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Mesut Özil.

© dpa

Mesut Özil: Kreuz für Deutschland

Mesut Özil hat einen anderen Nationalitätsbegriff als Hamit Altintop und freut sich auf die Türkei. Özil muss in diesen Tagen häufiger Unterhaltungen fernab des Fußballs führen.

Berlin - Man tut Mesut Özil kein Unrecht mit der Behauptung, dass er nicht gerade ein Mann des gesprochenen Wortes ist. Er ist „mehr ein ruhiger Typ, der den Ball fordert und sein Spiel machen will“. So spricht Mesut Özil über Mesut Özil. Thilo Sarrazin mag er nicht, dessen Buch war ihm die Mühe des Lesens nicht wert. Beides verbindet ihn mit Angela Merkel, die er im übrigen höchst sympathisch findet – „sehr nett, sehr höflich, ganz locker“.

Die Kanzlerin und der Fußballprofi kennen sich von der WM in Südafrika und haben diese Bekanntschaft am Dienstag im Schloss Bellevue vertieft. Als die deutschen Nationalspieler für ihre Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland mit Kreuz und Lorbeerblatt geehrt wurden, da steckten die Frau Merkel und der Herr Özil kurz die Köpfe zusammen. Es ist wohl davon auszugehen, dass es in diesem Gespräch weniger um Fußball ging denn um Integration und die dritte Generation der ausländischen Gastarbeiter. Diese dritte Generation wird im Deutschland des Herbstes 2010 so ausführlich diskutiert wie früher das dritte Tor, wahlweise das von Bern oder Wembley. Das liegt auch und gerade an Fußballspielern, die wie Mesut Özil die multikulturelle Nationalelf als „bestes Beispiel für erfolgreiche Integration in Deutschland“ beschreiben.

Unterhaltungen fernab des Fußballs muss Mesut Özil in diesen Tagen häufiger führen. Schon deshalb dürfte es ihm ganz lieb sein, dass er sein Geld jetzt bei Real Madrid verdient, weit weg von der deutsch-muslimischen Integrationsdebatte. Am Freitag spielt er mit der deutschen Nationalmannschaft gegen die türkische, „in der ich viele Freunde habe“, er kennt sie aus der Bundesliga oder aus dem Fernsehen, denn in seiner Freizeit schaut er sich gern die Spiele der Süper Lig an. „Alles super Spieler in der türkischen Mannschaft“, sagt Özil und dass er für den Dortmunder Kollegen Nuri Sahin nur das Beste hoffe, auch „dass er am Freitag spielt“. Die beiden kennen und schätzen und mögen sich, auch wenn sie unterschiedliche Wege gegangen sind. Sahin zurück in die Türkei, Özil verharrend in Deutschland.

Hamit Altintop ist wie Mesut Özil in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Er spielt für Bayern München, ist als Fußballspieler wie als Mensch in Deutschland sozialisiert worden und hat doch nie einen Gedanken daran verschwendet, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ wirft er Özil indirekt vor, dieser habe sich gegen seine Herkunft und für eine bessere Vermarktung entschieden – „hätte er sich für die Türkei entschieden, hätte er keine WM gespielt und wäre jetzt nicht bei Real Madrid. So einfach ist das.“

Altintops Ansatz impliziert einen emotionalen Identitätsbegriff, er umschreibt ihn für sich mit der Begründung: „Meine Mama kommt aus der Türkei, mein Vater kommt aus der Türkei, ich bin Türke.“ Auch Özil hat seine Wurzeln nie verleugnet. Noch spricht er Türkisch flüssiger als Deutsch. Aber hat Heimat nicht auch eine geografische Komponente? Zählt sein Geburtsort Gelsenkirchen weniger als Hisiroglu, das Dorf der Großeltern? „Ich bin in Deutschland geboren“, sagt Mesut Özil „Ich habe in den Jugendmannschaften gespielt und fühle mich sehr wohl. Für mich kam keine andere Nation in Frage.“ Alle weiteren Argumente zwischen Mesut Özil, Nuri Sahin und Hamit Altintop werden morgen auf dem Rasen ausgetauscht.

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