zum Hauptinhalt
Verrechnet. Uli Honeß' Selbstanzeige wurde nicht anerkannt, er muss ins Gefängnis.

© dpa

Uli Hoeneß: Die Strafe als Befreiung

Er hat sein Lebenswerk zerstört. Nicht nur er, auch der FC Bayern wird in Zukunft mit Tricks und Betrügereien in Verbindung gebracht werden. Das will er nun gutmachen, dafür geht Uli Hoeneß sogar ins Gefängnis.

Es hat dann noch mal etwa 20 Stunden gedauert, bis Ulrich H. zu Uli Hoeneß zurückfand und den Rücktritt von all seinen Ämtern bekannt gab. Vielleicht waren es auch weniger Stunden, vielleicht stand der Entschluss, die Konsequenz aus seinem strafbaren Handeln zu ziehen, schon fest, als sein Anwalt Hanns W. Feigen noch kämpferisch im Gerichtsaal ankündigte, in die Revision gehen zu wollen und notfalls auch den Bundesgerichtshof zu bemühen.

Nichts dergleichen wird geschehen. Uli Hoeneß, ehemals Präsident des FC Bayern München, ehemals Aufsichtsratschef der Bayern München AG, ist beides nicht mehr. Uli Hoeneß ist jetzt in erster Linie verurteilter Steuerhinterzieher im großen Stil, nämlich von 28,5 Millionen Euro, und ist in Bälde Knastbewohner für drei Jahre und sechs Monate. Zumindest ist er es auf dem Papier des Urteilsspruchs, realiter dürfte die Strafe verkürzt werden nach zwei Dritteln der Laufzeit; realiter dürfte Hoeneß nach kurzer Zeit schon zum Freigänger aufsteigen, der nur noch in der Zelle nächtigt, tagsüber aber einer irgendwie gearteten Tätigkeit nachgeht. Aushäusig schlafen, wenn auch sicherlich kommoder in schicken Hotelzimmern, ist der vielgereiste Mann gewohnt.

Keine eiskalter Manager

Vor allen Dingen aber ist Uli Hoeneß wieder Uli Hoeneß und nicht mehr Ulrich H., wie er während des Prozesses hieß, ein Mann, der neben sich stand, phasenweise nicht mehr Herr seiner Sinne war. Der Dinge tat, die komplett im Gegensatz standen zu Worten und Taten des Uli Hoeneß. Und ein Mann, der plötzlich von seinem enormen sozialen Engagement sprach, selber darüber sprach, als könnte er sich damit reinwaschen von der Schuld und das eine mit dem anderen verrechnen. Er hat nie darüber gesprochen, wem er alles geholfen hat in der Not, welche Institution er mit Spenden bedacht hat, dass er seine Honorare für Vorträge und andere Auftritte ausnahmslos der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat, er hat das alles einfach gemacht, und so nach und nach ist im Laufe der Jahrzehnte durchgesickert, dass dieser Uli Hoeneß keineswegs ein eiskalter Manager ist, der allein auf seinen Vorteil aus ist.

Aber wie er jetzt davon sprach, am ersten Tag des Prozesses, wirkte das nicht nur kleinlaut, weinerlich, rechtfertigend, es war kleinlaut, weinerlich, rechtfertigend. Von Kampfeslust oder Kampfkraft, wie man sie etwa aus seinem Streit mit Christoph Daum kennt, dem koksenden Beinahe-Bundestrainer, aus seinem Anlegen mit Gott und der Welt, vornehmlich im Fußball, aber auch mit der Gesellschaft, mit der Politik, oder noch mehr aus seinem Kampf gegen das Sterben damals nach dem Flugzeugabsturz, war nichts mehr zu spüren.

Die Konsequenz seiner Entscheidung hat etwas Befreiendes

Ist es zu viel Interpretation, wenn man daraus abliest, dass ihm die Sache, seine ureigene Sache, keinen Kampf wert war, weil er sich wohl ebenso verurteilt hätte, wie es Richter Rupert Heindl tat? Die Konsequenz, mit der er am Morgen nach dem Urteil zurücktrat von all seinen Ämtern und mehr noch der Verzicht auf eine Revision hatten auf jeden Fall etwas Befreiendes, Läuterndes, Reinigendes. Dass sein Verteidiger überhaupt eine Revision angezeigt hat, belegt wahrscheinlich, dass er Uli Hoeneß in der Kürze der Zeit nie kennengelernt, sondern nur Ulrich H. erlebt hat.

Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte seine Verteidigung ein milderes Urteil erwirkt, mit großer Wahrscheinlichkeit hätte Ulrich H. auch sein Netzwerk nutzen können, um Vorteil für sich zu erzielen. Er tat es nicht. Er tat das Selbstverständliche, er trat zurück und nimmt die Strafe an.

Ein FC Bayern ohne Hoeneß - ist das denkbar?

Verrechnet. Uli Honeß' Selbstanzeige wurde nicht anerkannt, er muss ins Gefängnis.
Verrechnet. Uli Honeß' Selbstanzeige wurde nicht anerkannt, er muss ins Gefängnis.

© dpa

Seine Rede vor der Kammer am ersten Prozesstag gipfelte in dem Satz, dass er das ihm Vorgeworfene alles getan habe, „aber ich bin kein schlechter Mensch, ich bin kein Sozialschmarotzer“. Sozialschmarotzer, das ist für Uli Hoeneß wohl ein viel schlimmeres Schimpfwort, als das „Hoeneß, du Arschloch“, das ihm seit Jahrzehnten in auswärtigen Stadien immer wieder entgegenschallt. Sozialschmarotzer, einer, der ohne Gegenleistung von anderen lebt, das ist für einen wie Uli Hoeneß, dem außer dem Talent fürs Fußballspielen und einem unbändigen Ehrgeiz wohl nichts in die Wiege gelegt wurde, so etwas wie Abschaum. „Ich bin kein Sozialschmarotzer …“, treffender hätte er seine Gemütslage wohl beschrieben, wenn er den Satz fortgesetzt hätte, „aber ich war es in den zurückliegenden Jahren als Steuerhinterzieher, ich will das nicht mehr sein“. Die Fortsetzung seines Satzes fand er dann am nächsten Morgen mit seinem Rücktritt und dem Verzicht auf legale Rechtsmittel. Sie schienen ihm wohl illegitim zu sein.

Aber ist das denkbar, ein FC Bayern München ohne den FC Bayern Uli Hoeneß? Dass es den Klub, so wie es ihn gibt, ohne Hoeneß nicht geben würde, werden nicht mal seine Feinde bestreiten. Der FC Bayern besteht aus Hoeneß, viel mehr als der Hamburger SV mal aus Uwe Seeler bestand. Der stand mal für Tradition, nie für mehr. Tradition, die fand und findet bei Hoeneß allenfalls als folkloristisches Marketingmittel statt, dafür zieht er, der gebürtige Schwabe und Gefühlsbayer schon mal Lederhosen an. Ansonsten ist Hoeneß Fortschritt.

Honeß hat Grenzein eingerissen und Märkte eingenommen

Er hat Fußball-Marketing erfunden, er hat die Grenzen der nationalen Liga niedergerissen, hat den europäischen Markt eingenommen und erobert, er war dabei, sich als FC Bayern München weltweit ganz oben zu positionieren. Man muss allerdings nicht fürchten, dass diese Expansion nun ein Ende finden wird. Es sind Nachfolger gefunden. Als Chef des Aufsichtsrats wird Herbert Hainer fungieren, der Chef von Adidas. Und als Präsident agiert zunächst mal Karl Hopfner, der jahrzehntelang Geschäftsführer war, seit geraumer Zeit auch Vizepräsident ist, immer eine vermeintlich graue Eminenz in der Bayern-Chefetage. Aber eben nur vermeintlich grau und vor allem ein nibelungentreuer Hoeneß-Fan, der ähnlich bis exakt so tickt wie Hoeneß, auch wenn ihm dessen Exaltiertheit und dessen Narzissmus abgeht.

Die Linie des FC Bayern ist also gewahrt. Und im Zweifelsfall dürfte Kommunikation auch aus der Zelle möglich sein oder in der Zeit vor 19.30 Uhr, wenn der Freigänger Uli Hoeneß sich wieder einschließen lassen muss.

Hoeneß hat Schaden von seinem FC Bayern abwenden wollen. Und dass der Verein in seinem Kerngeschäft, dem Fußballspielen und dem Gewinnen, keinen Schaden nehmen wird, belegt die aktuelle Tabelle, belegt seine Spielweise, belegen seine bislang unangefochtenen Positionen im DFB-Pokal und in der Champions League. Pep Guardiola, der Trainer, wird nun nicht plötzlich Taktiken, Strategien und Trainingslehren vergessen, die Spieler werden weiter öfter ins Tor treffen als ihre Gegner, der FC Bayern München wird Meister werden, auch wenn Uli Hoeneß nicht mehr mit rot-weißem Schal auf der Tribüne sitzen und die Spiele vielleicht nur noch, ganz wie früher, in der Live-Konferenz im Radio verfolgen kann.

Der "Sozialschmarotzer" Hoeneß färbt auch auf den Klub ab

Schaden aber hat Hoeneß dennoch nicht abwenden können. Es ist der Imageschaden, der nun zu reparieren ist, wenn er denn repariert werden kann. Der Sozialschmarotzer, der Uli Hoeneß nun nicht mehr sein will, der färbt auch auf den Klub ab. Der Klub war in den Siebziger- und Achtzigerjahren der Klub der Scheckbuchtäter, der Trickser und Mauschler, der sich benahm, als wäre mit Geld die Welt zu kaufen und der runde Ball eckig zu machen. Nun wird der Klub wieder einer sein, der mit Tricks und Mauscheln in Verbindung steht, der sich, trotz aller vollmundiger Verkündungen über Festgeldkonten und ehrlichem Geld, einreiht in die Phalanx der Mauschelklubs aus Spanien, Italien, England.

Der FC Bayern München, das wird hängen bleiben außerhalb der Fan-Klubs und das ist der Bärendienst, den Uli Hoeneß seinem geliebten Klub beschert hat, ist auch nicht besser als all die anderen Betrüger. Ulrich H. hat das Lebenswerk des Uli Hoeneß zerstört. Verständlich, dass letzterer den H. loswerden möchte. Dafür geht Uli Hoeneß sogar in den Knast.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false