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Testspiel: Nationalelf: Die Nächsten, bitte

Bundestrainer Löw wirft große Talente ins kalte Wasser. Im Testspiel gegen Schweden sollen junge Spieler die etablierten herausfordern, allen voran Mats Hummels.

Im Sankt Jörgen Park Resort, das nach dem Geschmack vieler Nationalspieler schick und stylish ist, fanden viele Erstkontakte statt. Die Lobby-Lounge wurde zu einem Treffpunkt in dem Golfhotel, das die deutsche Nationalmannschaft vor dem heutigen Testspiel gegen Schweden bezogen hat. Vor dem Kaminfeuer hockten einige der Spieler, die Bundestrainer Joachim Löw als „unsere neuen Gesichter“ bezeichnet. Sie hingen an den Lippen von Sami Khedira. Der ehemalige Stuttgarter, der bei Real Madrid zur festen Größe geworden ist, war der Mittelpunkt dieser Runde.

Dabei ist es noch nicht lange her, dass der 23-Jährige selbst ein Ratsuchender war. Als er in den Kader für die Weltmeisterschaft berufen wurde, hatte er erst zwei Kurzeinsätze vorzuweisen. Ein halbes Jahr später, mit 16 Länderspielen im Personalbogen, betrachtet ihn Löw als einen seiner Chefs. Mit seinem Sprung in die internationale Elite des Profifußballs ist der Deutsch-Tunesier das Vorbild für die jungen Profis geworden, die Löw zum Jahresabschluss eingeladen hat.

„Schnupperkurs würde ich das nicht nennen, was wir hier machen“, sagt Mats Hummels. „Das hört sich ein bisschen so an, als würden die jungen Spieler belächelt.“ Der Dortmunder gilt als der Profi, dem glänzende Perspektiven eingeräumt werden, auch dauerhaft eine tragende Rolle beim WM-Dritten zu übernehmen. Der Innenverteidiger des Bundesliga-Spitzenreiters, ausgebildet beim FC Bayern, erfüllt Löws Anforderungsprofil an einen zentralen Abwehrspieler fast ideal. Die Spieleröffnung ist ausgefeilt, sein Stellungsspiel ebenso gut wie seine Kopfbälle und die Zweikampfstärke: Für einen Defensivspezialisten besitzt er eine gute Technik. Hummels entspricht zudem dem Idealtypus eines intelligenten Profis. „Wir sind alle selbstbewusst, aber wir müssen durch unsere Leistungen überzeugen“, sagt Hummels. Es gehört sich einfach nicht, den Mund zu voll zu nehmen.

Außerdem hat Hummels schon einige Enttäuschungen hinter sich. Wie Khedira und fünf andere der 20 Spieler, die in Löws Aufgebot für das Duell gegen Schweden stehen, war er im Sommer 2009 bei der U-21-Europameisterschaft dabei. Während Khedira als Kapitän der deutschen Europameister alle Spiele absolvierte, musste Hummels, beginnend mit dem 0:0 gegen Spanien in Göteborg, vier Begegnungen auf seinen Einsatz warten. Erst im Finale beim 4:0 gegen England durfte er im defensiven Mittelfeld seine Qualitäten entfalten. Ein Jahr später, als Löw sein WM-Personal auswählte, hoffte er insgeheim auf eine Berufung. Doch plötzlich war der Münchner Holger Badstuber an ihm vorbeigezogen. Hummels verstand die Welt nicht mehr.

Immerhin darf er sich seit dem 13. Mai A-Nationalspieler nennen. Denn der in Bergisch Gladbach geborene Sohn eines Jugendtrainers vom FC Bayern wurde im Pseudo-Länderspiel gegen Malta (3:0) zur Halbzeit eingewechselt. Vor der Abreise des WM-Kaders in das Trainingslager auf Sizilien fehlten etliche Stammspieler wegen der ausstehenden Endspiele im DFB-Pokal und in der Champions League. Damals hat Hummels einige Worte mit Löw gewechselt, wie auch sein Dortmunder Kollege Kevin Großkreutz, der ebenfalls eingewechselt wurde.

Löw gab in Göteborg zu, dass er seine anderen Neuen gar nicht richtig kennt. Die Dortmunder Mario Götze, 18, und Marcel Schmelzer, 22, sowie die Mainzer Lewis Holtby und André Schürrle, beide 20, sind für ihn „unbeschriebene Blätter“. Berufen hat er sie, um auf die etablierten Spieler Druck auszuüben. Es besteht keine zwingende Notwendigkeit, seine junge Mannschaft weiter zu verjüngen. „Was die Jungen auszeichnet, ist Frische und Frechheit“, sagt Bastian Schweinsteiger.

Götze gilt als absolutes Ausnahmetalent, der bei einem Einsatz einer der jüngsten A-Nationalspieler in der DFB-Geschichte würde. Schmelzer wird als eine Option für die chronisch schwach besetzte Position des Linksverteidigers eingestuft, obwohl er die U-21-EM als Ersatzspieler hinter dem Bremer Sebastian Boenisch begann und abschloss. Holtby und Schürrle, das spüren sie selbst, hätten nach ihrer jüngsten Schwächephase kaum noch eine Berufung verdient gehabt, während Großkreutz viel zum BVB-Höhenflug beitragen konnte. Wer vom Sextett der Frischlinge bei der EM 2012 dabei sein könnte, vermag selbst Löw nicht zu sagen. Hummels sagt: „Wir Neuen halten unsere Hoffnung bewusst klein. Wenn wir zum Einsatz kommen, soll die Mannschaft nicht schlechter werden.“

Gregor Derichs

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