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In Startposition. Bastian Schweinsteiger.

© dapd

Nationalmannschaft: Schweinsteiger will wieder Fixpunkt im Team werden

Bastian Schweinsteiger will nach der schwachen Europameisterschaft wieder der Fixpunkt der Nationalelf werden. Gegen Irland vetritt er den gesperrten Philipp Lahm als Kapitän.

Der Deutsche Fußball-Bund hat am Dienstag eine verdiente Führungskraft verabschiedet, einen Mann, der laut Oliver Bierhoff „vieles vorangetrieben“ hat. Matthias Sammer, bis zum Sommer Sportdirektor, hatte sich noch einmal in die Verbandszentrale begeben, um vom DFB-Präsidium den Dank für getane Arbeit entgegenzunehmen. Hundert Meter Luftlinie entfernt, im Keller der Frankfurter Arena, meldete sich kurz darauf eine andere Führungskraft des deutschen Fußballs wieder zurück, ein Mann, der auf dem Spielfeld auch schon so manches vorangetrieben hat – und es derzeit wieder tut. Bastian Schweinsteiger saß auf dem Podium. Am Freitag im WM-Qualifikationsspiel in Irland wird er zum ersten Mal nach dem verlorenen EM-Halbfinale wieder für die Nationalmannschaft spielen und das Team in Vertretung des gesperrten Philipp Lahm als Kapitän aufs Feld führen.

Es ist, wenn man Schweinsteigers jüngste Auftritte richtig deutet, eine angemessene Rolle für den 28 Jahre alten Mittelfeldspieler. „Bastian ist ein ganz wichtiger Spieler“, sagte Nationalmannschaftsmanager Bierhoff. „Mit seiner Präsenz, Erfahrung, Qualität – und jetzt auch mit dem großen Selbstvertrauen bei Bayern München.“ Vor ein paar Monaten, bei der Europameisterschaft, sah das noch ganz anders aus. Aber da hat man im Grunde auch nur den halben Schweinsteiger gesehen: ohne Präsenz, vor allem aber ohne Selbstvertrauen nach dem verstörenden Erlebnis des verlorenen Champions-League-Finales. Der vermeintliche Anführer schleppte sich, geplagt an Leib und Seele, durchs Turnier. Wie sehr sein Körper leiden musste, hat Schweinsteiger erst jetzt preisgegeben. Selbst im Urlaub habe er einfach nur gehofft, „dass du ohne Schmerzen die Treppen runterkommst“. Trotzdem würde er alles wieder so machen: „Wenn der Trainer und die Mannschaft wollen, dass ich spiele, werde ich auch spielen.“

Oliver Bierhoff hat dem Münchner gerade wegen dieser Haltung „ein großes Herz, eine große Leidenschaft“ attestiert. Für Bundestrainer Joachim Löw ist und bleibt Schweinsteiger „ein wichtiger Impuls- und Taktgeber“. Dass er eine Mannschaft führen und ihrem Spiel Struktur geben kann, zeigt er jetzt wieder bei den Bayern. „Wenn ich körperlich völlig gesund bin, dann bin ich gut“, sagt Schweinsteiger. Die Europameisterschaft wird er trotzdem nicht mehr los. Er spielt fortan nicht nur für sich und für die Nationalmannschaft; im Grunde spielt er, um die Ehre einer ganzen Generation zu verteidigen. Es sind jene einstmals jungen Wilden – Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Lukas Podolski und Per Mertesacker –, die unmittelbar vor und nach der EM 2004 zur Nationalmannschaft gestoßen sind und die jetzt alle um die hundert Länderspiele bestritten haben.

Die Hoffnungsträger von einst sind jetzt Mitte/Ende zwanzig; früher hätte man gesagt: Sie kommen ins beste Fußballeralter. Nach den Eindrücken der EM muss man eher fragen: Haben Lahm, Schweinsteiger, Podolski und Mertesacker ihre beste Zeit vielleicht schon hinter sich? Mertesacker war bei der Europameisterschaft nur Ersatz, Podolski ein flüchtiger Schatten seiner Selbst, und Lahm hat zuletzt in Länderspielen Leistungen abgeliefert, die ihm vor kurzem noch niemand zu unterstellen gewagt hätte.

Die Revolution frisst ihre Kinder nicht nur, sie verschlingt sie geradezu. Von unten kommen immer jüngere Spieler nach, die nach oben drängen. Ausnahmebegabungen wie Schweinsteiger werden sich vermutlich länger gegen die Herausforderer behaupten können, aber schon der gesunde Menschenverstand spricht dafür, dass die heutigen Nationalspieler eher nicht bis Mitte 30 ihr Leistungsvermögen konservieren werden. Und der Prozess könnte sich sogar noch beschleunigen. Wer heute mit 18 oder 19 Profi wird, hat in den Nachwuchsakademien der Bundesligisten meistens schon mehrere Jahre unter Profibedingungen trainiert und gelebt. Das zehrt.

Am besten lässt sich die Entwicklung bei den Torhütern beobachten. René Adler vom Hamburger SV ist jetzt 26 und gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nationalmannschaft. Nichts Ungewöhnliches so weit, nur dass Adler nicht vor seinem Debüt steht, sondern vor seinem Comeback. Oliver Kahn hat sein erstes Länderspiel mit 26 bestritten, Stammtorhüter wurde er mit 29, Jens Lehmann stieg sogar erst mit 36 zu Deutschlands Nummer 1 auf. Adler hat einen Werdegang hinter sich, wie er in Zukunft typisch sein könnte: mit atemberaubenden Leistungen zu Beginn seiner Karriere, dem schnellen Aufstieg in die Nationalmannschaft, aber auch verlässlichen Formkrisen und stetig wiederkehrenden Verletzungen. Irgendwann nehmen sich Körper und Geist die Pausen, die sie brauchen.

Im Grunde trifft das auch auf Bastian Schweinsteiger zu. „Es ist ein unglaubliches Pensum, das er in den letzten acht, zehn Jahren gefahren hat“, sagt Bierhoff. Der Münchner ist schon fast genauso lange Stammspieler der Nationalmannschaft, wie es Michael Ballack gewesen ist – und erlebt gerade, dass die ersten Spieler seiner Generation ihre Karrieren bereits beenden. Andreas Hinkel, der mal im selben Atemzug wie Lahm und Schweinsteiger genannt wurde, hat im Sommer einfach aufgehört. „Früher hieß es, mit 29 sei man im besten Fußballeralter, solche Sätze höre ich heutzutage eher selten“, sagt Hinkel. „Ab 29 gehört man bereits zur alten Garde.“ 2014, bei der WM in Brasilien, wird Bastian Schweinsteiger 29 sein.

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