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Wieder vorbei. Sami Khedira verzweifelt an der eigenen Chancenverwertung.

© AFP

Nach dem Sieg über Färöer: Die deutsche Nationalmannschaft sucht die Kaltschnäuzigkeit

Das eher magere 3:0 gegen die Färöer offenbart erneut die Schwachstelle von Löws Mannschaft: Vor dem gegnerischen Tor agieren die deutschen Spieler derzeit häufig zu umständlich.

Der färingische Fußball schenkt der Welt eine große Ausnahme. Während die Regeln des Fußball-Weltverbands Fifa weltweit gelten und überall gleich sind, ist es auf den Färöer-Inseln beim Elfmeterschießen neben dem Schützen und dem Torwart noch einem dritten Spieler erlaubt, aktiv einzugreifen. Er darf den Ball beim Anlauf des Schützen festhalten, damit der Ball nicht vom Wind vom Punkt geweht wird. Und es windet viel auf den Färöer.

Man kann es eigenwillig nennen, was die Färinger veranstalten, oder einfach auch nur pragmatisch. In dieser Hinsicht haben sie dem deutschen Fußball etwas voraus. Ein Tick mehr Pragmatismus hätte den Sieg der deutschen Nationalmannschaft am Freitagabend in Hannover über die Nummer 154 der Welt deutlich höher ausfallen lassen als dieses vergleichsweise magere 3:0. Immerhin 15 Torchancen gehobener Qualität hatte sich die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw herausgespielt, von denen am Ende nur ein Fünftel verwertet wurden. „Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann ist es unsere Chancenausnutzung", sagte Löw.

Bei der Ursachenforschung ist Löw auf die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor des Gegners Tor gestoßen. Diese gelte es sich nun in der begonnenen WM-Qualifikation zu erarbeiten. „Internationale Einsätze und Spiele in der Champions League werden da für die Spieler sicherlich hilfreich sein“, sagte Löw. „Das lernt man schon.“ Bereits die Analyse der Europameisterschaft hat zu Tage gefördert, dass die deutsche Mannschaft in Sachen Chancenverwertung einigen Nachholbedarf hat. Derzeit braucht die Mannschaft in etwa fünf Chancen, um einen Treffer zu erzielen. Das ist kein wirklich schlechter, aber auch alles andere als ein Spitzenwert.

Sami Khedira, bei der EM noch der beste deutsche Feldspieler, sagt zwar, dass die Gegnerschaft immer defensiver gegen die deutsche Nationalmannschaft spiele, auch die Färinger hätten „sehr kompakt und sehr tief“ gestanden, aber auch den Mittelfeldspieler von Real Madrid treibt das Thema um. „Ein bisschen Pech im Abschluss, ein bisschen guter Torwart und ein bisschen Kaltschnäuzigkeit, die uns vorn gefehlt hat“, sagte Khedira in seiner persönlichen Spielanalyse. Allerdings, und hier widerspricht er dem Bundestrainer, sei Kaltschnäuzigkeit nicht erlernbar. Vielleicht gehen ja auch nur die Interpretationen zu diesem Thema auseinander.

Mesut Özil spielte in der zweiten Halbzeit mit mehr Stringenz

Mesut Özil musste schmunzeln, als er das hörte. Mit seinen beiden Treffern in der zweiten Halbzeit hatte der Spielmacher gezeigt, was man vor des Gegners Tor benötigt – Stringenz. Ohne lange zu fackeln, suchte er den direkten Abschluss. Und auch sonst hatte der Star von Real Madrid einen lust- wie gehaltvollen Abend erwischt. Für Löw war der 23-Jährige der überragende Spieler auf dem Feld gewesen. Bei ihm habe alles Hand und Fuß. „Er ist am Ball so geschickt, wie er sich um den Gegner wendet und den Ball immer in die richtige Richtung treibt. Er startet sofort eine offensive Aktion“, sagte Löw.

Bildergalerie: Deutschland gegen Färöer

In der Tat waren viele Torchancen von Mesut Özil irgendwie eingefädelt worden. Und nachdem er gesehen hatte, dass seine Mitspieler eine Halbzeit lang doch etwas zu lax mit ihren Möglichkeiten umgegangen waren, oder ihnen der famos haltende färinger Torwart Nielsen im Weg gestanden war, suchte Özil verstärkt selbst den Abschluss. „Wir sollten das Spiel nicht überbewerten“, sagte er hinterher wie üblich bescheiden. „Wir wussten, dass wir gewinnen, wenn wir alles abrufen.“

Die Deutschen riefen an diesem Abend vieles ab, sie spielten mit viel Engagement, und mit einem guten Kombinationsfluss kreierten sie gegen die wahren Verhinderungskünstler aus dem Nordatlantik eine Vielzahl wirklich erstklassiger Torchancen. „Das wird so nicht vielen Mannschaften gelingen“, sagte Khedira. Aber genau das wollte Löw gegen die sperrigen Färinger sehen, die Bereitschaft seiner Offensivkräfte, immer wieder Wege vor das gegnerische Tor zu gehen, um so vertikale Anspiele erst möglich zu machen. „Klar, einige Dinge kamen gegen diesen defensiven Gegner nicht zum Tragen“, sagte Löw.

Ein frühes Attackieren, ein hohes Pressen, wie es fußballerisch heißt, kann aber nur dann stattfinden, wenn der Gegner wirklich mitspielt und selbst so etwas wie Vorwärtsdrang entwickelt. In dieser Übung wird sich die deutsche Mannschaft kommenden Dienstag in Wien im WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich zu beweisen haben. „Die sehe ich im Moment so stark wie lange nicht mehr“, sagte Joachim Löw. Allerdings müssen die Österreicher auch noch gegen die Färöer spielen. Vor zwanzig Jahren brachten die Österreicher das Kunststück fertig und verloren 0:1. Zuletzt, 2008, gelang ihnen immerhin ein 1:1. Alles Ausnahmen?

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