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Duell mit dem Angstgegner: Deutschlands Kapitän Philipp Lahm (rechts) gegen Italiens Stürmer Mario Balotelli.

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Update

Länderspiel in Mailand: Deutschland spielt 1:1 gegen Italien

Trotz der 1:0-Führung verpasst Deutschland den ersten Sieg gegen Italien seit 1995. Joachim Löw experimentierte viel in seinem 100. Länderspiel als Bundestrainer, aber ohne großen Erfolg.

Joseph Haydn wurde gnadenlos ausgepfiffen, wie immer eigentlich, wenn Deutschland und Italien ein Fußball-Länderspiel bestreiten. Doch diesmal wehrten sich die Nationalspieler – die italienischen. Sie fingen an zu applaudieren und klatschten die Pfiffe ihrer Landsleute gegen die deutsche Nationalhymne einfach nieder. Auf den Rängen des Mailänder San-Siro-Stadions schlossen sich immer mehr Zuschauer an, und am Ende übertönte der Beifall die Pfiffe. Es war eine beeindruckende Aktion der italienischen Spieler und der Beginn eines über weite Strecken unterhaltsamen Abends, an dessen Ende ein 1:1 (1:1) stand. Nach einer eher bescheidenen zweiten Halbzeit konnten die Deutschen mit dem Resultat durchaus zufrieden sein.

„Ich bin schon zufrieden. Wir haben eine sehr gute kämpferische Leistung abgerufen“, bilanzierte Joachim Löw sein 100. Länderspiel als Bundestrainer. Philipp Lahm trauerte gar einem vergebenen Sieg nach. „Das Spiel hätten wir hier heute locker gewinnen können“, sagte der Kapitän mit Blick auf gleich drei deutsche Treffer an Pfosten und Latte. „Ich wollte das Spiel eigentlich gerne gewinnen. Bei einem 1:1, da weiß man nicht, wie man dran ist“, sagte Thomas Müller.

Joachim Löw hatte die Squadra Azzurra vor dem Spiel als seinen Wunschgegner bezeichnet – weil er wusste, dass die ausgebufften Italiener seiner Mannschaft vor allem taktisch einiges abverlangen würden. Der Bundestrainer reagierte auf die besondere Herausforderung mit einer überraschenden Aufstellung. Philipp Lahm rückte ins defensive Mittelfeld und ersetzte wie auch bei den Bayern den verletzten Bastian Schweinsteiger. Lahms Platz rechts in der Viererkette nahm Benedikt Höwedes ein, Mario Götze besetzte, mangels gelernter Stürmer, als falscher Neuner die Planstelle im Angriff.

Selten war die deutsche Mannschaft so flexibel

So weit die Theorie, in der Praxis erwiesen sich die Positionen allenfalls als vage Vorgaben. So flexibel wie in San Siro hat man die deutsche Mannschaft selten erlebt. Da fand sich Sami Khedira plötzlich als Rechtsaußen wieder, Toni Kroos als falsche Neun und Götze im defensiven Mittelfeld. Allerdings kreiselte sich die Mannschaft in der ersten Halbzeit ein wenig zu ziellos über das Feld. Ihr fehlte der Drang in die Tiefe, auch weil Mario Götze in seiner Rolle als verkappter Stürmer seltsam unbeteiligt blieb. In Mailand spielten die Deutschen erstmals in ihren neuen weißen Trikots, die die Leichtigkeit ihres Spiels symbolisieren sollen. Die Führung für die Gäste fiel dann allerdings auf urdeutsche Art: Nach einer Ecke von Toni Kroos wuchtete Mats Hummels den Ball per Kopf an den Innenpfosten. Von dort trudelte er über die Linie. Bis dahin hatten die Italiener, angeleitet vom immer noch formidablen Andrea Pirlo, deutlich gefährlicher gewirkt. Das Spiel des inzwischen 34-Jährigen kennt keine Fehler, die Präzision seiner Pässe ist phänomenal, seine Ballsicherheit genauso. Beim Versuch, Pirlo zu stoppen, verletzte sich Khedira Mitte der zweiten Hälfte so schwer, dass er ausgewechselt werden musste.  

Vor allem Hummels unterliefen einige Fehler

Nicht nur Pirlo, auch Mario Balotelli hatte gestern Abend einen Ruf zu verteidigen: den des staatlich geprüften Deutschland-Schrecks. Schon nach 40 Sekunden kam er erstmals zum Abschluss, nachdem er, aus dem Mittelfeld startend, drei Deutschen davongezogen war. Die Innenverteidiger Jerome Boateng und Mats Hummels hatten einige Schwierigkeiten mit dem Stürmer der Italiener; vor allem Hummels unterliefen einige Fehler. Sein missglückter Klärungsversuch an der eigenen Eckfahne stand am Anfang des italienischen Ausgleichstreffers. Ignazio Abate vom AC Mailand fing den Ball ab, spielte sich mit einem Doppelpass mit Leonardo Bonucci im deutschen Strafraum frei und schloss den Angriff mit einem präzisen Schuss ins lange Eck ab.

Zu diesem Zeitpunkt hätten die Deutschen allerdings auch schon 2:0 führen können: Ein Distanzschuss von Sami Khedira war am Pfosten des italienischen gelandet. Nach dem Ausgleich traf André Schürrle aus gut 25 Metern mit einem Heber über Gianluigi Buffon die Latte. Das Spiel hatte ein gutes Tempo, beide Mannschaften waren um Offensive bemüht; in einem K.-o.-Spiel bei einer Welt- oder Europameisterschaft würde das vermutlich etwas anders aussehen.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatten die Italiener erneut die besseren Chancen. Claudio Marchisio scheiterte mit einem Schuss aufs kurze Eck an Torhüter Manuel Neuer, Hummels klärte einmal in letzter Not gegen Balotelli. Löw reagierte nach einer guten Stunde, brachte Marco Reus (für Schürrle) und Mesut Özil (für den schwachen Götze), um die Offensive noch einmal zu beleben und etwas Druck von der eigenen Defensive zu nehmen. Die Italiener bestimmten das Geschehen nun deutlicher, als der Bundestrainer sich das für sein 100. Länderspiel vermutlich vorgestellt hatte, auch wenn Höwedes in der letzten Spielminute noch den Siegtreffer auf dem Fuß hatte. Er traf jedoch nur den Pfosten.

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