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Kribbelndes Gefühl: Kerzen auf der Mauer

Tagesspiegel-Leserin Roswitha Röhricht konnte am Abend des 9. November ihre Freunde überzeugen, mit ihr zur Mauer zu fahren. Dort stellte sie dann Kerzen auf.

Kerzen auf der Mauer, von mir dort aufgestellt,. Noch heute fühle ich das kribbelnde Gefühl in Kopf und Beinen, als ich,  hochgehoben von Freunden, diese Lichter aufgestellt habe. Meine Gedanken und meine Äußerung "Vorsichtig, nicht dass „die“ (Grenzsoldaten der DDR)  mir in den Kopf schießen".

Und so kam es dazu, auf der Fahrt von einem Arztbesuch bei dem Sportarzt Dr. Heepe, damals der führende Betreuer der Marathonläufer, zu einem Sportlertreff von Läufern einer Gruppe, genannt  B1, hörte ich im Autoradio Günther Schabowskis Worte: „Jedem Bürger der DDR wird es möglich gemacht, über alle Grenzen auszureisen….., das tritt in  - nach meiner Meinung – sofort … unverzüglich in Kraft." Am Treffpunkt eingetroffen, die Sportfreunde saßen bei Tisch, einer von ihnen, der leider viel zu früh verstorbene Horst Breuer hatte Geburtstag und es fand eine Feier statt, in die ich nun mit meiner Mitteilung platzte: Die Mauer wird aufgemacht. Das wollte mir keiner glauben,  aber ich, immer politisch orientiert und interessiert, habe es geschafft drei der Sportkameraden zu überreden, mit mir zum Brandenburger Tor zu fahren. Also Kerzen eingepackt und los ging es. Dort  angekommen waren wir ganz unter uns, ich wurde hochgehoben und habe die brennenden Kerzen aufgestellt ,und es wurden Fotos gemacht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde ein großer Scheinwerfer aufgebaut, heute weiß ich, es war Tom Brokow von der NBC, der uns dann befragt hat, was wir da machen, warum wir denn hier wären und ich ihm geantwortet habe, dass ich  Herrn Schabowski gehört habe und glaube, dass die Mauer geöffnet wird.

Langsam entstand ein Grummeln und Brodeln, es kamen mehr Autos und Menschen, man konnte es deutlich hören, auch auf der anderen Seite der Mauer. Dann wollten meine Freunde zurück zu ihren Frauen, um in dieser Stunde auch bei ihnen zu sein. Aber ich danke Reinhold Krutz, Michael Szekerez und Dieter Vetter, dass sie mich begleitet haben und ich mit Ihnen dieses einmalige, unvergessliche Erlebnis haben konnte.

Danke auch an alle mutigen Bürger in Leipzig und Dresden, die den Boden bereitet haben, mit ihrem Mut und Einsatz für eine andere Zeit. Mein Wunsch ist, dass wir Menschen uns die Erinnerung an glückliche Stunden bewahren und öfter wieder hervorrufen !

Roswitha Röhricht

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