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© Imago

Flirten in Mitte: Zwischen historisch und touristisch

Als wäre flirten lernen nicht schon schwer genug, so muss der Partnersuchende in Berlin Mitte sich auch noch in Multilingualität üben. Wo sich der Aufwand lohnt:

Wer den Ort sucht, an dem alles seinen Anfang nahm, den Ort, an dem Berlin wurde, was es heute ist, der muss nach Berlin-Mitte. Hier entdeckten Archäologen bei Grabungen einen Holzbalken, der als ältestes Zeugnis der Stadt gilt und vermutlich aus der Zeit um 1170 stammt, also noch weit vor der ersten urkundlichen Erwähnung Berlins. Bei Touristen sind neben den Sehenswürdigkeiten vor allem die Bars, Galerien und Museen beliebt, von den Clubs ganz zu schweigen. Platz für Einheimische bleibt dennoch. 83.000 Einwohner leben hier auf 10,5 Quadratkilometern.

Ein Stadtteil nur für Menschen auf der Durchreise?

Das Verhältnis von Einwohnern zu Besuchern mag dafür sprechen. Nicht zu leugnen ist, dass mehr als 18 Prozent der Bevölkerung aus dem Ausland stammen und etwas mehr als ein Viertel Migrationshintergrund hat. Daher stimmt es schon, dass in einigen Teilen von Berlin-Mitte Englisch die inoffizielle Umgangssprache ist, einfach weil die Sprache den kleinsten gemeinsame Nenner bildet, auf den sich Skandinavier, Italiener, Franzosen und Spanier einigen können. Wer Flirten lernen will, kommt in Berlin Mitte nicht um die einen oder anderen Sprachkenntnisse drum herum. Das mag bei manchem Befremden auslösen, andere sehen darin ein Zeichen von Internationalität. Das Gute am Berliner: Er weiß damit umzugehen. In seiner charmant kratzbürstigen Art, die im zwischenmenschlichen Umgang leider oft Einiges an Konfliktpotenzial birgt.

Lohnt sich Flirten in Berlin-Mitte überhaupt?

Unbedingt. Was nämlich nicht zu unterschätzen ist: Menschen, die nur für ein paar Tage in der Stadt sind, wollen gerne was erleben. Sie sind aufgeschlossen und auf Kontakt mit Einheimischen aus, diese Kombination ergibt im Alltag unzählige Kennenlern- und Gesprächsmöglichkeiten. Gar nicht auszudenken, wie viele Flirts allein mit der Frage „Wo geht’s zur U-Bahn?“ ihren Anfang nahmen, wie viele Fernbeziehungen womöglich beim gemeinsamen Inspizieren des Stadtplans gestiftet wurden. Aber auch wer hier länger lebt als ein paar Tage, ein verlängertes Wochenende, ist erfreut, einem Schicksalsgenossen zu begegnen. Die gemeinsame Erfahrung verbindet schließlich.

Flanieren in Mitte: Wo kann man ungezwungen Menschen kennenlernen?

Eine wichtige Empfehlung vorab: Wer in Flirtlaune und auf Sozialkontakt aus ist, sollte unter keinen Umständen das St. Oberholz am Rosenthaler Platz aufsuchen. Zwar ist das Café zu jeder Tages- und Nachzeit voll, allerdings verstecken sich die Besucher hier gern hinter ihren aufgeklappten Laptops. Genau so gut könnten sie sich auch einen Zettel auf die Stirn kleben: Bitte nicht anquatschen! Zum Glück gibt es ja genügend Ausweichorte.  Zum Beispiel diese hier:

Cookies. Der Club ist eine Institution im Berliner Nachtleben. Angefangen hat Betreiber Heinz Gindullis mit einer kleinen Privatbar in der Auguststraße, später zog es ihn ins Gebäude der ehemaligen Reichsbank, seit sechs Jahren residiert er Schulter an Schulter zum Westin Grand Hotel in der Friedrichstraße Ecke Unter den Linden. Das Publikum ist gut durchmischt: Ältere Besucher findet man eher im clubeigenen Restaurant „Cream“, jüngere zur fortgeschrittenen Stunde an der Bar oder auf der Tanzfläche. Geöffnet ist dienstags und donnerstags.

Auch am Ufer, hier im Monbijou-Park in Mitte, sind schattige Plätze begehrt.
Auch am Ufer, hier im Monbijou-Park in Mitte, sind schattige Plätze begehrt.

© dpa

Monbijou Park. Im Winter lassen hier die Besucher des Bodemuseums schräg gegenüber das Gesehene Revue passieren, im Sommer ist die Liegewiese von Sonnenanbetern bevölkert. Wem das zu wenig Action ist, der kann auch den Basketballspielern beim Körbewerfen zugucken. Und manchmal kommen Menschen, die Seile zwischen Bäume spannen und darauf balancieren. Einfach fragen, ob man das auch mal probieren darf – alles weitere ergibt sich von selbst.

Muschi Obermaier. Psychedelische Tapeten an der Wand, rotes Schummerlicht und gemütliche Ledersofas. Im Muschi Obermaier in der Torstraße ist es nicht schwer, in Flirtstimmung zu kommen. „Trost und Zuspruch – 2 Mark“ steht überm Eingang, der Selbstversuch zeigt jedoch, dass man auch ohne Geld leicht mit anderen Leuten ins Gespräch kommt.

Soho House. Zahlen fürs Flirten – muss das sein? 900 Euro kostet der Jahresbeitrag im schicken Soho House in der Torstraße Ecke Prenzlauer Allee, und natürlich kann man das teuer finden. Aber neben Zutritt zu Spa, Fitnessbereich, Pool und Bibliothek gibt’s hier auch jede Menge kontaktfreudiger Mitglieder.

Brandenburger Tor. Kein Scherz, der Tipp! Wirklich. Während man andernorts krampfhaft überlegen muss, unter welchem Vorwand man jemanden anspricht, liegen hier die Themen auf der Hand. Dem Orientierungslosen den Weg zum Hotel erklären. Der hübschen Austauschschülerin einen Schnappschuss mit deren Fotoapparat vor historischen Hintergrund anbieten. Mit dem Wartenden auf der Parkbank über dessen Berlin-Besuch sprechen. Das alles ist zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich und zudem völlig ungezwungen.

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