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Genug ist genug. Eine Nigerianerin protestiert gegen Boko Haram.

© REUTERS

Sekte Boko Haram in Nigeria: Verschleppt zum Verkauf

Die Nigerianische Sekte Boko Haram hat erneut Mädchen verschleppt. Der Anführer droht, sie als Sklaven zu verkaufen. In der Bevölkerung wächst der Zorn auf die Regierung.

Das Unfassbare geschah am 15. April, wenige Stunden nach Einbruch der Dunkelheit: Mit Trucks, Bussen und Lieferwagen überfielen in jener Nacht Dutzende schwer bewaffneter Terroristen der radikal-islamistischen Sekte Boko Haram die kleine Ortschaft Chibok im äußersten Nordosten von Nigeria. Sie stürmten das im Ortskern gelegene Mädcheninternat, in dem mehrere Hundert Schülerinnen schliefen. Nachdem die Terroristen das Internat angezündet hatten, wurden die 14- bis 18-jährigen Mädchen in wartende Fahrzeuge gezerrt und verschleppt. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Unklar ist noch immer, um wie viele Schülerinnen es sich genau handelt. War anfangs von 130 Vermissten die Rede, spricht die Polizei inzwischen von etwa doppelt so vielen. Etwa 50 Schülerinnen konnten inzwischen offenbar aus den Händen der Entführer flüchten.

Nach knapp drei Wochen übernahm Abubakar Shekau, der mehrfach tot gesagte Anführer der Terrorsekte, am Montag offiziell die Verantwortung für die Entführung. In einem fast einstündigen Filmclip kündigte Shekau an, die Mädchen in den Nachbarländern auf Märkten als Sklavinnen zu verkaufen. Boko Haram gilt jede bei Feinden erbeutete Frau als sexuelles Freiwild.

Am Dienstag wurden wieder Mädchen entführt

Am Dienstag verschleppte Boko Haram erneut acht Mädchen aus dem nordnigerianischen Dorf Waranbe, wie die Zeitung „Sahara Reporters“ berichtet. Gleichzeitig hätten die Islamisten in der Nähe der Grenze zu Kamerun mehrere Kontrollstellen von Polizei und Militär angegriffen.

Immer offenkundiger wird angesichts der Ereignisse die Überforderung des nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan und seiner Regierung. Drei Wochen nach dem ersten Überfall ist seinen Ermittlern nichts gelungen, was sie auf die Spur der Entführer gebracht hätte. Auf Twitter hatten nach Jonathans knapper Fernsehansprache viele der betroffenen Familien ihre Trauer und Wut über die Untätigkeit der Machthaber ausgedrückt.

Die USA wollen bei der Suche nach den Mädchen helfen

Als Reaktion darauf haben nun die USA konkrete Hilfe bei der Suche nach den Schülerinnen angeboten. Washington werde fortan Geheimdienstinformationen mit der Regierung in Abuja teilen, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Man werde sich dabei zunächst vor allem logistisch engagieren, aber wohl noch keine Truppen schicken. Bereits am Wochenende hatte US-Außenminister John Kerry größere Anstrengungen versprochen. Seine Regierung wolle Boko Haram dabei vor allem finanziell austrocknen und gleichzeitig Nigerias Militär bei der Terrorausbildung helfen, damit es im Kampf seiner Armee gegen die Sekte künftig nicht mehr zu solch eklatanten Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung wie in der Vergangenheit käme. Offenbar hat sich US-Präsident Barack Obama in den vergangenen Wochen mehrfach über die extrem angespannte Lage in Nigeria informieren lassen.

Erst zu Jahresbeginn wurde die Militärführung ausgetauscht

In den letzten Monaten hat die nigerianische Regierung in dem seit 2009 währenden Kampf gegen Boko Haram nicht gut ausgesehen. Frustriert über das Unvermögen der Armee, die Rebellion im Norden erfolgreich zu bekämpfen, hatte Jonathan erst zu Jahresbeginn die gesamte Militärführung neu besetzt – ohne jeden Erfolg. Inzwischen mehren sich sogar Hinweise auf eine Art von verdeckter Zusammenarbeit zwischen Boko Haram und der Armeeführung, bei der es unter anderem um vorher vereinbarte Angriffe und Waffengeschäfte gehen soll.

Bis vor kurzem hatte Boko Haran, was soviel heißt wie „Bildung ist Sünde“, überwiegend Vertreter der nigerianischen Regierung und christliche Einrichtungen angegriffen, die nach Ansicht der Sekte die „Verwestlichung“ der Muslime vorantreiben. Seit einiger Zeit werden aber auch immer öfter muslimische Dörfer angegriffen, die sich den Anweisungen der Sekte widersetzen. Manche Schulen in der Region hatten bereits im März aus Angst vor Überfällen der Islamisten ihre Pforten geschlossen.

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