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Stalking soll künftig schneller und härter bestraft werden.

© dpa

Stalking-Opfer: Das Leben nach der Tat

Als er wieder zu sich kommt, liegt er am Boden, sieht die Klinge. Dominik Heintze wurde von seinem Stalker niedergestochen. Bis heute kämpft er mit der Angst. Doch Hilfe für Opfer von Gewalt ist rar – vor allem in Berlin. Unser Blendle-Tipp.

Von Katrin Schulze

Und plötzlich holt die Vergangenheit Dominik Heintze ein. Er sieht das viele Blut, wie es die Wand entlangfließt. Er hat diesen eigenartigen, metallischen Geschmack im Mund, nimmt alles nur noch in Schwarz-Weiß wahr und hört nichts mehr. Einfach so, ohne Vorwarnung. Seit zehn Jahren kommen diese Flashbacks nun schon, wann und wo sie wollen. Machen ihn mürbe. Müde. Machtlos. Dominik Heintze hat viele solcher Symptome, von denen er früher nicht glaubte, dass es sie gibt.

Früher, in einem anderen Leben.

Seit ein Stalker auf ihn losgegangen ist, gibt es für ihn ein altes und ein neues Ich, beide haben nicht viel miteinander zu tun. Schmächtig ist er über all die Jahre geworden, die vielen Muskeln, die er einst mit sich trug, sind verschwunden. Von der mentalen Kraft ganz zu schweigen. „Ab dem Zeitpunkt der Tat verrutschen die Maßstäbe“, sagt er. „Man lebt in einer Welt, die man nicht kennt. Und man kennt sich selbst nicht mehr.“

Wer nimmt sich der Scham der Opfer an?

Es ist nicht leicht, das auszuhalten, was Dominik Heintze erzählt. Denn wenn es ihn getroffen hat, kann es dann nicht jeden treffen? Jeden so umhauen? So wie in der vergangenen Woche zum Beispiel die Berliner Schauspielerin Anne Kulbatzki, die nach einem Auftritt vor dem Deutschen Theater mutmaßlich von einem Stalker niedergestochen wurde.

Mit einem Schlag kann alles vorbei sein. Anders als die Täter haben die Opfer keine Chance, sich darauf vorzubereiten. Vielleicht ist das der Grund, warum an den schlimmen Geschichten vor allem die Bösen faszinieren. Was sie zu ihrer Tat treibt, welche Abgründe sie offenbaren, wie man ihnen auf die Spur kommt. Und die Opfer? Wer nimmt sich ihrer Scham an, der Angst?

Die Hand geben möchte er nicht

Dominik Heintze kämpft seit zehn Jahren mit dem Gefühl, nirgends auf dieser Welt mehr sicher zu sein. Mit dem Verdacht, dass jeder Mensch ein potenzieller Täter sein könnte. Mit sich selbst. Man sieht es ihm nicht an. Wie er in Jeans und Schlabbershirt freundlich lächelnd vor einem Einkaufszentrum steht und die Augen hinter seiner Brille beim ersten Blickkontakt strahlen lässt. „Alles Fassade“, wird er später sagen.

Eine kleine Ahnung von seinem Kampf bekommt man bei der Begrüßung. Die Hand geben möchte Dominik Heintze lieber nicht. Könnte gefährlich sein. Auf ein Gespräch eingelassen hat er sich überhaupt nur, weil er andere davor bewahren will, nach einem Anschlag das Gleiche zu erleiden wie er selbst. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen – aus Sorge, vom Täter wiedergefunden zu werden.

Er dachte nie, dass der Mann gefährlich werden könnte

An einem Spätsommerabend zerstörte dieser Mann das erste Leben des Dominik Heintze. Einfach so. Natürlich, es hat vorher Annäherungen gegeben. Die ersten Treffen waren nett, doch Dominik Heintze wollte nicht mehr als eine Freundschaft. Während er sich immer weiter von dem Mann entfernte, kam dieser Dominik Heintze immer näher. Schickte ihm Nachricht um Nachricht; wollte am liebsten alles über ihn wissen. Dass er aber gefährlich werden würde, hatte Dominik Heintze nicht gedacht. Bis es an der Tür klingelte.

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