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Kandidatenkür der Demokraten im US-Wahlkampf: Duell mit getauschten Rollen

Letzte Debatte der Demokraten: Bernie Sanders agiert offensiv, Hillary Clinton staatsmännisch und dank Townhall-Format zeigt Martin O'Malley Stärken

Es war die letzte Chance vor Beginn der Vorwahlen in Iowa. Alle drei Präsidentschaftskandidaten der Demokraten nutzten sie mit energiegeladenen Auftritten, freilich jeder auf seine Weise und zum Teil mit vertauschte Rollen im Vergleich zur TV-Debatte vor einer Woche in South Carolina. Diesmal war Bernie Sanders der Offensivere, Hillary Clinton gab sich staatsmännisch versöhnlich. Erstmals gelang es dem dritten Bewerber, Maryland-Gouverneur Martin O’Malley, aus dem Schatten der beiden Führenden zu treten und zu zeigen, dass auch er eine durchaus ernstzunehmende Alternative wäre.

Das verdankte sich dem Townhall-Format: Die drei Kandidaten standen nicht gleichzeitig auf der Bühne und diskutierten untereinander. Sondern sie bekamen nacheinander je 40 Minuten, um Fragen aus dem Publikum zu beantworten, wie bei einer Bürgerversammlung im Rathaus. Das zwang sie, sich den Fragestellern zuzuwenden und sich individuell auf deren Sorgen einzulassen:  die Klage eines kleinen Gewerbetreibenden über die hohen Sozialkosten für seine Angestellten, die Frage nach besserer Veteranenversorgung der Kriegsheimkehrer, der Wunsch nach mehr Gleichberechtigung für Homosexuelle.

Muslima mit Kopftuch und US-Soldatin

Gegen Ende war plötzlich Ergriffenheit im Raum zu spüren, als eine Frau mit schwarzem Kopftuch das Mikrofon bekam und sich als „amerikanische Muslima“ und US-Soldatin vorstellte. Angesichts der „sich ausbreitenden Islamophobie“ frage sie sich: „Ist Amerika der richtige Platz, um meine drei Kinder groß zu ziehen?“ - „Erstmal möchte ich ihnen für den Dienst für unser Land danken“, wandte Hillary Clinton sich ihr unter lautem Beifall zu. Und zog über die „spaltenden Aussagen“ des Republikaners Donald Trump her, der Muslimen die Einreise verweigern wolle.

Die inhaltlichen Botschaften änderten sich durch das neue Format natürlich nicht. Bernie Sanders, der den Auftakt machte, erneuerte den Vorwurf, dass Clinton bei zentralen politischen Entscheidungen immer wieder falsch gelegen habe.  Er, Sanders, habe das verlässlichere Urteilsvermögen. „Sie hat für den Irakkrieg gestimmt, ich war von Anfang an dagegen.“ Ähnlich bei der Keystone-Pipeline von Kanada nach Texas, die die Umwelt belaste, bei der schärferen Regulierung der Wall Street und beim Transpazifischen Handelsabkommen, das Jobs in den USA kosten werde. Bei allen diesen Projekten habe er von Beginn an klare Positionen vertreten, Hillary habe gezögert und „sehr lange gebraucht, um zu der richtigen Position zu finden“.

Martin O’Malley punktete mit Leutseligkeit und Faktensicherheit. Noch während CNN-Moderator Chris Cuomo ihn auf die Bühne bat, zog er das Jacket aus, krempelte die Ärmel hoch und ging auf das Publikum zu, statt sich auf den angebotenen Stuhl zu setzen. „Das Gespräch mit den Bürgern von Iowa ist viel zu spannend, als dass ich dabei sitzen könnte.“ Das brachte ihm freundlichen Applaus ein. Ob Steuern, ob Veteranen, Studienbedingungen oder die Lage sexueller Minderheiten: O’Malley bewies, dass ein Gouverneur – vergleichbar dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes – sich in den Details auskennt. Die Frage ist nur, ob ihm das in den verbleibenden sechs Tagen bis zur ersten Vorwahl aus dem Umfragekeller heraus hilft.

Hillary mal entspannt, mal aggressiv

Hillary Clinton gab sich entspannt und souverän – also ganz anders als bei ihren Wahlkampfauftritten in diesen Tagen. Dort reagiert sie mit scharfen Attacken auf Bernie Sanders Aufstieg in den Umfragen. Zudem lässt sie „Negative Ads“, Werbespots mit aggressiven Vorwürfen gegen ihn, in Radio und Fernsehen schalten. Hier im Townhall-Format schlug sie jedoch versöhnliche Töne an, lobte die Eignung des Konkurrenten, gab allerdings zu bedenken, dass „ich mich für die noch bessere Kandidatin halte“. Zu Sanders Kritik an ihrer Urteilskraft sagte sie nur, sie sei schon sehr lange in der Politik. Man dürfe „meine Bilanz nicht auf eine einzige Abstimmung reduzieren“. Ihr Votum für den Irakkrieg habe sie längst einen Fehler genannt. Auf seine anderen Beispiele ging sie nicht ein. „Ich habe mein gutes Urteilsvermögen oft bewiesen“, beharrte sie. „Präsident Obama hat mich zur Außenministerin berufen.“

Überhaupt bemühten sich beide, sich als Erben des amtierenden Präsidenten darzustellen. Das ist ein scharfer Kontrast zum Wahlkampf 2008, als sich kein republikanischer Kandidat mit dem damaligen Amtsinhaber Bush in Verbindung bringen lassen wollte. Obama hat großen Rückhalt unter demokratischen Wählern, die Nähe zu ihm gilt als Vorteil.

Alle suchen Obamas Nähe

Wenn Clinton Sanders als einen politischen Träumer hinstellt, der Versprechen mache, die er nicht einlösen könne,  reklamiert der, er verkörpere heute den Idealismus und die Begeisterungsfähigkeit des Wahlkämpfers Obama von 2008. Wenn umgekehrt Sanders andeutet, Clinton fehle ein visionäres Ziel und sie begnüge sich mit dem Status-quo, kontert sie, dass sie mit ihrem Blick für das real Erreichbare am besten geeignet sei, das Erbe Obamas gegen die Republikaner zu verteidigen.

Und dann war da noch die verfängliche Frage, wen sie für den besten Präsidenten in der Geschichte der USA halte. Sie wand sich, suchte nach einer diplomatischen Antwort, während der Moderator ihr mehrfach abforderte: „Nur ein Name, bitte!“ Und sagte unter glucksendem Lachen im Publikum: „Sorry Barack, sorry Bill – ich wähle Abraham Lincoln.“ Denn der habe mit dem herausziehenden Bürgerkrieg die schwierigste Herausforderung meistern müssen.

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