder gestiegen. Deutschlandweit sind 100 stationäre Büros hinzugekommen, das ergibt ein Plus von einem Prozent auf insgesamt 9829. Für Berlin fällt der Zuwachs mit 2,5 Prozent – von 402 im Jahr 2013 auf 413 im vergangenen Jahr – noch deutlicher aus. Damit konnte Berlin auch seine Vorreiterposition sichern. Mit 12,1 Reisebüros pro 100.000 Einwohner ist Berlin die Stadt mit der höchsten Reisebürodichte.

Deutliche Abschwächung des Online-Geschäftes

Der Deutsche Reiseverband DRV will angesichts der Entwicklung zwar noch nicht von einer Trendwende sprechen. Ob es in diesem Jahr weiter bergauf gehe, könne man derzeit noch nicht einschätzen, sagt DRV-Pressesprecher Torsten Schäfer. Fakt ist aber, dass die stationären Reisebüros gegenüber der Online-Konkurrenz nach und nach Boden gutmachen. Das zeigt sich auch beim Umsatzwachstum, das sowohl bei den stationären Agenturen als auch bei den Online-Büros rund 1,5 Prozent betrug. Für die Onliner bedeutet das aber eine deutliche Abschwächung der Dynamik. 2013 konnten die Internet-Reisevermittler noch im oberen zweistelligen Bereich zulegen.

"Die Leute legen wieder mehr Wert auf Beratung", erklärt Schmidt die Renaissance der Reisebüros. Viele Kunden seien zwischenzeitlich ins Internet abgewandert, hätten aber mit der Zeit gemerkt, dass es nervtötend sei, "eine Stunde vorm Rechner zu sitzen" – und seien deshalb zurückgekehrt. Zurück ins Reisebüro, wo erfahrene Mitarbeiter Empfehlungen aussprechen und Tipps geben, die man im Netz nicht erhält. Im Reisebüro können die Kunden außerdem entspannt im Katalog blättern, oft gibt es einen Kaffee dazu.

Reisebüros müssen mit der Zeit gehen

Dass die Reisebüros wieder im Aufwind sind, liegt auch daran, dass diese in den vergangenen Jahren medial und architektonisch aufgerüstet haben. Moderne Reisebüros sind heute Wohlfühloasen, hell, geräumig, schick möbliert. Exemplarisch für die neue Generation der Reisebüros steht der Flagshipstore der TUI in der Markgrafenstraße: In der "World of TUI" hat der Konzern ein "Lounge-Konzept mit digitaler Technik und innovativer Raumgestaltung" umgesetzt: Auf einer großen LED-Wand laufen Giraffen und Elefanten durchs Bild, an einem interaktiven Verkaufstisch können sich Kunden durch die Karibik klicken, auf iPads spazieren sie virtuell durch den neuesten Robinson Club. "Das Reiseerlebnis soll bereits im Reisebüro beginnen", erklärt eine TUI-Sprecherin den Ansatz – der künftig noch stärker verfolgt werden soll.

Aus diesem Grund hat das Unternehmen Ende letzten Jahres in Stuttgart seinen ersten Konzept-Store eröffnet, im Laufe der nächsten Jahre sollen alle 450 Filialen nach diesem Vorbild umgestaltet werden. Das Ziel: noch mehr "Inspiration und Emotionen", aber auch die stärkere Verzahnung von Online und Offline. Denn trotz der Rückbesinnung auf die stationären Reisebüros: Mit einem Drittel des Gesamtumsatzes ist Online kein Randphänomen – und auch nicht dem Niedergang geweiht. Reisebüros, die mit der Zeit gehen, jammern nicht darüber. Sie integrieren die neuen Medien ins Büro.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

Sabine Hölper

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