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Länderspielduelle gegen Österreich: Das Nichtwunder von Cordoba

Seit 34 Jahren feiert Österreich einen WM-Sieg gegen Deutschland – dabei war der nur logisch. Eine richtige Schmach gab es Jahrzehnte zuvor. Ein Rückblick auf historische Duelle.

Mit Wundern ist das so eine Sache. Sie geschehen nicht allzu oft, und damit sie nicht in Vergessenheit geraten, muss schon regelmäßig an sie erinnert werden. In Wort und Bild und gern auch auf Straßenschildern. In Wien gibt es seit drei Jahren einen Cordobaplatz, er stößt im Stadtbezirk Floridsdorf an Edi-Finger-Straße. Im argentinischen Cordoba gewann die österreichische Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1978 3:2 gegen Deutschland, was den Fernsehkommentator Edi Finger zu seiner legendären „I werd narrisch!“- Rede inspirierte. Seliges Österreich! Wann immer es gegen die ungeliebten Piefkes geht, wird der Geist von Cordoba beschworen, selbstverständlich auch vor dem Spiel am Dienstag in Wien.

Bei jenem Spiel vor 34 Jahren ging es im Grunde um nichts: Das Finale wäre für die Deutschen nur bei einer aberwitzigen Ergebniskonstellation möglich gewesen, das Spiel um Platz drei hätte es noch werden können, aber das hat schon damals niemanden interessiert. Eine mäßig talentierte deutsche Mannschaft, die in der Vorrunde mit Mühe Tunesien ein 0:0 abtrotzte, verlor gegen ein Österreich, das seine Vorrundengruppe vor Brasilien gewonnen hatte. Weiß der Himmel, warum die einen dieses Spiel als Schmach und die anderen als Wunder interpretierten.

Lange vor Cordoba waren die Österreicher für die Deutschen mal das Maß aller Dinge. In den frühen dreißiger Jahren, als die schon professionell organisierten Wiener Klubs eine fantastische Generation von Fußballspielern hervorbrachten, vom Wundertorwart Rudi Hiden bis zum Wunderstürmer Matthias Sindelar. Praktischerweise und ganz unbescheiden nannten die Österreicher ihre Nationalmannschaft Wunderteam. 1931 reisten sie zum Gastspiel nach Berlin. In Deutschland machte man sich ein wenig lustig über die österreichischen Kaffeehausfußballer, doch beim Spiel im Grunewaldstadion lachte dann keiner mehr. Schon zur Pause stand es 0:3, und am Ende waren die Deutschen mit sechs Gegentoren und der bis heute höchsten Heimniederlage in ihrer Länderspielgeschichte gut bedient.

Bis zur erfolgreichen Revanche vergingen drei Jahre und eine weitere Pleite (0:5 in Wien). Bei der WM 1934 in Italien hatten die Österreicher im Halbfinale den von Diktator Benito Mussolini bestochenen Schiedsrichter gegen sich, auf dass die Italiener beim 1:0-Sieg ungestraft den genialen Sindelar zusammentreten durften. Sindelar fehlte also im Spiel um Platz drei gegen die Deutschen, die vor Anpfiff stets mit erhobenem rechten Arm antraten und mit schöner Regelmäßigkeit niedergebrüllt wurden – trotz der von Mussolini und Adolf Hitler dekretierten Völkerfreundschaft. Dass die Zuschauer in Neapel dennoch das Führungstor des Augsburgers Ernst Lehner bejubelten, war einem Versehen geschuldet. Die weißen Trikots der Deutschen ähnelten den Leibchen, die sonst die Österreichischer tragen, sodass die Fans Orientierungsprobleme hatten. Nach einer halben Stunde unterbrach der Schiedsrichter das Spiel zu einem ungewöhnlichen Losentscheid. Die Österreicher verloren und fügten sich in den blauen Leibchen des neapolitanischen Lokalvereins in ihre 2:3-Niederlage.

1954 trafen Österreich und Deutschland im WM-Halbfinale aufeinander

Vor der WM 1938 in Frankreich zählten beide Mannschaften zu den Favoriten. Allen sportlichen Ambitionen kam jedoch die Weltpolitik dazwischen. Weil es nun auf einmal kein Österreich mehr gab, sondern eine Ostmark, ordnete Hitler persönlich die Zusammenstellung einer gemeinsamen Mannschaft an. „Der Führer wünscht eine Zusammenstellung 6:5 oder 5:6“, sagte DFB-Präsident Felix Linnemann dem überraschten Reichstrainer Sepp Herberger zwei Wochen vor dem ersten Spiel, dem Achtelfinale gegen die Schweiz. Da sich die deutschen Beliebtheitswerte nicht unbedingt gebessert hatten, stand die „großdeutsche Mannschaft“ auch noch einem feindlichen Publikum gegenüber. Für das Klima im Pariser Prinzenpark schuf Herberger den heute noch gebräuchlichen Begriff „Hexenkessel“. Im ersten Spiel gab es am 4. Juni 1938 ein 1:1, fünf Tage später verloren die Deutschen und Österreicher 2:4. Großdeutschland war auf einmal ganz klein.

16 Jahre und einen Weltkrieg später durften beide Nationen in der Schweiz wieder an einer WM teilnehmen. Diesmal trafen sie sich im Halbfinale, und die Deutschen spielten so gut wie wahrscheinlich nie zuvor. Nach dem 6:1-Sieg verkündete der „Kicker“: „Deutschland ist Fußball-Weltmacht!“ Es wäre beinahe der große Tag des kleinen Bruders geworden. Ottmar Walter schoss zwei Tore und stand dann doch wieder im Schatten des großen Fritz, der ebenfalls zwei Tore schoss und drei weitere vorbereitete.

Was folgte, war eine lang anhaltende Periode deutscher Dominanz, von der die Österreicher erst 1978 in Cordoba erlöst wurden. Die damit auch im Ausland erspielten Sympathien verspielten sie vier Jahre später bei der WM in Spanien. Auch dem Ansehen des deutschen Fußballs hat kein Spiel mehr geschadet als dieses in Gijon. Nach zehn Minuten, nach Horst Hrubeschs Tor zum 1:0, stellten beide Mannschaften den Betrieb ein. Das Ergebnis reichte sowohl den Deutschen als auch den Österreichern zum Einzug in die nächste Runde. Auf den Rängen wedelten algerische Fans mit Geldscheinen. Es war ihre Mannschaft, die als Opfer dieses „Fußballpornos“ (so die holländische Zeitung „De Volkskrant“) als Vorrundendritter ausscheiden musste.

Bei der EM 2008 trafen beide Mannschaften im Wiener Prater abermals zum Vorrundenfinale aufeinander. Dieses Mal aber mussten die Österreicher gewinnen und die Deutschen mindestens ein Unentschieden holen. Eine durchaus reizvolle Konstellation, aber sie zeitigte ein ganz und gar reizloses Spiel. In Erinnerung bleibt zweierlei. Das 1:0-Siegtor von Michael Ballack, ein Freistoß kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit, getreten mit roher Gewalt. Und diese eine Chance, vergeben von Mario Gomez, womit der Münchner bis heute aufgezogen wird. Gomez stand allein und nur drei Meter vorm leeren Tor, doch der von Miroslav Klose gespielte Ball tippte kurz vor ihm auf, sprang an seinen Knöchel und flog dann ins Irgendwo. Drei Jahre später revanchierte sich Gomez. Mit dem 2:1-Siegtreffer in der Schlussminute beim bis zum Dienstag letzten Gastspiel in Wien.

Video: Was in Cordoba wirklich passierte

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