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Andere Zeiten, andere Mittel.

© dpa

Spionage: Die NSA und Oberst Redl

Spionage ist ein uraltes Geschäft. Auch vor dem Ersten Weltkrieg spielte sie eine Rolle. Aber taugt sie auch etwas? Oder ist sie einfach nur sinnlos?

Hundert Jahre Erster Weltkrieg und das Jahr zwei der weltweiten Wut über die NSA. Eigentlich seltsam, dass sein Name da bestenfalls als Fußnote auftaucht: Oberst Alfred Redl, Vizechef des „Evidenzbüros“, des Geheimdienstes der kaiserlich-königlichen Armee, hatte jahrelang für Russland spioniert, zu einer Zeit, da die Möglichkeit eines Krieges praktisch ständig in der Luft lag. Das Staubsaugerverfahren der National Security Agency schaffte der im Generalstab in Wien gut vernetzte Redl im Alleingang: Kein relevanter Aufmarschplan der Österreicher, der nicht nach St. Petersburg gegangen wäre. Anders als die NSA, die gern die Karte „Krieg gegen den Terror“ zieht, konnte Redl schlecht edle Ziele für sich reklamieren. Mit den fürstlichen Honoraren finanzierte er schlicht ein Leben auf großem Fuße und teure Liebhaber.

Spione flogen auf

Ganz wie im Fall NSA – Bürgerrechte! – waren die Nebenwirkungen seines Verrats drastischer als das Kerngeschäft: Durch Redls Tätigkeit flogen etliche Kollegen auf, die das Evidenzbüro im zaristischen Russland platziert hatte. Schon gar nicht hielt Kundschafter Redl den blutigen Lauf der Dinge auf: Die Österreicher änderten nach der Enttarnung des Top-Spions ein paar Vorbereitungen für den Ernstfall, den mancher geradezu herbeisehnte. Der Große Krieg konnte beginnen und mit ihm, unter anderem, der Untergang der Habsburger Monarchie. Dass er Redls wegen „von Anbeginn an verloren gewesen wäre“, schreibt der Wiener Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner, sei „unsinnig und grenzt an Sterndeuterei“. Redl hat den Krieg übrigens nicht mehr erlebt; die Abordnung hoher Militärs, die ihn am 25. Mai 1913, einem Sonntag, in Zimmer 1 des Hotel Klomser in der Wiener Herrengasse aufsuchte, ließ einen Revolver im Zimmer zurück. Und Redl tat wie ihm geheißen.

Was nützt es?

An den Fall Redl ließen sich zum Kriegsgedenken freilich ein paar allgemeine Überlegungen zum Sinn des Spitzelns anschließen. War nicht auch die Stasi bestens informiert, ohne dass das jener Partei genützt hätte, als deren „Schild und Schwert“ sie sich brüstete? Und auch der Erste Weltkrieg hält weitere schöne Beispiele für die Sinnlosigkeit dieses staatlichen Lieblingshobbys bereit: Ein Spion in London lieferte im Frühjahr 1914 den entscheidenden Hinweis darauf, dass ein Albtraum der Deutschen Wirklichkeit würde, ein Flottenabkommen zwischen Russen und Briten. Eine Information der Güteklasse eins, sie wurde nur leider falsch verstanden, meint der Freiburger Weltkriegshistoriker Gerd Krumeich: Die Briten wollten keinesfalls zuschlagen, sondern nur, dass die Russen Ruhe gäben. Die Kriegsparanoia in Berlin freilich steigerte die Nachricht zum Äußersten.

Richtig geholfen hat der Fall Redl ganz sicher einem Journalisten, vielleicht sogar dem Journalismus. Jedenfalls war er Geburtshelfer des Mythos schlechthin unseres Gewerbes. Egon Erwin Kisch, 1913 beim Prager Blatt „Bohemia“, gilt noch heute vielen als Enthüller des Skandals um Redl. Das hat er schließlich immer wieder behauptet. Dass daran gar nichts stimmt, haben zuletzt die Historiker der Affäre Redl, Verena Moritz und Hannes Leidinger gründlich nachgewiesen. Dem ewigen Ruhm des „rasenden Reporters“ hat die falsche Eigen-PR nie geschadet.

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