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Boris Johnson.

© Will Oliver/dpa

Referendum zur EU-Mitgliedschaft in Großbritannien: Bringt Boris den Brexit?

Der umtriebige Boris Johnson ist die Hoffnung der Konservativen, welche aus der EU austreten wollen. Sie haben nach einer neuen Umfrage eine knappe Mehrheit der Bürger hinter sich.

Wenn man nach Großbritannien reisen will in diesem Jahr, ist das Brexit-Referendum, der Volksentscheid über den Verbleib oder den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, vielleicht gar nicht so schlecht. Die Unsicherheit über das Ergebnis am 23. Juni (auf den Tag hat sich Premier David Cameron festgelegt) hat schon mal die britische Währung auf Talfahrt geschickt, gegenüber dem Euro verlor das Pfund seit Mitte November elf Prozent an Wert, ein Teil davon zweifellos wegen des unsicheren Ausgangs der Abstimmung. Ob umgekehrt wohl die teureren Ferien an spanischen Stränden oder auf toskanischen Hügeln einen Einfluss auf die Abstimmung haben?

Die Schwankungen an den Märkten werden bleiben, möglicherweise noch zunehmen. In einer Umfrage der London School of Economics unter britischen Ökonomen vertraten fast alle die Meinung, dass in nächster Zeit größere Währungsturbulenzen zu erwarten seien. Und je stärker sich die Perspektive eines Austritts ergibt, umso mehr Durcheinander erwarten sie. Ein Ja zum Brexit wird ohnehin eine wacklige Zeit nach sich ziehen, weil dann das politisch-wirtschaftliche Verhältnis der Insel zum Kontinent für einige Zeit neu verhandelt werden müsste.

52 zu 48

Die Brexit-Anhänger scheinen freilich derzeit im Aufwind zu sein. Eine Umfrage des „Independent“ zeigt eine knappe Führung von 52 zu 48 Prozent, eine Umkehr des Ergebnisses vom Januar. Allerdings sollten die Befragten auch sagen, wie entschlossen sie sind, zur Abstimmung zu gehen. Und da zeigt sich, dass das Brexit- Lager eher votieren wird als die Gruppe der EU-Anhänger. Danach gewichtet ergibt sich ein Vorsprung der Austrittsbefürworter von 54 zu 46 Prozent.

Dies könnte mit Boris Johnson zu tun haben, dem populärsten EU-Skeptiker in der Konservativen Partei. Er hat sich jetzt klar hinter die „Leave“-Kampagne gestellt, und ein Viertel der Befragten, die für den Austritt stimmen wollen, fühlt sich dadurch noch bestärkt. Es gibt natürlich Zweifel, wie strenggläubig Johnson ist. Denn kurz nach Camerons Ankündigung war er so zu verstehen, ein Ja zum Austritt könne auch bedeuten, dass die britische Regierung dann aufgerufen sei, nochmals weitergehende Zugeständnisse in Brüssel durchzusetzen. Drei Tage später befand er dann aber doch, ein Sieg der EU-Gegner ziehe den Austritt nach sich.

Vorbild Churchill

Der ehemalige Journalist, jetzt gleichzeitig Parlamentsabgeordneter und Bürgermeister von London, ist im politischen wie privaten Leben ein ähnlich bunter Hund, wie sein Vorbild Winston Churchill es war. Aber da er nun gesprungen ist, muss er es durchziehen. Und seine Chancen, Tory-Leader zu werden, sind gar nicht schlecht. Er kann nur gewinnen, egal wie das Referendum ausgeht. Verliert Premier David Cameron, der Britannien in der EU halten will, dann wird er zurücktreten müssen. Gewinnt Cameron, dann regiert er bis 2019 – eine weitere Amtszeit, das hat er versprochen, will er nicht. Im ersten Fall brauchen die Tories also bald einen neuen Kopf, der dann gleich Premier wäre. Johnson dürfte dann der Mann der Stunde sein. Im zweiten Fall braucht die Partei einen neuen Spitzenkandidaten für die nächste Unterhauswahl. Eine Niederlage im Juni würde die stark EU-skeptische konservative Basis kaum so schnell verwinden – Johnson als neuer „Leader“ wäre dann sozusagen die Rache. Die Konservativen wählen ihre Parteiführer in einem Doppelverfahren. Zunächst ist die Unterhaus-Fraktion dran. Einigt sie sich auf einen Kandidaten, ist er gewählt. Ist das nicht der Fall, bewerben sich gar mehrere Abgeordnete, wird abgestimmt, bis zwei Kandidaten übrig bleiben. Johnson müsste also gar nicht siegen in der Fraktion (sie neigt mit Mehrheit zum Verbleib in der EU), ihm genügt der zweite Platz. Denn nach der Fraktion sind die Mitglieder der Partei per Briefwahl dran - da dürfte Johnson punkten, denn die Basis wie auch die Tory-Wählerschaft ist gegen Brüssel gestimmt.

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