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Ein Fall für zwei. Nationalspieler Marco Reus landet nach einem Zweikampf auf Kameruns Nicolas Nkoulou.

© dpa

WM 2014: Alte Probleme für Joachim Löw: Deutschland - Weltmeister des Aufwands

Das Testspiel gegen Kamerun in Mönchengladbach zeigte erneut, dass Joachim Löws Team vorne zu viele Chancen vergibt und hinten zu viele zulässt. "Das zieht sich ein bisschen wie ein roter Faden durch die letzten zwei, drei Jahre", sagt der Bundestrainer.

Am Ende fanden die Deutschen doch noch problemlos den Weg durch die kamerunischen Reihen. Ein Polizeimotorrad mit Blaulicht fuhr dem Mannschaftsbus voraus, die tanzenden Fans aus Afrika machten bereitwillig Platz. Als ihr eigenes Team den Mönchengladbacher Borussia-Park zu verlassen versuchte, leisteten sie heftigeren Widerstand. Der Busfahrer hupte und hupte, das Blaulicht flackerte, aber das schien den Anhang nicht im Geringsten zu beeindrucken. Die Kameruner wichen nicht zur Seite. Eine ähnliche Erfahrung hatte die deutsche Nationalmannschaft auch mit den Fußballern aus Afrika gemacht. „Kamerun war ein guter Gegner“, sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem 2:2 (0:0) im vorletzten Testspiel vor dem Abflug nach Brasilien. „Das war ein richtiger Härtetest für uns.“

Immerhin das war weitgehend nach Plan verlaufen. Die Kameruner sollten eine Art Double für Ghana geben, Deutschlands zweiten Vorrundengegner bei der WM. Die Nationalspieler dürften am Sonntagabend zumindest erahnt haben, dass ihnen am 21. Juni in Fortaleza eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe bevorsteht. Robust, dynamisch, aggressiv – so stellten sich die Afrikaner den Deutschen entgegen, die damit erkennbar Probleme hatten.

Wenn man es positiv sehen will: Bundestrainer Löw weiß nun ziemlich genau, woran es bis zum ersten WM-Spiel in knapp zwei Wochen noch zu arbeiten gilt. „Es ist noch nicht alles klar bei uns“, sagte Innenverteidiger Per Mertesacker. Wenn man es negativ sehen will: Dazu hätte Joachim Löw dieses Spiel eigentlich nicht gebraucht – weil er genau die Schwächen zu sehen bekam, die sich die Nationalmannschaft inzwischen seit Monaten, vielleicht sogar Jahren immer wieder leistet: in der Chancenverwertung und im kollektiven Defensivverhalten, vor allem nach Ballverlusten.

Per Mertesacker: "Sobald wir die Bälle schnell verlieren, kriegen wir Probleme"

„Nach vorne müssen wir effizienter werden“, sagte Thomas Müller, der bei seinem Kopfballtor zum zwischenzeitlichen 1:1 einen seltenen Moment finaler Entschlossenheit zeigte. Nach zehn Minuten hatten die Deutschen drei gute bis sehr gute Chancen gehabt – und zum Teil kläglich vergeben. „Das zieht sich ein bisschen wie ein roter Faden durch die letzten zwei, drei Jahre: dass wir viele Chancen brauchen, bis wir mal ein Tor erzielen“, sagte Löw. Gerade in Brasilien, bei unangenehmen klimatischen Bedingungen, wird es auf Effizienz vor dem Tor ankommen – weil der Aufwand, den die Mannschaft sonst betreiben muss, auf Dauer zu hoch wird.

Vor allem wenn sie dem Gegner das Toreschießen so leicht macht, wie sie es gegen Kamerun getan hat. Löw ärgerte sich über „eine ganze Reihe von Ballverlusten“, aus denen mehrfach gefährliche Kontersituationen entstanden. Vor Kameruns 1:0 durfte sich Samuel Eto'o im sensiblen Raum zentral vor dem deutschen Strafraum erstaunlich unbehelligt vorwärts bewegen, beim 2:2 leisteten Christoph Kramer und Jerome Boateng dem Torschützen Eric Maxim Choupo-Mouting allenfalls freundlichen Geleitschutz, anstatt ihn entschlossen zu attackieren. „Sobald wir die Bälle schnell verlieren, kriegen wir gegen jede Mannschaft der Welt Probleme“, klagte Mertesacker.

Sami Khedira ist nach seinem Kreuzbandriss noch in der Aufbauphase

Obwohl diese Probleme alt sind, hält der Bundestrainer sie bis zur WM für lösbar. Dass einige Spieler offenkundig noch nicht in Turnierform sind, empfindet Löw im Moment als nicht so dramatisch: weil das Turnier für die Deutschen erst in zwei Wochen beginnt. Sami Khedira zum Beispiel befindet sich nach seinem Kreuzbandriss immer noch in der Aufbauphase. „Dass ihm die Frische fehlt, die Leichtigkeit – das ist klar“, sagte Löw, der insgesamt registrierte, dass „unser Passspiel nicht so konzentriert und seriös“ war, wie es bei der WM nötig sein wird.

Vor allem Mesut Özil lieferte ein ziemlich unseriöses Spiel ab. Er wirkte unkonzentriert, ärgerte sich über seine Pässe ins Nichts und wurde dadurch noch unkonzentrierter. „Er hat Fehler gemacht, die er sonst nicht macht“, sagte der Bundestrainer. Doch auch bei Özil ist Joachim Löw nicht übermäßig besorgt: „Er wird sich steigern bis zum WM-Beginn.“ Mesut Özil wird nicht der Einzige sein – müssen.

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