zum Hauptinhalt
Mesut Özil war von den Franzosen, hier Mamadou Sakho, kaum vom Ball zu trennen und wurde hinterher von Frankreichs Trainer Deschamps als Mann des Spiels gelobt.

© dpa

Deutsche Nationalelf: Ein Länderspiel mit Tempo und Charme

Der Länderspielauftritt der deutschen Fußballnationalmannschaft am Mittwochabend in Paris gegen Frankreich erinnert wieder an den erfrischenden Tempofußball der WM 2010.

Dass Joachim Löw schimpfte und haderte und schließlich in wütender Wallung im Stade de France Richtung Kabine lief, war die zweite große Botschaft dieser Nacht von Paris. Sie wirkte vor allem nach innen und zeigte, wie wackelig die erste Botschaft war: dass nämlich die deutsche Nationalelf zum ersten Mal seit mehr als 25 Jahren gegen Frankreich gewonnen hatte. Das wäre um ein Haar schief gegangen.

„In den letzten zwei, drei Minuten waren wir unverständlicherweise wieder sehr offen“, sagte Löw hinterher. Da habe die Organisation und Ordnung seiner Mannschaft für Minuten nicht mehr gestimmt – „völlig unnötig“ nach dem Spielverlauf, wie er fand. Man müsse glücklich sein, dass seine Mannschaft im Schlussakt kein zweites Gegentor der Franzosen bekommen habe, das „die Mannschaft dann um ihren Lohn gebracht“ hätte.

Die Erinnerung an die enttäuschende Nacht von Warschau mit dem EM-Aus gegen Italien ist noch nicht verblasst, ebenso wenig die Nacht von Berlin und dem finsteren 4:4 gegen Schweden. So ist auch Löws Wut zu erklären. Doch die Nacht von Paris lässt den deutschen Fußball nun wieder etwas heller erscheinen.

Tatsächlich war der Auftritt der deutschen Elf ein Abbild dessen, was sie in den vergangenen zwei Jahren leisten konnte. Sie hatte verführerische Qualitäten in der Offensive geboten, wie den Pass von Mesut Özil auf Sami Khedira vor dessen 2:1. Es war ein Pass aus dem Fußgelenk, unerkennbar für den Gegner und von traumwandlerischem Timing, genau in die Schnittstelle der Abwehr und den Lauf des Mitspielers. Selbst Frankreichs Trainer Didier Deschamps, WM-Kapitän von 1998, sprach hinterher von einem „fantastischen Spieler“. Dieser Özil habe für ihn den Unterschied ausgemacht. „Es ist sehr schwer, ihm den Ball wegzunehmen.“

Bisweilen erinnerten die Tempogegenstöße der deutschen Elf an den überschwänglichen Fußball, mit dem sie in der K.-o.-Runde bei der WM 2010 erst England und dann Argentinien vom Feld gefegt hatte. „Wir hatten insgesamt wieder eine bessere Organisation“, sagte Löw. Die sei schlicht die Grundvoraussetzung für ein schnelles Umschaltspiel. Aber genau das gehöre heute zum Repertoire einer Spitzenmannschaft. Doch vergessen sollte man nicht, dass die Franzosen mit ihrer bisweilen offensiv-naiven Spielweise solche Tempogegenstöße auch ermöglichten. Bei einem großen Turnier wird vermutlich keine Mannschaft derart selbstzerstörerisch drauflosrennen, wie es die Franzosen in diesem Testspiel taten.

Jedes Spiel gegen starke Gegner bringt die Mannschaft weiter

„Wir wissen, wie wir unsere Leistung zu sehen haben. Wir sehen sie sehr realistisch“, sagte Ilkay Gündogan. Der junge Dortmunder hatte die Position des verletzten Bastian Schweinsteiger im defensiven zentralen Mittelfeld neben Khedira eingenommen. Gündogan sei ein Spielertyp, der „nach vorn“ attackiere, wie Löw es gern hat. Durch eine energische Balleroberung hatte Gündogan den Ausgleich durch Thomas Müller eingeleitet.

„Die Leute da draußen können beruhigt sein“, sagte Müller kess auf dem Weg in den Mannschaftsbus, beim DFB sei nicht alles schlecht. Soll heißen: Die Kritik des vergangenen halben Jahres sei angekommen, aber nicht jede sei berechtigt gewesen. „Das war heute ein Ausrufezeichen“, sagte Müller, aber auch der Erfolg sei bitteschön richtig einzuordnen. Denn: „Wir haben heute keinen Titel gewonnen“.

Jedes Spiel bringe die Mannschaft weiter, sagte Löw. Vor allem gegen ernsthafte Gegner. Denn nur solche Spiele würden auch die Problemfelder dieser begabten, aber nicht so gefestigten deutschen Mannschaft aufzeigen. Und so verstanden es die Franzosen immer wieder, mit zwei, drei schnellen Bällen die Abwehr um Kapitän Philipp Lahm in Bedrängnis zu bringen. Gleichwohl brach sie unter Druck nicht mehr ein wie noch gegen Italien und vor allem gegen Schweden. Wenn Löw mit Blick auf die WM 2014 ein titelreifes Team entwickeln will, muss er Probleme in der Defensive schnell lösen, und insbesondere die Besetzung der beiden Außenbahnen.

Bei allen wiedererweckten Qualitäten und einigen noch abstellbaren Unzulänglichkeiten stützt der 2:1-Sieg gegen Frankreich das eigene Selbstverständnis. Die deutsche Mannschaft hat sich berappelt. Sie ist wieder in der Lage, große Fußballnationen zu schlagen. Mehr konnte man von dieser Nacht in Paris zu diesem Zeitpunkt nicht erwarten. Wie sagte zum Schluss doch Mats Hummels: Der Sieg sei vielleicht nicht unbedingt als historisch zu werten, „aber er war enorm wichtig“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false