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Testspiel in Danzig: Löws begrenzte Möglichkeiten

Beim 2:2 der deutschen Nationalmannschaft in Danzig gegen Polen zeigt sich, dass die personellen Möglichkeiten von Bundestrainer Joachim Löw doch begrenzt sind.

Mitternacht war nicht mehr fern, und die traditionell nicht immer friedliche Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Polen hatte längst ein friedliches Ende gefunden, da kamen im neuen Stadion zu Danzig die Totofreunde zu ihrem Recht. Eine gefühlte Ewigkeit lang ratterte der Stadionsprecher Zahlen- und Namenkolonnen herunter. Es ging dabei um die Sieger eines nur Eingeweihten geläufigen Wettbewerbs. Im eigentlichen Spiel hingegen hatte es keinen Sieger gegeben. Obwohl – Joachim Löw interpretierte dieses späte und glückliche 2:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Polen so einseitig als Aktivposten auf seiner Habenseite, dass ein Verdacht so abwegig nicht war: dass der Bundestrainer mindestens ein Monatsgehalt im Stadiontoto verwettet und dabei das bessere Ende für sich behalten hatte. Denn so zufrieden über ein eher unzufriedenstellendes Spiel muss man erst mal sein.

Auszüge einer überraschend positiven Systemkritik: „Das war ein guter Test für uns und wird uns weiter bringen.“ – „Wir sind sehr dankbar dafür, dass nicht alle Spiele so laufen wie zuletzt das gegen Österreich.“ – „Nach diesem Spiel sind wir glücklicherweise darauf vorbereitet, wenn es bei einem großen Turnier mal Probleme geben sollte.“

Das große Turnier findet im kommenden Sommer ebenfalls in Polen statt, und weil die Deutschen kaum noch eine Chance haben, einer von vier Gruppenköpfen zu sein, sollten sie hoffen, dass es zu einem Platz in der polnischen Gruppe reicht. Das stünde in direkter Erbfolge zum EM-Turnier von 2008, als die Deutschen sich hinter dem Gruppenkopf Österreich austoben durften, was bekanntlich keine so schlechte Konstellation war.

Am Dienstag in Danzig hat Joachim Löw eine leicht verstärkte Perspektivmannschaft aufgeboten, die es trotz denkbar schlechter Vorzeichen schaffte, ein eigentlich unbefriedigendes Fußballspiel als Gewinn zu verbuchen. Zweimal führten die Polen, zweimal schafften die Deutschen den Ausgleich, aus scheinbar aussichtsloser Position, scheinbar ohne Mühe. Und beide Male kam das Signal zum Umschwung von einem, den Löw erst einmal draußen gelassen hatte. Einem, der im Zweifelsfall immer spielen wird, wenn es denn um mehr geht als nur die Einweihung eines neuen Stadions.

Nachbericht Polen - Deutschland: Löws begrenzte Möglichkeiten.
Nachbericht Polen - Deutschland: Löws begrenzte Möglichkeiten.

© dpa

Den Münchner Thomas Müller hatte Löw erst Mitte der zweiten Halbzeit eingewechselt, als der Test verloren zu gehen drohte. Müller holte erst durch ein an ihm begangenes Foul den Elfmeter zum 1:1 heraus und bereitete in der vierten Minute der Nachspielzeit den zweiten Ausgleich vor, dieses Mal mit einem Pass auf Cacau. Joachim Löw hat später hymnenartige Sätze über Müller verfasst, etwa: „Er ist überragend, keine Frage, schon gegen Österreich hat er mehrere Tore glänzend vorbereitet.“ Oder: „Man kann ihn nie richtig packen, er geht in die Tiefe und hat großartige Qualitäten im Spiel ohne Ball.“

Wer den Fußballlehrer Löw kennt, der wird diese Sätze richtig einordnen. Weniger als Kompliment für Müller denn als Zurechtweisung für die zweite Reihe. Und es war nun einmal die zweite Reihe, die in Danzig ihre Chance bekommen hatte. Über die Erfolgsaussichten muss man nicht lange streiten. Simon Rolfes etwa war im defensiven Mittelfeld körperlich und gedanklich eine Klasse langsamer als Bastian Schweinsteiger. Rolfes rühmte später die polnische Defensivtaktik und sprach von Wegen, „die man manchmal findet und manchmal nicht“. Er fand sie eher selten. Löw formulierte zurückhaltend, „dass einige nicht, nun ja, sagen wir mal, Glanzleistungen gebracht haben“. Dafür lobte er überschwänglich Toni Kroos für dessen Engagement im zentralen Mittelfeld: „Er zeigt eine enorme Präsenz, ist ständig am Ball und ständig in Bewegung und mittlerweile auch torgefährlich. Ich bin unglaublich zufrieden mit ihm.“ Wenn es denn in Danzig einen Sieger gegeben hat, dann war es Kroos.

Und sonst? Tim Wiese spielte als Vertreter von Torhüter Manuel Neuer genauso wie immer. Mit hohem Risiko, es führte zu einem Elfmeter, der die Polen kurz vor Schluss 2:1 in Führung brachte – und zu einem gestundeten, der nicht gegeben werden musste, weil Robert Lewandowski die Aktion noch mit dem 1:0 abschließen konnte. Als Erkenntnis bleibt, dass Wieses Stil in wichtigen Spielen schwer vermittelbar ist. Mit Per Mertesacker und Jerome Boateng in der Innenverteidigung war Löw nicht so glücklich („Aber man muss mal verschiedene Möglichkeiten testen“), und über den Rechtsverteidiger Christian Träsch urteilte er: „Gegen Brasilien war er besser“, was liebevoll verschweigt, dass Träsch schon damals der schlechteste Spieler einer zugegeben sehr guten deutschen Mannschaft war.

Was Löw also in Danzig erkannt hat ist, dass die von Berti Vogts einst ersonnene Breite in der Spitze doch überschaubar ist. Philipp Lahm hat das nach dem 2:2 gegen die biederen Polen wohlwollend so formuliert: „Wenn du nicht 100 Prozent Konzentration ablieferst, bekommst du gegen jeden Gegner Probleme.“ In Danzig hat der deutschen Mannschaft nicht nur in Sachen Konzentration einiges gefehlt zur 100-Prozent-Marke. Und unter 100 Prozent wird es im nächsten Jahr nicht reichen, ganz egal, ob die Deutschen als Gruppenkopf spielen dürfen oder als statistischer Außenseiter neben den Polen oder sonst wem.

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