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In Le Vernet gibt es bereits eine Gedenktafel. im Nachbarort fürchten sie, dass aus der geplanten Gedenkstätte ein "Disneyland des Todes" wird.

© Reuters

Streit um Gedenken an Absturz von Germanwings 4U9525: Wie die Zwietracht in die Alpen kam

Touristen mieten Bergführer, um sich der Absturzstelle zu nähern, ein Bürgermeister plant ein "Disneyland des Todes" - nach dem Absturz der Germanwings-Maschine sind die Bewohner der französischen Alpen tief zerstritten. Ein Besuch.

Bevor die Spieler auf den Bolzplatz rennen, verneigen sie sich vor dem verlorenen Freund. Sein Bild hängt am Maschendrahtzaun. Eine Brise weht den Geruch von Kühen herüber, als die Jungs von Seyne-les-Alpes ihre Muskeln zur Schau stellen. Aus den Lautsprechern dröhnt die neue französische Welle mit ihren wuchtigen Elektrobeats. Es gibt gegrillte Wurst, Pommes und Pizza für alle. Die Menschen freuen sich auf das alljährliche Fußballturnier – mit dem sie hier der Tragödie gedenken.

Vor zwölf Jahren starb Pitou. Er war 19 und kam bei einem Autounfall auf der Dorfstraße ums Leben. Heute kicken, feiern, lachen sie wieder in seinem Namen.

So erinnern, so trauern sie hier.

Am 24. Juli wollen sie nun mit einer Gedenkfeier an die größte Katastrophe in der Dorfgeschichte erinnern. Vor rund vier Monaten, am 24. März, starben 150 Menschen in ihren Bergen. Der Co-Pilot Andreas Lubitz steuerte die Germanwings-Maschine 4U9525 gegen eine Felswand, und er hat damit auch das Leben in Seyne-les-Alpes und den Nachbardörfern verändert. Lubitz hat Trauer über die Familien der Opfer gebracht und Zwietracht über Seyne-les-Alpes. Über das richtige Gedenken. Über das Erbe der Katastrophe.

Sie sehnen sich nach "Tranquillité", nach Ruhe

Auf dem Bolzplatz prügeln sich zwei Spieler nach einem Foul. „Das hätte mein Bruder nicht gewollt“, schimpft Madame Bernes und schickt die beiden vom Platz. Pitous große Schwester steht in Stöckelschuhen auf einer kleinen Bühne aus Tischen, neben ihr ein riesiges Portrait von Pitou. „Allez! Pour Pitou!“, brüllt sie in ein Megafon. Das Turnier, das sie jedes Jahr mit den Sportvereinen aus den Nachbardörfern organisiert, soll den Schmerz des Verlustes lindern.

„Irgendwie versuchen wir nach dem Absturz wieder zu unserer Seelenruhe zurückzukehren“, sagt Madame Bernes. Genau danach sehnen sie sich in den Bergen, nach „Tranquillité“. Ein Wort, wie gemacht für Seyne, wo nie etwas Schlimmes passiert ist in den zwölf Jahren nach dem Tod von Pitou. „Wenn wir Pitou nicht vergessen, wie sollen wir dann 150 Menschen vergessen, die direkt neben uns gestorben sind?“, fragt ein Spieler. Er zieht seine Strümpfe hoch und läuft auf den Rasen.

Hermitte ist Bürgermeister in Seyne-les-Alpes. Nach dem Crash wurde er kurzzeitig zu einem mächtigen Manager der Katastrophe. Nun ist er so machtlos wie vorher.
Hermitte ist Bürgermeister in Seyne-les-Alpes. Nach dem Crash wurde er kurzzeitig zu einem mächtigen Manager der Katastrophe. Nun ist er so machtlos wie vorher.

© Amjahid

Bürgermeister Francis Hermitte steht am Rande des Bolzplatzes und nennt das Turnier „Teil der Strategie zur Rückkehr zum Alltag“. Hier auf dem Dorf besteht sein Job als Chef im Rathaus seit 20 Jahren vor allem darin, Präsenz zu zeigen. Und so steht er mit seinen schneeweißen Haaren neben einer muhenden Kuh und ist einfach nur da. Nach der Vorrunde fährt er durch das Dorf. Aus seinem Geländewagen heraus grüßt er die Bewohner und erkundigt sich nach deren Befinden. Auch das Plaudern gehört zum Job, sein Kapital ist der gute Draht zu den Wählern. Er weiß alles über sie.

Seine Aufgaben als politische Autorität kann Hermitte gut mit seiner Arbeit als Dorfarzt vereinen. In der Praxis sprechen seine Patienten seit vier Monaten fast nur noch über „Le Crash“. Über die 150 Toten, aber auch über den Schock, dass die Maschine auch über ihren Köpfen hätte abstürzen können. Über den Medienrummel, der ihr Dorf weltberühmt machte. Und über das „Disneyland des Todes“, das der Bürgermeister des Nachbardorfs Le Vernet plant und das sie hier so wütend macht. Sie haben Angst, dass ihre Heimat auf den Absturz reduziert wird – aber auch davor, dass sie nichts abbekommen von dem Geld, das vielleicht Le Vernet verdienen wird.

Balique ist Bürgermeister des kleinen Dorfes Le Vernet. Er arbeitet mit der Lufthansa zusammen und möchte eine Gedenkstätte errichten.
Balique ist Bürgermeister des kleinen Dorfes Le Vernet. Er arbeitet mit der Lufthansa zusammen und möchte eine Gedenkstätte errichten.

© Amjahid

Seyne-les-Alpes will mehr sein als „Le Crash“. Das Dorf zählt 1400 Einwohner. Im Winter kann man hier gut Skifahren und im Sommer hervorragend wandern. Die Turnhalle und der Bolzplatz dienten nach dem Absturz als improvisierte Kapelle für die Angehörigen der Opfer. Der Sportkomplex mit Schwimmbad liegt am Rande des Dorfes. Zum Rathaus am anderen Ende dauert es zu Fuß eine Viertelstunde. Der Weg führt über die Brasserie „Forestier“, den Supermarkt, den Tabakladen und die Dorfkirche.

Bürgermeister Hermitte betritt die Terrasse des Rathauses und zeigt auf den Horizont. Grüne Berge. Blauer Himmel. Weiße Wolken. Schnurgerade Kondensstreifen der vielen Flugzeuge, die als winzige Punkte über Seyne-les-Alpes hinwegfliegen. Hinter dem dritten Gipfel von links liegt die Absturzstelle. In einem Talkessel auf dem Territorium der Nachbargemeinden Prads und Le Vernet. Prads hat 186, Le Vernet 123 Einwohner.

Sein Einsatz als Krisenmanager hat den Dorfbürgermeister berühmt gemacht

Der einfachste Weg dorthin aber nimmt in Seyne-les-Alpes seinen Anfang. Deswegen war sein Dorf der wichtigste Ort nach der Tragödie, sagt der Bürgermeister. Hier trafen sich Angela Merkel und François Hollande zu einer Pressekonferenz, die in die Dorfgeschichte einging. Hier arbeiteten die Forensiker, die abertausende Leichenteile zuordnen mussten. Hier kamen die Angehörigen der Opfer zusammen, um zu trauern.

Mittendrin der kleine Bürgermeister, sein Einsatz als Krisenmanager hat ihn in ganz Frankreich berühmt gemacht. Als Ende März die ersten Journalisten in Seyne auftauchten, gab Hermitte ein Interview nach dem anderen. Er sorgte sich um die Reputation seiner Heimat, und es kümmerte ihn wenig, dass das Innenministerium in Paris ein Interviewverbot erlassen hatte. „Seyne ist ein Geheimtipp“, lautete Hermittes Botschaft. Er wird jetzt bald 60, die Arztpraxis im Dorf hat er nach seinem Medizinstudium übernommen. Als Jugendlicher war er in die Sozialistische Partei eingetreten. „Ich hatte früh den Plan, Verantwortung für unsere Dorfgemeinschaft zu übernehmen.“ Hermittes Blick schweift vom Panorama der Bergkette über die Schafherden und die kleine Bergkapelle wieder auf sein Rathaus. „Ist es nicht schön bei uns!?“

Die deutsche Kanzlerin, der französische und der spanische Präsident - nach dem Absturz kam hoher Besuch in die Region der französischen Alpen.
Die deutsche Kanzlerin, der französische und der spanische Präsident - nach dem Absturz kam hoher Besuch in die Region der französischen Alpen.

© dpa

Der Bürgermeister will nicht nur über das Unglück sprechen. Seyne habe ja noch so viel mehr zu bieten, und seit Jahren liege da ein Plan auf seinem penibel aufgeräumten Schreibtisch. Auf einem Berg nahe des Absturzortes will er einen Wanderweg errichten und eine Berghütte und alles, was Touristen noch so brauchen. Jahrelang fehlten die finanziellen Mittel. Bis dann das Flugzeug abstürzte und die Welt in die abgelegenen Berge kam. Ach ja, der Ausnahmezustand... „Ich musste nur so machen“, Hermitte schnippst mit dem Finger, „und alles wurde erledigt.“ Jetzt redet er doch wieder nur über „Le Crash“.

In den zwei, drei Wochen nach dem Absturz wurde aus dem kleinen Bürgermeister ein mächtiger Manager. Die Straße sperren für den spanischen Ministerpräsidenten? Kein Problem! Platz für die Helikopter mit der Bundeskanzlerin und dem Präsidenten schaffen? Schon geschehen! Den Supermarktparkplatz für die Pressekonferenz der Staatsgäste frei räumen lassen? Erledigt! Die Turnhalle in ein Trauerzentrum umgestalten? Bitte sehr! In jenen Tagen habe er wirklich alles getan, um den Angehörigen, Angela Merkel, den Bergungsteams und der Lufthansa das Leben zu erleichtern.

Die Lufthansa quartierte die Angehörigen in einem großen Hotel ein

Aber dann, nachdem die Welt wieder Abschied von den Bergen genommen hatte, fühlte sich Hermitte wieder machtlos und klein. Wie ein Dorfbürgermeister. Seyne-les-Alpes tut sich schwer damit, wieder zu sich zu kommen.

Karin Vidal betreibt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen und einer dicken Katze das Gästehaus „Les Chanterelles“ am Marktplatz. In jahrelanger Arbeit hat die Familie das Fachwerkhaus saniert, die Zimmer mit Holz vertäfelt, Bäder und eine moderne Küche eingebaut. „Ich habe unsere drei Gästezimmer den Familienangehörigen angeboten“, sagt sie. Aber weil alle in Seyne-les-Alpes ihre Hilfe angeboten hatten, nahm niemand ihr Angebot an. Die Lufthansa quartierte die Familien der Angehörigen in einem großen Hotel ein.

Wochenlang bargen Rettungskräfte Leichen- und Trümmerteile von der Absturzstelle.
Wochenlang bargen Rettungskräfte Leichen- und Trümmerteile von der Absturzstelle.

© Reuters

Die ersten Tage nach dem Absturz seien „ein Albtraum“ gewesen. Niemand im Dorf hörte damals die Explosion, niemand sah „Le Crash“. Im ländlichen Frankreich sind die 13-Uhr-Nachrichten im Fernsehen ein Fixpunkt im Leben der Menschen. Und so erfuhren die meisten erst in ihrer Mittagspause von der Katastrophe, die sich um kurz vor elf ereignet hatte. Karine Vidal weiß noch, dass es 13:15 Uhr war, als ihre Mutter sich am Telefon meldete mit den Worten: „Ich glaube, es ist etwas Schlimmes passiert!“ Wenige Stunden später versperrten die Übertragungswagen internationaler Fernsehsender die „Grande Rue“, Hundertschaften der Gendarmerie postierten sich neben den Kühen auf den Feldern.

Kinder blickten zum Himmel und fragten, was denn passiert sei. „Weißt du was?“ Karine Vidal dutzt ihre Gäste konsequent. „Die vielen Kondensstreifen am Himmel erinnern mich jeden Tag an Germanwings.“ Die meisten Flugrouten aus Spanien, Nord- und Westafrika Richtung Nordeuropa führen über die französischen Alpen. „Les Chanterelles“ bedeutet Pfifferlinge und so putzt Karine Vidal, während sie das Gemüt ihres Dorfes beschreibt, selbst gesammelte Pilze für das Abendessen. „Sie wachsen jedes Jahr früher“, sagt sie.

Immer wieder fragen Touristen nach der Absturzstelle

Auch die Tourismussaison hat dieses Jahr früher begonnen. Eine Gruppe italienischer Rentner sitzt in der Brasserie „Forestier“ und diskutiert, wie klein denn die Leichenteile seien, die nicht zugeordnet werden konnten und demnächst in den Bergen beigesetzt werden. Ganze Füße? Zehn Zentimeter Knochen? Ein Zentimeter Haut? Aus Deutschland sind es vor allem Motorrad- und Quadfahrer, die wegen der steilen Aufstiege und vielen Kurven schon immer gerne durch Seyne dröhnten. Wenn man sie anspricht, steigen sie schnell wieder auf ihre Maschinen und fahren davon.

Wenn Wochenmarkt ist, jeden Dienstag und Freitag, erkundigen sich die Touristen bei den Einwohnern, wo im Dorf sie die Touristeninformation finden könnten. „Hinter dem Stand mit dem Gemüse und dem Schafskäse.“ Immer wieder fragen sie nach der Absturzstelle. Einige haben sich Bergführer gemietet, um sich dem Absturzort zumindest anzunähern.

In Le Vernet gibt es bereits eine Gedenktafel.
In Le Vernet gibt es bereits eine Gedenktafel.

© Reuters

Benjamin du Pontavice kennt sich in den Bergen gut aus und hat dieses Wissen zu seinem Beruf gemacht. Seit dem Spätfrühling hat der 37-jährige Bergführer deutlich mehr Kunden. Für 160 Euro pro Tag führt er ganze Gruppen ein bis zwei Stunden lang über Geröll und Felsen an den Rand des Talkessels. Die Absturzstelle selbst ist von den Behörden gesperrt. Die Touristen sind aber schon mit einem Blick auf den Ort der Katastrophe zufrieden „Ohne Bergführer findet man die Stelle nicht“, sagt du Pontavice. Früher hatten er und seine Kollegen das kleine, versteckte Tal verschmäht. Nur zwei Hirten führten ihre Schafe regelmäßig dorthin. Nun müssen sie Platz machen für die Krisentouristen.

„Diese Besucher wollen unter sich bleiben“, sagt du Pontavice. Sein Job hat nicht mehr viel zu tun mit der Ruhe, der unberührten Natur, die diese Berge ausmachen. „Es fühlt sich komisch an, diese spezielle Nachfrage zu bedienen.“ Bürgermeister Hermitte weiß um das Dilemma des Bergführers, „aber wir können die Touristen ja schlecht wegscheuchen.“

Die Leichenteile sind längst wegtransportiert und die Sicherheitskräfte und Forensiker abgerückt. Der Bürgermeister hat die Hinterbliebenen verabschiedet. Lufthansa habe sich nie wieder bei ihm gemeldet, obwohl doch ein Mitarbeiter der Fluglinie im Nachbardorf Le Vernet sitzt. Der Mann koordiniert die Dekontamination der Absturzstelle und den Bau einer Gedenkstätte.

"Ein paar Euros könnten die Deutschen schon springen lassen"

Beim Fußballturnier von Seyne sagt einer der Spieler, was er von Lufthansa erwarte: „Zumindest ein paar Euros können die Deutschen springen lassen.“ Im Sportverein brauchen sie neue Tore und das Schwimmbad könnte auch mal renoviert werden. „Ja, so eine oder zwei Millionen Euro würden reichen“, entgegnet ein anderer. Dann lachen die beiden und sagen, dass an ihrem Witz auch ein bisschen was Wahres dran sei.

Hat die Lufthansa Seyne-les-Alpes vergessen? Bürgermeister Hermitte wirkt eher enttäuscht als verärgert. Etwas mehr Engagement der größten Fluggesellschaft Europas in Seyne-les-Alpes sei doch nicht zu viel verlangt. Ohne Seyne und die Seynois hätte Lufthansa die Bergung und die Trauerfeiern gar nicht organisieren können.

Mittlerweile haben andere die Kontrolle. Vor allem dem Bürgermeister vom Nachbardorf Le Vernet steige alles zu Kopf, „er ist verrückt geworden“, sagt Karine Vidal in der Küche ihres Gästehauses. Der Mann wolle in seinem Minidorf mit finanzieller Unterstützung der Lufthansa ein „Disneyland des Absturzes“ errichten. „Warum bekommt Le Vernet alles und wir nichts?“, fragt Karine.

Andreas Lubitz war Co-Pilot auf dem Germanwings-Flug. Er ließ die Maschine absichtlich in den Bergen zerschellen. 150 Menschen starben.
Andreas Lubitz war Co-Pilot auf dem Germanwings-Flug. Er ließ die Maschine absichtlich in den Bergen zerschellen. 150 Menschen starben.

© Reuters

Der Bürgermeister von Le Vernet heißt François Balique, und weil sie es in den Alpen ernst nehmen mit dem Frühaufstehen, besteht er darauf, sich an einem Sonntag kurz vor acht Uhr zu treffen. Er bittet ins „Forestier“, denn daheim in Le Vernet hat die einzige Gaststätte so früh noch nicht geöffnet. Balique ist wie sein Kollege Hermitte Sozialist. Er bestellt eine Kanne Kräutertee und verschüttet die Hälfte beim Eingießen in die bunte Tasse. Der Bürgermeister ist ein hektischer Mensch und nimmt sich selten Zeit für die kleinen Dinge, nicht mal am Wochenende.

Balique, 65 Jahre alt, ist eigentlich Anwalt. Seine Halbglatze glänzt in der Morgensonne, er sagt: „Seyne ist nun mal geographisch nicht vom Absturz betroffen.“ Ein knapper, harter Satz, er dient ihm als Argument für das eigene Projekt.

In seinem Dorf steht schon ein kleiner Gedenkstein, gesäumt von Blumen der Besucher. Nach Baliques Vorstellung soll bald ein befestigter Weg bis an den Rand des Absturzortes im Talkessel führen. Dort will Balique eine große Tafel mit den Namen aller Toten aufstellen. Er könne sich vorstellen, gemeinsam mit der Lufthansa einen Architekturwettbewerb auszuschreiben. Ein kleines Museum mit persönlichen Gegenständen der Angehörigen soll das Gedenken persönlicher machen. Le Vernet, so will es der Bürgermeister Balique, soll zum Bezugsort für die Familien der Toten werden. Die Lufthansa lässt mitteilen, sie werde das Dorf dabei unterstützen.

Die Landwirte haben Angst, dass die Gedenkstätte ihnen schadet

Nur Le Vernet komme dafür in Frage, sagt Balique. „Angela Merkel war in Le Vernet zusammen mit François Hollande und mir.“ Der Präsident und die Kanzlerin hätten ihm zuliebe sogar das Protokoll missachtet und seien eine halbe Stunde länger geblieben, „das hat mich zutiefst berührt“. Der spanische König und der französische Präsident hätten ihm Medaillen verliehen. Seinem Kollegen Hermitte übrigens auch – aber das sei nicht so wichtig.

Balique kämpft bei seinem Projekt nicht nur gegen den Nachbar-Bürgermeister Hermitte, „der will doch nur ein Stück vom Kuchen abhaben“. Auch in Le Vernet selbst regt sich Widerstand gegen seine Pläne für einen Gedenkpark. Die Opposition arbeitet schon an einem Misstrauensvotum bei der nächsten Dorfversammlung. Balique sagt: „Ich weiß genau, welcher Bauer bei mir im Dorf gemeinsame Sache mit Hermitte macht. Die haben einfach ein Problem im Kopf.“ Die Ängste der Landwirte von Le Vernet, sie könnten wegen des Parkprojekts Land und damit EU-Subventionen verlieren, lässt er nicht gelten: „Wir werden meine Pläne nicht wegen drei Kühen verwerfen!“

Dann sagt Balique noch, er habe auch mal einen Onkel bei einem Flugzeugabsturz verloren, er wisse genau, wie sich das anfühle. Ihm gehe es um eine Geste für die Familien der Opfer und allen anderen, die einen Ort brauchen, um angemessen zu trauern. Und dieser Ort könne nur in Le Vernet entstehen.

„Tournons la page“ – drehen wir das Blatt um, sagen sie dazu in Seyne. Bürgermeister Hermitte, Gastmutter Vidal und Madame Bernes wollen mit der Katastrophe in ihrem Dorf abschließen – auf das Gedenken wollen sie dabei aber nicht verzichten. „Weißt du, wie sich der Absturz für mich anfühlt?“, fragt Karine Vidal. „Es kommt mir vor, als hätte ich 150 Freunde verloren, die ich sehr gut kannte."

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