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Angriff des Körperkünstlers. Im Alter von 35 Jahren Miroslav Klose längst gelernt, auf seinen Körper zu hören und ihn zu pflegen. Hier hält er den Österreicher Christian Fuchs auf Distanz.

© AFP

Rekordtorjäger Miroslav Klose: Wandel durch Annäherung

Dem 35-Jährigen Rekordtorjäger Miroslav Klose gelang es beim 3:0 über Österreich, den Uralt-Rekord von Gerd Müller zu egalisieren. Klose hat sich dem modernen Spiel angepasst, ohne seine Stürmer-Instinkte einzubüßen.

Der deutsche Mannschaftsbus hatte den Motor bereits angeworfen, die Besatzung war fast komplett, da schlenderte Miroslav Klose durch die Mixed-Zone. Mit etwas Obst in der Hand nahm der deutsche Nationalstürmer von Lazio Rom diese enge Passage hin zum Arenaausgang. Diese spätsommerliche Nacht von München kippte gerade in den neuen Tag, da musste Klose noch eine Frage beantworten. Warum er denn nicht mehr seinen berühmten Tor-Salto zeige? Klose blieb stehen, dachte kurz nach und antwortete höflich: „Sie wissen doch, wie alt ich bin. Es ist schon länger her, dass ich einen Salto gemacht habe, deshalb lasse ich das lieber sein.“

Miroslav Klose hat sich ein untrügliches Gefühl für seinen Körper erworben. Er hört auf ihn, er pflegt ihn. Disziplin am eigenen Leib, das dürfte ein schöner Teil des Geheimnisses seiner Ewigkeit im deutschen Team sein. 129 Länderspiele stecken nun schon in seinem Körper. Nur Lothar Matthäus hat es irgendwie auf mehr gebracht. Und doch wird diese Nacht von München als die Miroslav-Klose-Gedächtnisnacht in die deutsche Fußballgeschichte eingehen. Denn dem 35-Jährigen gelang es beim 3:0 über Österreich, den Uralt-Rekord von Gerd Müller zu egalisieren. Für die deutsche Nationalelf hatte der einstige „Bomber der Nation“ zwischen 1966 und 1974 68 Tore erzielt. Allerdings benötigte er dafür nur 62 Länderspiele. „Ich kann Gerd Müller ein- oder vielleicht sogar überholen, aber die Leistung des Bombers wird immer einzigartig sein“, sagte Klose bescheiden und verschwand in den Bus.

Dass Klose diese Marke überhaupt erreichen konnte, hat wiederum viel mit Joachim Löw zu tun. Der Bundestrainer, der allein in den vergangenen drei Jahren ein Dutzend junger Talente in die Nationalmannschaft integriert hat, hält an Klose fest, obgleich dieser noch aus einer anderen Fußballergeneration stammt. In der Dürrezeit des deutschen Fußballs aufgetaucht, traktiert Klose auch noch in der Fußballmoderne auf hohem Niveau die Strafräume dieser Welt.

Doch Joachim Löws Anhänglichkeit hat profane Gründe. Längst mögen die Zeiten der kleinen, wendigen und spielfreudigen Stürmer angebrochen und ein langsames Aussterben des klassischen Stoßstürmers beschlossene Sache sein. Doch Klose, dessen Markenzeichen einst sein gefürchtetes Kopfballspiel war, ist in den vergangenen Jahren eine seltene Metamorphose hin zu einem mitspielenden Kombinationsfußballer gelungen. Er hat seine Spielweise dem Wandel angepasst, ohne seinen eigentlichen Instinkt verloren zu haben. Denn dieses 1:0 gegen Österreich war ein typisches Stoßstürmertor.

Thomas Müller flankte von weit rechts draußen den Ball flach und hart in die Mitte, Klose kam herangesprintet, flog mit Österreichs Aleksandar Dragovic im Gepäck auf Höhe des kurzen Pfostens zum Ball und drückte diesen ins Tor. Kein noch so moderner falscher Neuner, ob Özil, Götze oder Reus, hätte wohl diesen Weg gewählt.

Das ist auch der eigentliche Grund, weshalb Löw, der das schöne Spiel so liebt, weiter auf Klose steht. Der Senior-Stürmer bringt immer noch jene Wucht in den Strafraum, die den oft sehr hübschen Ballstafetten erst einen tieferen Sinn verleihen. Und das mit erstaunlicher Verlässlichkeit.

Vor allem aber ist Klose ein fleißiger Spieler, einer, der früh gelernt hat, defensiv zu denken und zu handeln. Allein gegen Österreich eroberte er im energischen Rückwärtsgang zwei Bälle. Offensives Verteidigen fängt eben im eigenen Sturm an, wie es Löw tagelang vor sich hertrug.

Gegen Österreich wirkte die Mannschaft in allem, was sie tat, weit kompakter als zuletzt. Die Abstände zwischen den eigenen Linien wurden eng gehalten, der Gegner früh angelaufen und somit der Druck hoch gehalten. „Die Deutschen haben früh attackiert“, sagte Österreichs Trainer Marcel Koller. „Dann haben sie sich wieder fallen lassen. Sie waren in ihrem Spiel sehr variabel. Das ist hohe Schule, weil es eine gute Organisation und viel Laufbereitschaft erfordert.“

Der Schlüssel zum Sieg lag auch für Sami Khedira in der Spielorganisation, die zuletzt so zu wünschen übrig gelassen hatte. In den drei vergangenen Spielen hatte die deutsche Elf neun Gegentore kassiert, weil sie nachlässig bis schlampig defensiv agierte. „Wir haben eben auch ein eigenes Tor, das wir verteidigen müssen“, sagte der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler von Real Madrid. Zusammen mit Toni Kroos führte er in der Zentrale das Kommando. „Vorne werden wir immer unsere Tore machen, egal, ob wir gut verteidigen oder nicht.“ Aber so funktioniere erfolgreicher Fußball eben nicht. Gegen Österreich aber habe die Mannschaft auch wieder gut verteidigt, weswegen man mit diesem Spiel zufrieden sein könne.

Inzwischen hatte auch Bundestrainer Joachim Löw die Pressekonferenz hinter sich gebracht, da wollte er auf dem Weg nach draußen noch eine letzte Botschaft zurücklassen. Es sei so gut, dass das Tor von Miroslav Klose endlich gefallen ist. „Dann ist das Thema mal erledigt“ sagte Löw. „Der Miro wird irgendwann das 69. schießen.“

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